KM-I-2: Meeresspiegel

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Der Meeresspiegelanstieg hat auch Auswirkungen auf Wattgebiete, Ästuare und küstennahe Niederungen.
Quelle: Dietmar / stock.adobe.com

Monitoringbericht 2023 zur Deutschen Anpassungsstrategie an den Klimawandel

Inhaltsverzeichnis

 

Kontinuierlich steigender Meeresspiegel an Nord- und Ostsee

Infolge des Klimawandels schmelzen die Gletscher und die Eisschilde der Pole. Sie liefern den Meeren große Mengen von Süßwasser. Gleichzeitig dehnt sich bei steigender Wassertemperatur das Meerwasser aus. Weltweit steigt dadurch der Meeresspiegel an. Der 6. ⁠IPCC⁠ Sachstandsbericht aus dem Jahr 2021 projiziert für dieses Jahrhundert über alle Szenarien möglichen menschlichen Handelns hinweg eine wahrscheinliche Bandbreite des globalen Meeresspiegelanstiegs von 0,3 bis 1,0 m. In diesen Werten sind allerdings nur die Prozesse abgebildet, die gut verstanden sind und modelliert werden können. Beispielsweise sind die Eisschmelzprozesse in der Antarktis derzeit noch nicht ausreichend modellierbar. Diese könnten aber bis zum Jahr 2100 noch zu einem zusätzlichen Anstieg des Meeresspiegels von über einem Meter führen. Für die deutschen Küsten wird von Werten ausgegangen, die von den genannten globalen Mittelwerten kaum abweichen.
Verschiedene Einflussfaktoren wie unter anderem Massenumverteilungen im Ozean, Wind- und Luftdruckverhältnisse können die globale Entwicklung regional verstärken oder abschwächen. Darüber hinaus haben vertikale Landbewegungen entscheidenden Einfluss auf den absoluten Meeresspiegelanstieg an einem bestimmten Ort: Während der letzten Kaltzeit bedeckten mächtige Eisschilde den Küstenraum der Nord- und Ostsee. Sie ließen die Landmassen durch ihr enormes Gewicht sinken. Mit dem Abschmelzen des Eises setzte vor mehr als 10.000 Jahren eine isostatische Ausgleichsbewegung ein, die bis heute andauert. Diese Faktoren führen dazu, dass sich der Anstieg des Meeresspiegels regional und lokal sehr unterschiedlich ausprägt.

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KM-I-2: Meeresspiegel

Die an ausgewählten Pegeln der Nord- und Ostsee gemessenen, über 19 Jahre gemittelten Wasserstände illustrieren den Meeresspiegelanstieg. An den Pegeln der Nordsee und der Ostsee steigen die Wasserstände signifikant. Der ansteigende Meeresspiegel bedeutet für Küstenregionen, insbesondere für Ästuare und tiefliegende Niederungsgebiete, eine wachsende Gefährdung durch Sturmfluten, die zu Überschwemmungen führen können.

Quelle: BfG Pegeldatenbank der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes

An den deutschen Küsten werden Wasserstände an einzelnen Pegeln bereits seit bis zu 180 Jahren regelmäßig gemessen. Die langen Zeitreihen liefern Erkenntnisse zur historischen Entwicklung des Meeresspiegels an Nord- und Ostsee. Der ⁠Indikator⁠ zeigt den mittleren jährlichen Wasserstand an ausgewählten Einzelpegeln in cm bezogen auf Normalhöhennull (NHN). Das NHN bezeichnet den Nullpunkt des aktuellen Höhenbezugssystems in Deutschland, dem Deutschen Haupthöhennetz. Die drei Pegel Cuxhaven Steubenhöft, Borkum Fischerbalje und Wittdün auf Amrum liegen an der Nordseeküste, die Pegel Kiel, Travemünde und Saßnitz bilden die Entwicklung des Meeresspiegels an der Ostsee ab.
Die Nordsee ist vom Gezeitenwechsel geprägt. Der Indikator bildet aus diesem Grund für die entsprechenden Pegel das Mittlere Tidemittelwasser (MTmw) ab. Die Ostsee hingegen unterliegt aufgrund ihrer geografischen Lage mit nur geringer Verbindung zu den Ozeanen einem lediglich schwachen Gezeiteneinfluss, weshalb hier die jährlichen Mittleren Wasserstände (MW) maßgeblich sind. Für diese Kennwerte des Wasserstands wurde mittels eines Tiefpassfilters ein ⁠gleitendes Mittel⁠ über 19 Jahre ermittelt.
An allen untersuchten Pegeln sind die Mittleren (Tidemittel-) Wasserstände über die letzten 60 bis 180 Jahre statistisch signifikant steigend. Analog zur Entwicklung des globalen Meeresspiegelanstiegs ergibt die Trendanalyse am Pegel Cuxhaven Steubenhöft an der Nordsee einen säkularen (statistisch signifikanten quadratischen) Trend, der etwa seit Ende des 19. Jahrhunderts beginnt und von einer jeweils mehrere Dekaden umfassenden Variabilität überlagert ist. Von Beginn der Aufzeichnungen bis etwa zum Ende der 1880er-Jahre ist der Meeresspiegel an diesem Pegel zunächst gesunken, bevor ein kontinuierlicher Anstieg beobachtet wurde. Am Pegel Wittdün waren die Wasserstände zuletzt leicht rückläufig. Dies geht möglicherweise auf morphologische Änderungen im Umfeld des Pegels zurück.

Der ansteigende Meeresspiegel bedeutet für Küstenregionen, insbesondere für Ästuare und Niederungsgebiete, die teilweise sogar unter dem Meeresspiegel liegen, eine wachsende Gefährdung durch Sturmfluten, die zu Überschwemmungen führen können. Eine weitere Folgewirkung des ansteigenden Meeresspiegels ist die voranschreitende Küstenerosion, die sandige Brandungsküsten und damit auch Steilküstenabschnitte betrifft. In der Deutschen Bucht und den angrenzenden Ästuaren wirkt der Meeresspiegelanstieg zudem auf die Tidedynamik (Tidewasserstände und Strömungsgeschwindigkeiten). So verändert beispielsweise die modifizierte Tidedynamik den Sedimenttransport in den Wattgebieten und den Ästuaren. Höhere Flutstromgeschwindigkeiten (im Vergleich zu Ebbstromgeschwindigkeiten) tragen mehr Sediment in diese Gebiete. Wie stark die Wattgebiete mit dem Meeresspiegelanstieg mitwachsen, hängt unter anderem von der Sedimentverfügbarkeit ab. Es bestehen nach wie vor Unklarheiten. Dies gilt auch für die Halligen. Auch sie wachsen durch Sedimenteintrag bei Überflutungen in die Höhe. Steigt der Meeresspiegel aber in Zukunft schneller, werden die Halligen und die Salzwiesen ohne gezielte Schutzmaßnahmen massiv bedroht sein. In den Ästuaren, die unter anderem als Schifffahrtsstraßen dienen (beispielsweise Zufahrt zum Hamburger Hafen über die Elbe), könnte ein höherer Sedimenteintrag zu einem höheren Unterhaltsaufwand führen, falls die Verringerung der Wassertiefe durch den erhöhten Sedimenteintrag gegenüber der Erhöhung der Wassertiefe aufgrund des Meeresspiegelanstiegs überwiegt. Zu berücksichtigen ist, dass wasserbauliche Maßnahmen stets auch starken Einfluss auf diese Prozesse haben.
Die Unsicherheiten in den Projektionen des Meeresspiegelanstiegs und die Auswirkungen regionaler und lokaler Veränderungen machen eine gezielte Erfassung von Daten zur Entwicklung der Wasserstände an den Küsten unerlässlich. An ihnen orientieren sich unter anderem die notwendigen Maßnahmen des Küstenschutzes und an anderen küstennahen Bauwerken, die es kontinuierlich an die neuen Herausforderungen anzupassen gilt.

 

Schnittstellen

KM-I-3 Höhe von Sturmfluten

KM-I-4 Küstenmorphologie (Fallstudie)

KM-R-2 Landesschutzdeiche ohne Sicherheitsdefizit

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