Roman- und Drehbuchautorin Elisabeth Herrmann hat sich in „Die letzte Instanz“ den Existenzen zerst�renden S�nden der Treuhand gen�hert. Der ZDF-Fernsehfilm von Carlo Rola bleibt ein Krimi. Der moralische Diskurs musste deshalb in die Spannungsdramaturgie integriert werden. Das gelingt weitgehend gut – auch Dank einiger gro�er Momente. Der Film schwingt nicht allzu vehement die moralische Keule und macht die Figuren – anders als in Herrmanns "Das Kinderm�dchen" – nicht nur zu Erf�llungsgehilfen der Dramaturgie.
Foto: ZDF / Stephanie KulbachMit einer Waffe f�ngt alles an. Die Dame (Gudrun Ritter) kennt ihr Opfer gar nicht.
Vor dem Landgericht Berlin schie�t eine �ltere Dame auf einen Obdachlosen. Der Mann sucht unverletzt das Weite; die Frau erleidet einen Schw�cheanfall. Anwalt Joachim Vernau – die Karriereleiter von ganz oben nach ganz unten gefallen – ist Zeuge des Vorfalls und erhofft sich mal wieder einen Mandat. Wenig sp�ter stirbt die Frau, die mit ihrer G�rlitzer Kirchengruppe Berlin besucht hatte. F�r Vernau und seine linksalternative Kollegin bleibt der Fall hei�. Der Anwalt sp�rt den Obdachlosen auf; der f�hlt sich verfolgt. Vollendet nun ein Freund der Verstorbenen ihr Werk? Wenig sp�ter jedenfalls ist der Stadtstreicher tot – nur erfroren oder auch ermordet? Gibt es in Berlin vielleicht eine Gruppe von Menschen, die das Recht in die eigene Hand nimmt? Recherchen jedenfalls ergeben, dass das Berliner Landgericht in den letzten Jahren seltsame Urteile gef�llt hat. Die coole Staatsanw�ltin Noack k�nnte etwas damit zu tun haben. Das w�rde auch erkl�ren, weshalb sie sich so pl�tzlich Vernau ins Bett holt.�
Foto: ZDF / Stephanie KulbachIst der Obdachlose (Udo Samel) mit seinem Dasein nicht schon genug gestraft?
Nachdem die Roman- und Drehbuchautorin Elisabeth Herrmann in „Das Kinderm�dchen“ mit Hilfe von Anwalt Vernau den braunen Sumpf einer Familiendynastie trockenlegte, hat sie sich in „Die letzte Instanz“ den Existenzen zerst�renden S�nden der Treuhand gen�hert. Wieder hat sie sowohl den Roman als auch das Drehbuch verfasst. Der von Rolf Hoppe gespielte ehemalige Betriebsarzt einer f�r eine Mark verschacherten Baumwollspinnerei erinnert sich: „Zum Schluss habe ich nur noch Psychopharmaka verschrieben und eine Menge falsche Totenscheine ausgestellt – Herzinfarkt, Schlaganfall, klingt doch besser f�r die Versicherung als erh�ngt oder?!“ So dezidiert politisch geht es allerdings nur selten zur Sache. Auch wenn es in dem ZDF-Fernsehfilm, wie Herrmann sagt, „um die Verzweiflung jener, denen unser Rechtssystem keine ausreichende Antwort geben konnte, geht“, so sollte er doch ein Krimi bleiben. Der moralische Diskurs musste deshalb in die Dramaturgie integriert werden.
Foto: ZDF / Stephanie KulbachBegierde oder Berechnung? Weshalb verf�hrt die karrieregeile Staatsanw�ltin ohne Vorwarnung den heruntergekommenen Anwalt? Liefers & Katharina M�ller-Elmau
Die Gratwanderung zwischen „Aufkl�rung“ und Unterhaltung, zwischen Information und Spannungsfluss ist weitgehend gelungen. Mit guten Schauspielern geht das. So wie Rolf Hoppe in der erw�hnten Szene die Zeitenwende und das Werk „dieser Treuhandverbrecher“ bei einem Glas Wein an Jan Josef Liefers Vernau und den Zuschauer bringt – das ist darstellerische Extraklasse. Eine weitere zentrale Szene gegen Ende des Films ist nicht so �berzeugend, weil von ihr die Erkl�rung der gesamten Vorgeschichte erf�llt werden muss. Das ist nicht schlecht gespielt, Angelika Thomas versucht, Beil�ufigkeit in ihre S�tze zu legen, auch ist es richtig, dass ein Mensch die „Unmenschlichkeiten“ aus der Nachwendezeit �berbringt – und doch, es sind sehr viele geballte Informationen in wenigen Minuten. Und mit einer Bewertung der Ereignisse will Herrmann auch nicht hinterm Berg halten und so legt sie der „Referentin“ auch noch folgende S�tze in den Mund: „Die Treuhand, die Liquidatoren, wie die Hunnen sind sie �bers Land. Die bekamen Pr�mien f�r jeden geschlossenen Betrieb. Ich sag ja gar nicht, dass alles falsch war, aber – man h�tte viel retten k�nnen.“
Foto: ZDF / Stephanie KulbachInformationen �ber die Nachwendezeit zu treuen H�nden. Dazu ein Barolo. Politik in Menschengestalt – eindringliches Spiel: Rolf Hoppe. Jan Josef Liefers als Vernau
„Die letzte Instanz“ wirkt insgesamt runder, in sich stimmiger als die erste Zusammenarbeit zwischen Elisabeth Herrmann, Liefers, Stappenbeck, Carlo Rola und Network Movie bei „Das Kinderm�dchen“. Auch erweisen sich die Figuren etwas weniger als Erf�llungsgehilfen der Dramaturgie, sind etwas mehr Zeugen der Geschichte im doppelten Sinne. Au�erdem wird die moralische Keule nicht ganz so vehement geschwungen; die Story ist dezenter und weniger penetrant als Gutmenschdramolett angelegt. Auch die Tonlage ist einheitlicher. Der Treuhand-Geschichte aus Ost-Perspektive geschuldet ist offenbar die Art und Weise der Inszenierung. Carlo Rola, einst ein Freund glatter Oberfl�chen und eines stylishen Look, h�lt sich wie schon bei „Das Kinderm�dchen“ zur�ck mit Stil-Bewusstsein oder ausgefeiltem Kamera-Konzept. In Anlehnung an die von Rolf Hoppe gespielte Figur, wirkt das alles ziemlich „grau“ – aber das muss wohl bei diesem Stoff so sein. (Text-Stand: 29.12.2013)
Foto: ZDF / Stephanie KulbachAuch am Ende wird wieder eine Waffe gezogen. Liefers, M�ller-Elmau, Stappenbeck
Rainer Tittelbach arbeitet als TV-Kritiker & Medienjournalist. Er war 25 Jahre Grimme-Juror, ist FSF-Pr�fer und betreibt seit 2009 tittelbach.tv. Mehr
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