Wolfgang Schäuble im Bundestag (Foto: dpa Bildfunk, picture alliance/dpa | Kay Nietfeld)

Nachruf zum Tod des CDU-Politikers 

Wolfgang Schäuble: Ein Leben für die Politik 

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Kathrin Madry 
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Laura Könsler
Porträtfoto Laura Könsler (Foto: SWR, Hardy Neumann)

Wolfgang Schäuble ist im Alter von 81 Jahren gestorben. Der südbadische Bundespolitiker hinterlässt ein Vermächtnis: die Deutsche Einheit. Ein Nachruf auf ein Leben für die Politik.  

Kanzleramtschef, Fraktionschef, CDU-Chef, Minister, Bundestagspräsident: Wolfgang Schäuble war schon fast alles, was man in der deutschen Politik werden konnte. Nun ist er im Alter von 81 Jahren gestorben. 

Insbesondere als Innenminister und später als Finanzminister war er aus der deutschen Politik nicht wegzudenken. Gern wäre der gebürtige Freiburger wohl auch Kanzler oder zumindest Bundespräsident geworden. Ein Politiker mit unbestrittenen Verdiensten - aber auch ein Mann, an dem sich die Geister schieden. 

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Rekordhalter: 14 Direktmandate in Folge 

In seinem Wahlkreis Offenburg hatte Schäuble seit fast 50 Jahren - 14 Mal hintereinander ohne Unterbrechung - das Bundestags-Direktmandat geholt. Diesen Rekord in der deutschen Parlamentsgeschichte seit 1871 wird ihm so leicht niemand abnehmen. 

Wolfgang Schäuble kam am 18. September 1942 in Freiburg zur Welt. Als zweiter von drei Brüdern. Früh begann er sich - wie der Vater, der CDU-Abgeordneter im Badischen Landtag war - ebenfalls politisch zu engagieren. 1961 trat er in die Junge Union ein - und holte 1972 das erste Direktmandat für den Bundestag. Der Beginn einer steilen Karriere.

Architekt des Einheitsvertrags 

Helmut Kohl holte den Juristen in den Achtzigerjahren als Kanzleramtschef ins Zentrum der Macht. Später machte er ihn zum Fraktionschef. Ein politischer Höhepunkt für den Badener, der aus seiner Herkunft auch sprachlich nie einen Hehl machte, war seine Zeit als Innenminister. Er verhandelte den Vertrag über die Deutsche Einheit und gilt seither als einer ihrer Architekten. "Das war der bewegendste Moment in meinem politischen Leben", sagte Schäuble später im SWR-Interview.  

Die Mauer geht auf. Die Mauer geht auf. Wenn wir noch mal Wiedervereinigung machen, machen wir es wieder so. Aber nicht in einem Wahljahr.

 
Politiker mit Herzblut und Temperament 

Den Westdeutschen warf Schäuble oft vor, nie bereit gewesen zu sein, auch sich zu ändern. Und für Ostdeutschland verlangte Schäuble mehr Respekt. 
Er selbst allerdings ließ es daran hin und wieder fehlen. Bei einer Pressekonferenz 2011 ging er geradezu unbarmherzig mit seinem damaligen Pressesprecher um, kanzelte ihn mehrere Minuten lang vor den versammelten Hauptstadtjournalisten ab, weil er eine Presseerklärung nicht vor Beginn hatte verteilen lassen. Diesen Auftritt soll Schäuble danach bereut haben. 

Bruch zwischen Kohl und seinem "Kronprinzen" 

Das immer schwieriger werdende Verhältnis Schäubles zu Helmut Kohl war Anfang der 90er Jahre endgültig zerbrochen, als die CDU-Parteispendenaffäre in die Schlagzeilen geriet - und damit auch Schäuble selbst. 1994 hatte er einen Koffer mit 100.000 D-Mark vom Waffenhändler Karlheinz Schreiber als Parteispende angenommen und musste selbst im Februar 2000 Partei- und Fraktionsvorsitz niederlegen. 

Zum Bundeskanzler hatte Helmut Kohl, der selbst an diesem Amt festhielt, Schäuble nie werden lassen. Und auch die Nachfolge von Johannes Rau als Bundespräsident konnte Schäuble nicht antreten. Dieses Mal verhinderte ihn Kanzlerin Merkel, die auch darauf Rücksicht nahm, dass FDP und CSU einen Bundespräsidenten Schäuble nicht wollten. Verletzungen, die vernarbten und blieben. Genau wie Schäuble. Von sich selber sagte Schäuble einmal: "Ich bin nicht pflegeleicht. Nicht bequem. Ich bin aber loyal." 

Ich bin nicht pflegeleicht. Nicht bequem. Ich bin aber loyal. 

Und so trug er auch mit Kanzlerin Angela Merkel alle inhaltlichen Differenzen offen aus und wurde während der Griechenland-Krise neben Merkel eines der Hassobjekte derer, denen Deutschlands europäische Finanzpolitik missfiel. 

Als er 2017 das zweitwichtigste Amt im Staate übernahm, das des Bundestagspräsidenten, gab es sechs Fraktionen. Eine davon - die AfD. Schäuble wurde umso mehr mit der ihm eigenen intellektuellen Schärfe, mit Wortwitz und Schlagfertigkeit, zum Mahner und Verteidiger der Demokratie. Zu diesem Zeitpunkt saß er schon 27 Jahre querschnittsgelähmt im Rollstuhl. 

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Nach Attentat saß Schäuble im Rollstuhl 

1990, nur neun Tage nach dem historischen 3. Oktober, war Schäuble in der Gaststätte "Brauerei Bruder" in Oppenau (Ortenaukreis) von einem psychisch kranken Mann niedergeschossen worden. Der Attentäter hatte von hinten zwei Kugeln aus einer Smith&Wesson auf den damaligen Bundesinnenminister abgefeuert. Eine traf den Kiefer, die andere das Rückenmark. Schäubles Personenschützer Klaus-Dieter Michalsky hatte versucht, dem Täter die Waffe aus der Hand zu schlagen und wurde durch einen Schuss verletzt. Seit diesem Tag war Schäuble vom dritten Brustwirbel an abwärts gelähmt. Anlässlich seines 80. Geburtstags vor gut einem Jahr sagte der Vater von vier Kindern, er sei dankbar: "80 ist ein Alter, das nicht viele erreichen. Insofern bin ich zufrieden." 

Schäubles Ehefrau hat nach 54 gemeinsamen Jahren längst aufgegeben, seinen Übereifer für die Politik zu schmälern. Ihr Mann interessiere sich nun mal am meisten für Politik, sagte sie. Er selbst sagt: "Ich brauche ja nicht mehr. Ich brauche nichts mehr zu werden. Und will auch nichts mehr werden." 

Schäuble wollte Laschet statt Söder 

Sein Einfluss allerdings sorgte mit für die Wahlniederlage der Union 2021. Der offene Kampf zwischen CSU-Chef Markus Söder und Armin Laschet, dem offiziellen Kanzlerkandidaten, um die Spitzenposition tobte. Schäuble gab in einer nächtlichen Krisensitzung den Ausschlag. Er wollte den Mann aus Nordrhein-Westfalen, hielt Laschet für verbindlicher, vermittelbarer. Söder gab nach. Doch mit Laschet verlor die Union die Wahl und Wolfgang Schäuble sein Amt als Bundestagspräsident. Seither war sein Platz in Reihe sechs im Plenum des Bundestages. Ein Stuhl mit einem Tischchen. Daran wollte er noch bis 2025 weiterarbeiten. Doch nun wird Wolfgang Schäubles Platz leer bleiben.  

Die Dokumentation zum Tod von Wolfgang Schäuble:

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