Was Armin Laschet ein Jahr nach der gescheiterten Wahl macht
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Was Armin Laschet ein Jahr nach der gescheiterten Wahl macht

Armin Laschet mit Smartphone am Ohr in seinem Berliner Büro
Magic! Den Trick mit dem schwebenden Handy an der Wange beherrscht nur Armin Laschet. © Claudia Hessel

Armin Laschet: 2021 scheiterte er als Kanzlerkandidat und CDU-Vorsitzender. Doch was macht er heute?

Köln - Wie viele Leben hat ein Politiker? Die meisten verschwinden nach Niederlagen in der Versenkung. Es gibt nicht viele, die ihren Weg weitergehen. Armin Laschet jedoch ist so einer. Er ist ein Stehauf-Politiker. Viele Aufs und Abs ziehen sich durch seine lange politische Karriere. In allen Parlamenten hat er schon gesessen: Stadt, Land, Bund, Europa. Und nun ist wieder der Bund dran: Der Beinahe-Kanzler ist seit einem Jahr Abgeordneter der CDU im Deutschen Bundestag.

In der Hauptstadt wird seine politische Fallhöhe deutlich. Alles ist mehrere Nummern kleiner. Sein Büro, die Anzahl seiner Mitarbeiter, selbst seine Art sich fortzubewegen: Statt mit Staatskarosse und Fahrer, kommt der ehemalige NRW-Ministerpräsident aus Aachen jetzt mit dem E-Roller zum Termin. Es war keine Sinnestäuschung, als wir uns in Berlin trafen. Im Pulk der Rollerfahrer düste einer der bekanntesten deutschen Politiker-Köpfe mit wehendem Mantel über die Spree.

Armin Laschet: In Berlin immer noch ein Selfie-Star

Armin Laschet im Anzug und ein junger Mann mit Sakko, der ein Selfie von sich und Laschet macht.
Selfie-Lieferant Laschet. Immer noch wollen viele junge Menschen ein Foto mit dem Beinahe-Kanzler Armin Laschet. © Claudia Hessel

„Ist praktischer“, sagt Laschet lapidar. Mag sein, aber auf jeden Fall ist es bürgernah. Monatelang war er als Kanzlerkandidat einer der prominentesten Politikerköpfe des Landes mit zahlreichen Fernsehauftritten, Veranstaltungen, Talkshows. Ein Jahr später erkennen ihn die Menschen auf der Straße immer noch sofort. „Hallo Herr Laschet, darf ich ein Foto mit Ihnen machen?“ Mehrmals bei unserem Termin erlebe ich, wie er angesprochen wird. Das sei jeden Tag so, wenn er unterwegs ist, sagt er. Er freut sich darüber, nimmt sich Zeit für ein Selfie und wechselt ein paar nette Worte. Oft mit jungen Leuten. Laschets lockere Art nimmt die Sorge, abgewiesen zu werden. Wer würde schon Merz ansprechen und um ein Selfie bitten?

Zu Markus Söder könnte Armin Laschet viel sagen

Laschet „klebt“ an seinem Handy. Wörtlich. Er kann telefonieren, ohne seine Hände zu benutzen. Fotos mit dem schwebenden Handy an seiner Wange beherrschten im Wahlkampf den Blätterwald von Seriös bis Boulevard. Ein Trick? „Nein, das leg ich einfach so dran,“ lautet seine simple Erklärung und klebt das Handy an die Wange. Immer noch nutzt er die kuriose Art zu telefonieren. Überhaupt ist das Smartphone Laschets ständiger Begleiter. Er hat zwei, checkt oft Whatsapp und Twitter. Da liefert er sich schon mal gerne rhetorische Scharmützel mit Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach oder er schießt gegen - seiner Meinung nach - stillose Äußerungen von CSU-Chef Söder. Markus Söder - zu ihm könnte er viel sagen, aber er schweigt lieber.

Gescheiterter Kanzlerkandidat Laschet: „Fehlende Geschlossenheit in der CDU/CSU“

Spätestens da komme auch ich nicht um die Frage herum: Warum ist der Traum vom Kanzler geplatzt? Laschet ist überzeugt: „Es fehlte die Geschlossenheit in der CDU/CSU. Mit mehr Gemeinsamkeit hätte die Union die Wimpernschlag-Wahl geschafft.“ Das Wahlergebnis war knapp. Nicht ohne Grund rief Laschet bei seiner Abschiedsrede als Bundesvorsitzender zu innerparteilicher Solidarität und Vertraulichkeit auf. „Wir müssen wieder lernen, seriös zu arbeiten.“ Ein Wink in Richtung Sondierungsgespräche, die ja auch wegen Durchstechereien gescheitert waren.

„Als Kanzler hätte ich mich in der Krise mehr mit Präsident Macron abgestimmt, europäischer gehandelt.“ Mehr sagt Armin Laschet nicht dazu, er will nicht zurückblicken. „Mir war der schnelle Abschied wichtig“. Nicht nachtreten, seinen Abgang sachlich regeln und sich mit dem abfinden, was nicht mehr zu ändern ist.

Armin Laschet hat ein außenpolitisches Ziel

Aber wo eine Tür zugeht, geht oft eine andere auf. In Berlin hat er ein anderes Betätigungsfeld gefunden: die Außenpolitik. Als Ministerpräsident hatte Armin Laschet immer die Internationalität von Nordrhein-Westfalen im Blick, erklärt er und zählt auf: Die Unterzeichnung des Aachener Vertrages mit Macron, sein Mandat als Bevollmächtigter Deutschlands für die kulturellen Beziehungen zu Frankreich bis hin zu der Errichtung einer NRW-Vertretung in Tel Aviv. „Besonders Israel und der Wandel in der arabischen Welt beschäftigen mich seit Jahren.“

Laschets außenpolitisches Ziel: Das sogenannte Abraham Abkommen in Deutschland und der EU bekannter zu machen. Das Abraham Abkommen ist ein diplomatisches Dokument, das von den Vereinigten Arabischen Emiraten und Israel im Jahr 2020 unterschrieben wurde. Es soll den Dialog stärken und den Friedensprozess im Nahen Osten fördern. „Deutschland hat nicht nur eine besondere Verpflichtung für die Existenz des Staates Israels einzutreten, sondern Deutschland hat gleichzeitig in der arabischen Welt eine hohe Legitimität zu agieren.“ Um dieses Vorhaben voranzubringen, hat er gerade ein neues Institut gegründet.

Armin Laschet löste als Ministerpräsident 2017 nach einem engagierten Wahlkampf die rot-grüne Landesregierung in NRW ab. Von diesem Erfolg beflügelt wurde er nach der glücklosen Annegret Kramp-Karrenbauer im Januar 2021 CDU-Vorsitzender, trat als Kanzlerkandidat bei der Bundestagswahl 2021 an – und scheiterte, auch im eigenen Wahlkreis. Laschet trat als Vorsitzender zurück und ist seit dem Bundestagsabgeordneter - dank Listenplatz 1 in NRW.

24RHEIN-Gastautorin Claudia Hessel ist Chefmoderatorin von RTL West – und eingefleischte Kölnerin. Die TV- Journalistin leitet als Vorstandsvorsitzende das Kölner Forum für Kultur im Dialog und ist ehrenamtlich im Kölner Presseclub aktiv. Dieser Beitrag stammt aus dem Newsletter des Kölner Presseclub, den Sie hier abonnieren können.

Außenpolitik im Auge, Heimat im Herzen: Das letzte Stück geförderte Kohle aus der Zeche Prosper-Haniel steht im Berliner Büro von Armin Laschet, ebenso eine Statue von Karl dem Großen, aber auch ein Stück Köln: eine Domspitze. Es ist das Geschenk der Kölner Oberbürgermeisterin Henriette Reker zu Laschets 60sten Geburtstag. Wie er auf Köln blickt, will ich wissen: „Köln wird von den Kölnern oft unter Wert wahrgenommen. Die Stadt ist reich an Geschichte und Kultur und sie ist wirtschaftlich stark. Sie kann locker mit Städten wie Hamburg, Berlin und München mithalten, denn sie ist immerhin eine von nur vier Millionenstädten in Deutschland.“ Interessant zu hören, wie ein Außenstehender auf Köln blickt, und das ausspricht, was der Kölner an sich nicht so wahrhaben will: Köln kann mehr.

In der Versenkung verschwunden ist der Bergmannsohn noch lange nicht. Ich habe in Berlin einen Politiker getroffen, der auch zu seinen Fehlern steht. Ernsthaftigkeit im Amt, Lockerheit bei den Menschen auf der Straße. Laschet bleibt ein Rheinländer, dem das Lachen trotz Niederlagen nicht vergangen ist. Sein Lebenslauf und seine Eigenschaften legen es nahe: Von ihm wird noch zu hören sein. (ch/IDZRW)

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