Deutsche: Wir können stolz sein auf unser Land – Wählt Willy Brandt

Wahlplakat 1972. Bild: Sir James/CC BY-SA-4.0

Die Bundestagswahl 1972 steht bis heute für den größten Erfolg der SPD in ihrer Wahlgeschichte. Subjektgeschichtliche Erinnerungssplitter.

 

Mit diesem Plakat und seiner chauvinistischen Losung warben Sozialdemokraten zur Bundestagswahl 1972 großformatig für ihren Genossen Willy Brandt (1913-1992). Der als ehemaliger sozialistischer Flüchtling oder Exulant als Zwanzigjähriger 1933 von Lübeck nach Skandinavien auswanderte, 1940 in Schweden die norwegische Staatsangehörigkeit erhielt und 1945 als Korrespondent für skandinavische Zeitungen in die zerstörte Reichshauptstadt zurückkehrte. Der Mitte 1948 in Westdeutschland wiedereingebürgerte Sozialdemokrat wurde nach Ernst Reuter 1967 in Berlin (West) Regierender, Ende 1966 in der ersten Großen Koalition Außenminister der 1949 gegründeten Bundesrepublik Deutschland und Ende 1969 Bundeskanzler der ersten sozialliberalen Koalition mit der von ihm regierungsamtlich verkündeten öffentlichkeitswirksamen Formel mehr Demokratie wagen. Und nachdem die den CDU-Staat zwanzig lange Jahre lang beherrschenden Kräfte abgewählt wurden, versuchten sie mehrfach, auch indem sie die Gunst der politischen Stunde nutzten, Ende April 1972 den ersten parlamentarischen Kanzlersturz mit einem dann doch nicht gewählten CDU-Kandidaten zu organisieren.

Als betroffener Zeitzeuge verwies ich bereits vor zehn Jahren auf die andere Seite von MEHR DEMOKRATIE WAGEN, die demokratiegefährdende antikommunistische POLITIK DER BERUFSVERBOTE auf Grundlage des von Bundeskanzler Brandt mitgetragenen illegalen „Extremisten“-Erlasses von Ende Januar 1972. Diese Erinnerungen sind für alle, die es interessiert, öffentlich zugänglich (Berufsverbotepolitik 1972. Seit vierzig Jahren: Links blinken – rechts überholen). Ich kann mich hier auf den damals als zentral geltenden Zusammenhang konzentrieren: die Wahldaten. Sie bestätigen die These eines im Sommer/Herbst 1972 führenden Brandt-Mitarbeiters, der fünf Jahren später zur Willy-Willy-Campagne meinte: „Siege kann man machen.“

Das gilt jedoch nicht wie gemeint allgemein. Sondern galt für den Einzelfall dieser Bundestagswahl am Sonntag, dem 19. November 1972. In dem verschiedene Faktoren zusammenwirkten: Auf der Ebene europäischer Ausgleichs- und Verständigungspolitik hatte Brandt als Anerkennung der von ihm mitgetragenen bundesdeutschen Ostpolitik im Dezember 1971 den symbolpolitisch bedeutsamen Friedensnobelpreis und der Kölner Schriftsteller Heinrich Böll in Anerkennung seiner dezidiert antifaschischen Romane und Erzählungen im Oktober 1972 den für Literatur zugesprochen bekommen. Zudem gab es im deutschen Herbst 1972 noch immer vorhandene, wenn auch schon abgebremste, positive Aufbruchs- und Veränderungsstimmungen der späten 1960er und frühen 1970er Jahre mit ihren politischen Reformverheißungen und Veränderungsversprechungen.

Es waren die wenigen unbeschwerten Jahre, bevor (nicht nur, aber auch) in (West-) Deutschland ideologische Warnungen wie der erste globale über Grenzen des Wachstums (Club of Rome 1972) ankamen und die erste Öl(preis)krise 1973 die praktische Bedeutung der Abhängigkeit industrieller Produktionsweisen von fossiler Energie, insbesondere von fossilen Treibstoffen, verdeutlichte.

Und was die Lage in (West) Deutschland betraf: Das CDU/CSU-Misstrauensvotum gegen Brandt Ende April 1972 war erfolglos, zugleich wurde die parlamentarische Mehrheit von SPD/FDP dünner, so dass Bundestagsneuwahlen letztlich als Frage der Zeit galten: entsprechend bestimmte eine bundespräsidiale Verfügung unmittelbar nach Abschluss der trotz unerwarteten Terrors gegen israelische Athleten erfolgreichen sommerolympischen Spiele in München noch im September 1972 die Auflösung des alten und den Termin zur Wahl des neuen Bundestags im November 1972.

Erinnerliche Einzelheiten zu dieser Wahl von heute vor 50 Jahren: Nicht nur eine ältere Dame bekannte mir gegenüber, „diesmal den Willy“ gewählt zu haben; ein prominenter recht(srheinisch)er Liederbarde im Maßanzug mit Sonorstimme, Dunkelbrille und Toupet bekannte noch Jahrzehnte später öffentlich: Da han isch einmal Kommunisten gewählt … Was ich selbst im Sommer/Herbst 1972 als 27jähriger Teilzeitjunglehrer in Mannheim/Ludwigshafen politisch unternahm, ob ich überhaupt und wenn dies wen oder wen nicht wählte unterlag dem Wahlgeheimnis. Das ich hier nur teilaufkläre: keine der drei vor und nach der Wahl am 19. 11. 1972 im Hohen Haus in Bonn vertretenen politischen Parteien …

Diese Bundestagswahl steht bis heute für den größten Erfolg der SPD in ihrer Wahlgeschichte. Es war zugleich die Bundestagswahl mit der höchsten Beteiligungsquote (91,1 % der 41,446 Millionen Wahlberechtigten) in der Alt-BRD. Dabei gelang es der SPD erst- und bis heute einmalig, absolut und relativ mehr Stimmen als die CDU/CSU zu bekommen (45,8% zu 44,9%; FDP 8,4%). Entsprechend ergab sich: von den insgesamt 518 Mandaten gingen 245 an die SPD, 235 an die CDU/CSU und 42 an die FDP. Und die alte/neue Bundesregierung hatte nun 284 und die neue/alte Opposition 234 Sitze.

Bereits ein Jahrzehnt später vertrat der deutsch-britische Soziologe Ralf Dahrendorf (1929-2009) die zu diesem beeindruckenden Wahlbefund scheinbar konträre These: Die Entwicklung von Gesellschaft und Politik zeigte, dass das sozialdemokratische Zeitalter zu Ende ginge. Die Sozialdemokratie habe sich (freilich nicht im Wortsinn des zitierten Müller-Spruchs machbarer Siege) zu Tode gesiegt. Vielmehr habe sich die politisch erfolgreiche Sozialdemokratie dadurch, dass ihre Anliegen gesellschaftlich anerkannt und verallgemeinert würden, als solche selbst überflüssig gemacht: verüberflüssigt.[1] Was auch bedeutet: Wer im Sinne des Soziologen Theodor Geiger (1891-1952) in der SPD wie in jeder anderen „erfolgreichen“ Massenpartei „die mollige Kuhstallwärme“ einer Primärgruppe[2] sucht, ist dort strukturell fehl am Platz und kann nur  enttäuscht werden.

Ralf Dahrendorfs These mag in der Generaltendenz plausibel und stimmig sein oder auch nicht. Mich interessiert auch heute unterhalb dieser letztlich immer einen wie auch immer ausgeprägten Sozialstaat (besser welfare state) voraussetzende Entwicklung die kulturale Seite dieses Prozesses speziell der deutschen Sozialdemokratie seit 1972. Ich meine nicht den auch dort allgemein beklagten politischen Sittenverfall nebst Oligarchisierung & Technokratisierung, Verstaatlichung & Beamtisierung, Gehorsam & Subordination. Sondern die in der SPD der Alt-BRD politisch überbordende kulturelle Borniertheit & krähwinklige Engstirnigkeit – grad so, als wäre ihr Gesellschaftsbild von politizistischen Parteisoldaten, die par Ordre du Mufti alles richten könnten, bestimmt.

Diesen Zusammenhang sprach, wenn auch so zögerlich wie begriffslos, der eingefleischte Traditionssozi und ehemalige SPD-Parteivorsitzende (1995-1999) Oskar Lafontaine kürzlich einmal aspekthaft an, indem er die gesellschaftlichen Folgen zerstörter Kulturmilieus beklagte (Diskussion, 170922). Hier sehe ich Destruktionszusammenhänge & Selbstzerstörungsprozesse, die als Berufsverbotepolitik in der Willy-Brandt-Kanzlerzeit der SPD am 28. Januar 1972 begannen, noch heute, 50 Jahre später, kulturell unverkennbar wirken und die diese SPD unerbittlich zur Politik des kleineren Übels zwingen, nämlich „aus einer miserablen Situation eine etwas Bessere zu machen“ (Albrecht Müller).

 

[1] Ralf Dahrendorf, Die Chancen der Krise. Über die Zukunft des Liberalismus. München 1983

[2] Theodor Geiger, Formen der Vereinsamung [1932]; in: ders., Arbeiten zur Soziologie. Ausgewählt und eingeleitet von Paul Trappe. Neuwied/Rhein 1962: 260-292, hier 281

 

Richard Albrecht (Jg. 1945) ist habilitierter Sozialwissenschaftler, Forschungsansatz The Utopian Paradigm (1991). Seit 2010 Autor des Fachmagazins soziologie heute. Kontakt: eingreifendes.denken@gmx.net

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30 Kommentare

    1. Warum geht das nicht ?

      War Willy Brandt Hufschmied ?
      Hat er mit dem Extremisten-Erlass, das Eisen aus dem Feuer, bereits 1972 zur Hufeisentheorie geformt, rechts und links verbunden und die Mitte des Guten erfunden ?
      Ist die „Hufeisentheorie“ gar nicht neu ?

  1. Man sagt ja oft genug, dass die Visionäre und guten Redner unter den Politikern, also Leute wie Brandt und Gorbatschow, keine guten Wirtschaftspolitiker waren, was ihnen am Ende auch den Hals brach.

    Trotzdem bleiben gewisse Aussagen Willy Brandts unvergesslich, zB.: „Lasst uns mehr Demokratie wagen“ oder „Wir wollen ein Volk der guten Nachbarn sein“. Wenn man sie mit der Sprache heutiger Politiker vergleicht, kann einem nur noch kotzübel werden. Mit seiner Politik des Aufeinander-Zugehens (der ich anfangs auch skeptisch gegenüberstand), hat er die deutsche Einheit ermöglicht und viel für das Ende des Kalten Krieges getan. Mit einem Kanzler Brandt hätte der Ukraine-Krieg vielleicht gar nicht erst begonnen. Unseren US-„Freunden“ war er immer ein Dorn im Auge, und vielleicht hat er nur Glück gehabt, nicht Opfer eines Unfalls zu werden. Vgl. Olof Palme.
    Damals war der Friedensnobelpreis noch etwas mehr wert als heute, und man mag sich noch heute kopfschüttelnd daran erinnern, dass die schwarze, reaktionäre Union kaum in der Lage war, ihm zu diesem Preis zu gratulieren.

    1. Hätte man die Flanke Brandts ins Netz gesetzt, wären Europa und Russland heute untrennbar verbunden.
      Die amerikanische „Weltpolizei“ würde auf ein lautes „Pfui!“ aus Eurasien, mit
      eingekniffenem Schwanz in ihrer Hundehütte verschwinden. Millionen Kriegsopfer in aller Welt würden noch leben.

      1. Vor allem dem letzten Satz kann ich nur beipflichten! Es zeigt wie sehr dieses alte Europa halb freiwillig, halb unter Druck die falsche Richtung eingeschlagen hat.

        1. Die aktuelle Zeitgeschichte zeigt eben auch, wem sich Europa so hündisch unterworfen hat.

          Der amerikanische Herrenmensch ist ziemlich schmallippig geworden.
          Früher konnte ihnen der Gegner nicht schwach genug sein, jetzt wo 300 Kilotonnen im Weißen Haus einschlagen könnten, verstecken sie sich im Stellvertreterkrieg und wir Idioten machen auch noch mit !?

    2. Brandt war überbewertet, der Macher war Egon Bahr.
      Brandt war ein blue eye Boy der Amerikaner und hatte bestimmte Freiheiten. Er verkaufte seine Sache gut, das ist nicht anzuzweifeln.
      Auch die Mannschaft der ersten Stunde war gut bis sehr gut. Die Rechtsaußen der SPD -zumeist Leute, die in der CDU nichts hätten werden können- bekamen durch die auftretenden wirtschaftlichen Turbulenzen Oberwasser. Die Geschichte mit dem Agenten im Kanzleramt kam für Willy zur rechten Zeit. Er konnte eh die Mannschaft nicht mehr zusammenhalten. So konnte er sich aber ein Denkmal setzen 🙂
      Hat er ja auch verdient, oder ?

  2. Zu „überbordende kulturelle Borniertheit“:

    Im Kommentarforum zum Artikel „Zeit aufzustehen“ ist das Thema SPRACHE verschiedentlich angeklungen.
    Beispiel: „(…) Wo sich auch Arbeiter wieder wohlfühlen, weil deren Themen besprochen werden. Sie nicht wegen ihrer Sprache als primitiv und rassistisch gemobbt werden, sondern ernst genommen und respektiert werden.“

    Dazu möchte ich vorschlagen, Sprache, Sprachcodes und ihre ausgrenzende Wirkung mal genauer anzuschauen und konkret zu benennen, wodurch sich Menschen unwohl fühlen, womit sie ausgegrenzt werden, welche Gründe und welche evtl. unbewusste Motive das hat.

    In den 1970ern wurde die Soziolinguistik Basil Bernsteins mit ihrer verächtlichen Defizit-These diskutiert, auch im Deutschunterricht.
    Inzwischen hat sich die Verächtlichkeit gegenüber den „Bildungsfernen“ (was für ein grässliches Wort!) nach meinem Eindruck gerade im linken Spektrum so etabliert, dass sich Teile der Bevölkerung aus dem politischen Diskurs endgültig zurückgezogen haben.

    Ich denke, Arbeiter sollten nicht nur geachtet werden, sondern auch leitende Funktionen in einer Partei oder Bewegung haben, die die Interessen der Mehrheitsbevölkerung vertreten will.
    Denn was wissen Akademiker z. B. von der Situation am Band, in der Großküche, Lagerhalle usw.?
    Und weiß ein Akademiker, wie es Kindern mit Hartz4 geht und welche realen Bildungshürden da bestehen?

    1. @ Sabine:
      Akademiker sollten eigentlich gelernt haben, eine Sache aus verschiedenen Blickwinkeln zu betrachten und somit die Position und das Kulturgut eines Arbeiters einschätzen und verstehen zu können.
      Linke sollten niemals strukturell herabschauen, denn dann sind sie in meinem Verständnis keine Linken.
      Zuerst ist immer ein Mensch und sein Verhalten gegeben, an dem ich eine Beurteilung ausrichte und keine berufliche oder politische Positionierung.

    2. „Beispiel: „(…) Wo sich auch Arbeiter wieder wohlfühlen, weil deren Themen besprochen werden.“

      Ihr seid doch gar nicht in der Position das zu entscheiden !
      Seid ihr Sozialpädagogen denen es zu obliegen scheint, zu entscheiden wann jemannd dazu gehört und wann nicht ?
      Ihr müsst einfach mal verstehen, dass solch ein In-group-out-group-Geschwafel stigmatisiert und klassistisch ist. Klassismus aus guter Absicht, oder was ?!

      1. @Fredi
        Nur für den Fall, dass Ihr Kommentar nicht ironisch gemeint ist:

        Zu „Beispiel: „(…) Wo sich auch Arbeiter wieder wohlfühlen, weil ihre Themen besprochen werden.“ Ihr seid doch gar nicht in der Position das zu entscheiden !“:
        Das Zitat stammt aus einem Kommentar von oskarwagenrecht, der darin über sich selbst schreibt, Arbeiter in Spätschicht zu sein.
        Ich denke, er ist sehr wohl „in der Position“, zu entscheiden, wo er sich wohlfühlt und wo nicht.

        Zu „Seid ihr Sozialpädagogen denen es zu obliegen scheint, zu entscheiden wann jemannd dazu gehört und wann nicht ?“:
        Fakt ist, dass sich immer weniger Arbeiter z. B. bei der Linken als dazu gehörend empfinden.
        Um das zu erkennen, braucht es keine Sozialpädagogen – und für mögliche Lösungwege erst recht nicht.

        Zu „Ihr müsst einfach mal verstehen, dass solch ein In-group-out-group-Geschwafel stigmatisiert und klassistisch ist.“:
        Es stigmatisiert also, eine vorhandene Stigmatisierung zu benennen und Lösungswege vorzuschlagen?
        Ist das Totschweigen realer Probleme besser?
        Die Tatsache, dass z. B. Arbeiterkinder im deutschen Bildungssystem diskriminiert werden, ist ein zunehmendes Problem, das sich durch Totschweigen nicht lösen lässt.

  3. „Eine Schwalbe macht noch keinen Sommer“, ist ein sehr schönes und zutreffendes Zitat, das zur deutschen Geschichte heute gesagt werden kann, wenn man sieht, was die Ampel-Männchen und -Weibchen heute basteln – diese Flachköpfe wollen, dass wir in Richtung Diktatur marschieren sollen. Sind die Sozis alles kleine Noskes?

    1. “ Sind die Sozis alles kleine Noskes?“

      Diese SPD muss weg ! Diese rechte, Seeheimer-SPD muss weg !
      Diese SPD ist der Klassenfeind !

      Mehr als ein Knüppelkommando beim nächsten Parteitag, haben diese Schweinehunde nicht mehr verdient !

  4. Vielen Dank an Richard Albrecht für diesen kenntnisreichen, interessanten Artikel.

    Ja, unliebsame Meinungen wurden auch früher brutal unterdrückt und die Folgen dieses intellektuellen Aderlasses und fortgesetzter Praxis spüren wir heute.

    In einem weiteren, sehr lesenswerten Artikel hatte Richard Albrecht bereits am 5. September 2022 das „Canceln“ unter Linken beschrieben:
    https://neue-debatte.com/2022/09/05/kalte-hinrichtung-linksakademische-publizistik-in-der-brd-1972/

    Zitat:

    „Was ich dann als Jungwissenschaftler bis Mitte der 1970er-Jahre im linksakademischen Bereich erfahren durfte, war keine (r)echte Berufsverbotspraxis. Sondern als zweite Exklusions- oder Ausgrenzungsvariante die denunziatorisch-verlogene Praxis einer „kalten Hinrichtung“ (Bertolt Brecht), als bürgerliche Existenzvernichtung, wenn Betroffene nicht des Lebens selbst, sondern „nur der Mittel zum Leben beraubt“ werden (5).“

    Diese „kalte Hinrichtung“ dauert bis heute fort, und erreichte während der Corona-Pandemie unter AnhängerInnen von Zero Covid (https://zero-covid.org/) neue Höhenflüge, Seit an Seit mit der Staatsmacht. Seit einigen Jahren hat sich insbesondere die vom enttäuschten Sozialisten und neoliberalen Philosophen Karl Popper Ende der 50er Jahren geprägte Anschuldigung „Verschwörungstheoretiker“ bewährt, um in linken Kreisen unliebsame Stimmen zum Schweigen zu bringen. Großer Beliebtheit erfreut sie sich beispielsweise beim „Bund demokratischer Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler“ (BdWi), in deren Zeitschrift „Forum Wissenschaft“ pünktlich zur Corona-Pandemie den mittlerweile umbenannten „Verschwörungsideologien“ ein Schwerpunkt gewidmet wurde:

    Forum Wissenschaft 4/2020: Renaissance der Mythen
    https://www.bdwi.de/forum/archiv/archiv/fowi_4_2020.html

    Tradition hat die Anschuldigung der „Verschwörungstheorie“ im BdWi mindestens seit 1972. In diesem Jahr warf der Faschismusforscher und BdWi-Mitbegründer Reinhard Kühnl seinem DDR-Kollegen Kurt Gossweiler in einem Text „Nähe zu Verschwörungstheorien“ vor, weil dieser lieber die „Dimitroff-Formel“ hochhielt, als Kühnls „Bündnistheorie“ zu folgen.

    Siehe „Kapitalismus und Faschismus“ in:
    Gossweiler/Kühnl/Opitz:
    „Faschismus – Entstehung und Verhinderung“, S. 41.
    https://linksunten.indymedia.org/de/system/files/data/2017/04/1866644481.pdf

    Dimitroff postulierte 1935:

    „Der Faschismus an der Macht, Genossen, ist, wie ihn das 13. Plenum des EKKI richtig charakterisiert hat, die offene, terroristische Diktatur der reaktionärsten, chauvinistischsten, am meisten imperialistischen Elemente des Finanzkapitals.“

    Weiter unten fügt er hinzu:

    „Genossen, man darf sich den Machtantritt des Faschismus nicht so simpel und glatt vorstellen, als ob irgendein Komitee des Finanzkapitals den Beschluß faßt, an diesem und diesem Tage die faschistische Diktatur aufzurichten. In Wirklichkeit gelangt der Faschismus gewöhnlich zur Macht im gegenseitigen, zuweilen scharfen Kampf mit den alten bürgerlichen Parteien oder mit einem bestimmten Teil dieser Parteien, im Kampf sogar innerhalb des faschistischen Lagers selbst, der manchmal bis zu bewaffneten Zusammenstößen führt, wie wir das in Deutschland, Österreich und anderen Ländern gesehen haben. Alles das verringert indessen nicht die Bedeutung der Tatsache, daß vor der Errichtung der faschistischen Diktatur die bürgerlichen Regierungen in der Regel eine Reihe von Vorbereitungsetappen durchlaufen und eine Reihe reaktionärer Maßnahmen durchführen, die den Machtantritt des Faschismus unmittelbar fördern. Wer in diesen Vorbereitungsetappen nicht gegen die reaktionären Maßnahmen der Bourgeoisie und gegen den anwachsenden Faschismus kämpft, der ist nicht imstande, den Sieg des Faschismus zu verhindern, der erleichtert ihn vielmehr.“
    https://www.marxists.org/deutsch/referenz/dimitroff/1935/bericht/ch1.htm

    Kühnl störte sich daran, dass Gossweiler eine direkte kausale Verbindung zwischen dem Verhalten der herrschenden Klasse und dem Erfolg des Faschismus annahm. Kühnl hingegen wollte allein eine vermittelte und strukturelle Sichtweise gelten lassen, und sah als Triebkraft die im kapitalistischen System begründete Wirtschaftskrise als treibende Kraft, die die „verängstigten Massen“ völlig passiv zum Faschismus trieb, der ihnen „soziale Sicherheit und nationales Prestige“ versprach. Erst als sich der Faschismus bereits zur Massenbewegung formiert hatte, soll laut Kühnl die Unterstützung des Großkapitals „in größerem Umfang“ eingesetzt haben, eine kühn(l)e Behauptung, für die es zahllose Gegenbelege gibt.

    Kühnl wirkt bis heute fort. So wunderte sich manch einer, dass auf einer Kühnl-Tagung Reinhard Opitz Wissenschaftlichkeit abgesprochen wurde.

    Joachim Hösler: Kühnl versus Opitz?
    https://www.bdwi.de/forum/archiv/themen/fa/8636691.html

    Aber genau diese Sichtweise hatte Kühnl zu Lebzeiten bereits angelegt.

    Und auch heute wird, wer Kausalbeziehungen zwischen dem vorsätzlichen, konkreten Verhalten mächtiger/einflussreicher Personen und realen Ereignissen untersucht/kritisiert, als „rechter Verschwörungstheoretiker“ beschimpft, und gelegentlich auch als – zumindest struktureller – „Antisemit“.

    Kritisch dazu Michael Parenti: Conspiracy an Class Power
    https://www.youtube.com/watch?v=t21UZxRYYA4

    Zu Dahrendorf und seinem Abgesang auf die Sozialdemokratie ist noch anzumerken, dass er Mitglied der Trilateralen Kommission von David Rockefeller war und daher vertiefte Einblicke in elitäre, transatlantische Debatten hatte. Ein Dokument seines Wirkens in diesen Kreisen findet sich z. B. hier, ab Seite 188:

    The Crisis of Democracy
    Michel Crozier, Samuel P. Huntington, Joji Watanuki
    https://web.archive.org/web/20120309011043/http://www.trilateral.org/download/doc/crisis_of_democracy.pdf

    Die Trilaterale Kommission (TK) wiederum kann als Geburtsstätte des Neoliberalismus angesehen werden, und dieser begann nicht mit Ronald Reagan, sondern bereits mit Jimmy Carter, auch bekannt als „Reaganism before Reagan“ (Michael Parenti). Aus der TK rekrutierte sich die Regierung Jimmy Carter, wie Chomsky bekannt machte:
    https://chomsky.info/priorities01/

    US-Wirtschaftsminister W. Michael Blumenthal legte 1978 auf einer Tagung der TK seine neoliberale Agenda dar:

    T18. Energy, Industrial Relations and Trilateral Economic problems: Major Issues At Trilateral Meeting in Washington, D.C., June 1978.
    https://web.archive.org/web/20110702105941/http://www.trilateral.org/download/doc/Energy_Industrial_Relations_19781.pdf

    Weitere Autoren sind Klaus von Dohnanyi, der damals eher keynesianistische Töne anschlägt und Etienne Davignon, EC-Industriekommissar, der W. Michael Blumenthal zustimmt und gegen Protektionismus wettert.

  5. den Kommentaren, die eine Auseinandersetzung mit Arbeiterinteressen auf Augenhöhe einfordern kann ich nur beipflichten.

    Da ist sehr viel „Kultur“, Selbstverständnis und Wissen verloren gegangen.
    Hier hat ein Zersetzungprozess den Zerfall der Protestkultur vorweggenommen.

    Beides, Arbeiterinteressen und Protestkultur, gehen Hand in Hand. Beide fußen auf (Erwachsenen)Bildung.
    Der Verlust/Verfall von beiden hat uns an den Rand eines Weltkrieges geführt.

    (wer also verstehen will, was langfristige Fehlentwicklungen in einer Geellschaft für Konsequenzen haben, kann das grad live miterleben.)

    Die Heroisierung eines Hochstaplers wie Musk, wie auch hier im Forum stellenweise zu lesen war, oder von Gates, Jobs, Welch (die verurteilte Holmes) usw. ist ein dramatischer Audruck dafür. Kennt irgendwer die Organisatoren der amazon-Streiks?

    Personenkult ersetzt kritische (Infra)Struktur in Geist und Material.

    Vom Autor des Textes, Richard Albrecht, würde ich mir hier eine Analyse wünschen, darüber, wie der Niedergang der deutschen Arbeiterbewegung zusammenhing mit der Modernisierung dieser SPD.

    Buchtip (vielleicht auch was zu Weihnachten)
    -„Bilder der Arbeit – eine ikonografische Antologie“
    Klaus Türk, Westdeutscher Verlag, 2000

    Arbeit im Spiegel der Bildenden Kunst, organisiert nach Arbeitsformen, etwa „Tragen und Ziehen“ „Schmieden“ „Textilarbeit“ / und dann auch chronologisch 16. Jhrdt bis heute – eine lesenswerte Auseinandersetzung der Arbeitssoziologie mit der Kunst

    https://www.zvab.com/buch-suchen/titel/bilder-der-arbeit-eine/autor/klaus-tuerk/

    -wen USA interessiert, 9.12. ein Gespräch zum Thema Arbeiterbewegung aus Sicht von Juan Gonzalez, einer der Moderatoren bei Democracy Now. Er spricht über 50 Jahre Reportererfahrung in der Arbeiterbewegung.

    „50 Years of Defending and Chronicling America’s Workers Featuring Juan González“

    https://www.democracynow.org/events/2022/12/50_years_of_defending_and_chroncling_americas_workers_featuring_juan_gonzlez_1562?fbclid=IwAR3OWDKSPgUBRKwksh8w5MeMl8pcxbxbDFdrIAA1KyE7Tgqa3QPjeWfXPEE

    Zoom umsonst Anmeldung:
    https://slucuny.swoogo.com/9december2022/begin

    Oder ihr fliegt hin!
    hö-hö

  6. Ich als Ostdeutscher kann schlecht einschätzen, was schief gelaufen ist mit der SPD nach Brandt. Die SPD mit Lafontaine habe ich erst wieder wahr genommen und auch zu der Zeit war ich mit westlicher Propaganda und naiven ostdeutschen Unwissen über die Tücken der bundesdeutschen Realität im Umgang mit den Arbeitern und den sozial schwachen ausgestattet, so dass mir erst viele Jahre später klar wurde, wie recht doch Lafontaine in den 1990er Jahren mit seinen Prognosen hatte.
    Richtig wieder politisiert wurde ich erst durch den Juguslawienkrieg, Hartz4 (Vater von vier Kindern und somit Daueraufstocker im größten Niedriglohnland Dank Schröder und Fischer), die Ungerechtigkeiten bei Aufbau Ost oder besser gesagt die Umverteilung vom Vermögen Ost nach West (über 90% der Grundstücke sind nicht in Ostdeutscher Hand und zu Ostdeutschen zählen auch „Wessis“ die hier wohnen) und einiges mehr.
    Als dann die USA und der Wertewesten auch noch überall Kriege und Regimechance mit über Millionen Toten, mehren Millionen Vertriebenen und ganze Landstriche in bitterer Armut zurück gelassen hat, bin ich heute im politischen Lager der Opposition zum Wertewesten gelandet. Da ich dies auch beim „realen Sozialismus“ war, mich trotzdem als Mensch mit stark ausgeprägten sozialen Gewissen sehe, sehe ich mich „links“.
    Die SPD hat mit Schmidt und später vor allem mit Schröder den realen Titel als Arbeiterpartei endgültig verloren. Die Grünen, welche bei manchen Wahlen im sozialen Lager mit fischten, waren für mich nie glaubwürdig und beide Parteien verloren mit der Bombardierung Belgrads und Serbiens für mich jede Zustimmung und erst recht mit Hartz4. So kehrte ich zur PDS zurück und ignorierte die alten SED-Kader.
    Als die PDS zur PdL fussionierte, sah ich dies als positiven Aufbruch für Gesamtdeutschland, aber auch dies war naiv von mir, denn damit begann die massive Unterwanderung der Partei als wirklich Linke/ soziale/ Nato-Gegner Kraft. Heute stehe ich wahltechnisch vor einem Trümmerhaufen, weil ich keine Partei mehr habe, die meine politischen Interessent mit nennenswerten Einfluß vertritt.
    Was für die Parteien zutrifft, ist auch in den Gewerkschaften geschehen. Diskussionen mit Betriebsratsmitgliedern über Hartz4 mit den zu geringen Sätzen/ den Sanktionen und die negeative Auswirkungen auf die Beschäftigung in unserem Betrieb, stießen auf totales Unverständnis. Kritik von meiner Seite, dass die Lohnforderungen in unserem Betrieb in den letzten 10 Jahren zu gering ausfielen, wurde einmal als mit gierig abgewürgt. Meine Erwiederung dazu, dass mein Lohn nicht oder gerade so (wenn ich noch 45 Jahre arbeiten könnte) zur Mindestrente reicht, wurde als persönliches Schicksal abgebügelt. Über eine politische Aufklärung der Arbeiterschaft mit diesen hauptamtlichen bzw. vom Konzern bezahlten Gewerkschaftern von Verdi zu diskutieren, ist gar nicht der Mühe wert. Aber genau diese Aufklärung fehlt unten an der Basis. Was soll so eine Gewerkschaft wie Verdi für wirkliche Verbesserungen hier erreichen, wenn sie die Grundursachen schon ignorieren.
    Als gerade die Diskussion von Bild und Co wegen dem Bürgergeld angestoßen wurde, fehlt der Gegenpart, dass nicht das Bürgergeld zu hoch sondern die Löhne zu niedrig sind.
    Durch Diskusionen mit meinem Schwiegersohn (Elternhaus Sparkassenvorstand/ Lehrerin), welcher in soziales seinen Studiumabschluss gefunden hat und seit langer Zeit Mitglied in der PdL ist, habe ich einiges über deren Denkweisen der jungen neuen Linken kennen gelernt. Mein Schwiegersohn befindet sich heute im weiteren Umfeld von Pellmann und Nagel. Gerade was Frau Nagel vertritt, hat in meinem Verständnis nichts mehr mit wirklich linken Gedanken zu tun. Heute ist in diesen linken Gruppen wichtiger für eine rassistisch korrekte Sprache, in der Praxis nichtsnütziger Feminismus, Kampf gegen alles was einen Anschein von rechts hat (dabei noch ganz weit von wirklich rechts wie Höcke oder Ukraine weg ist) sich einzusetzen, statt sich mit den Niederungen der sozialen Kälte in der BRD sich auseinander zu setzen. Neoliberale Projekte, wie EU mit dem Brüsseler Beamtentum, NATO, CETA sowie andere internationale Knebelverträge werden als Friedenspolitik reingewaschen. was noch ganz wichtig in dieser Gruppe linker ist, man muss unbedingt gegen POLIZEI als besonders böse sein, ohne die wichtige Botschaft zu verstehen, dass eine gerechte Polizei, Justiz im Sinne der Armen ist, denn Reiche können sich alleine mit ihren finanziellen Mitteln schützen.
    Ich als Vater von vier Kinder habe alle wirkliche Untiefen mit diesem angeblichen Sozialstaat bei Fragen/ Problemen mit soziales, Geld, zustehende Mittel, Jugendvereine, soziale Vereine, Gesundheitseinrichtungen für Jugendliche kennen gelernt und die eigene Nichtmöglichkeit sich zu wehren bzw. wie der Kampf absolut mühsam, verletzend und zermürbend geführt wird.
    Mit dem Erreichen des erwachsenen Alters, deren Erwerbstätigkeit ging es meiner Familie langsam seit ca. 6 Jahren besser. Da trug auch mein Wechsel in das drößte Unternehmen der Region in Dauernachtschicht mit seinen finanziellen Vorteilen vor ca. 10 Jahren bei. Meine Frau bekam endlich auch als Mutter von vier Kindern nach 2010 die Möglichkeit von Arbeit. Heute haben wir uns ein kleines Auskommen aufgebaut, was die momentane Ampelregierung ganz schnell kaputt machen kann.
    Meine kleine persönliche Geschichte ist typisch für Ostdeutsche zwischen 45 und 65 Jahren, wie ich aus vielen Gesprächen in meinem betrieblichen Umkreis weiß. In dieser Generation ist auch ein gewisses politisches Verständnis noch vorhanden. Die jüngeren sind verblendet von Bild und Co, wodurch sie mit den negativen Erfahrungen in ihrer Jugend und dem späteren Erwerbsleben, die einfachen Erklärungen der AfD und schlimmer ganz schnell glauben wollen. Wie gesagt, hier fehlt eine aktive prolinke Gegenaufklärung durch Gewerkschaften in den Betrieben. Als einzelner erreicht man zu wenig, auch wenn ich in meinem Bereich schon einige Leute zum nachdenken gebracht habe.
    Ich selber (Ende 50) habe heute nicht mehr die Kraft und Zeit, mich totaler der Opposition zu dieser Regierung zu begeben. Vielleich würde ich es nochmals mit einer aktiven Beteidigung in einer neuen Wagenknechtpartei als Widerstand gegen die Unterwanderung versuchen. Bei Aufstehen ist mir das nicht gelungen, auch weil die aktiven dort, die Grundidee der Wagenknecht, der Zusammenführung aller sozialen Kräfte nicht verstehen wollten.

    Im Moment sehe ich sehr pessimistisch in die nahe Zukunft.

    1. Vor diesem Trümmerhaufen, dessen Entstehung Du anschaulich beschreibst, stehen ja so gegen 20-30 Mio Menschen in Deutschland. Nicht nur solche die sich als Linke einschätzen.
      Ich sehe mich eher als wertkonservativ und weiß, dass ich damit einer sehr, sehr kleinen Gruppe angehöre. Gewählt habe ich meistens, aber nur aus taktischen Gründen, also so, dass keine der ungeliebten Parteien die absolute Mehrheit erhalten sollte. Die Wahlkampfparolen/Wahlversprechen und das Personal dahinter haben mich nie überzeugt. Warum die Linken besser sein sollten als andere, hat mir nie jemand nachweisen können. Ich habe zur Zeit der „68er“ studiert, und das Auftreten, die Anmaßung jener Linken war eher beängstigend. Diese Anmaßung ist heute vor allem bei den Grünen zu finden, aber nicht bei ihnen allein. Deswegen stehen wir da, wo wir stehen: Kurz vor dem Niedergang unseres Landes, kurz vor einem neuen großen Krieg.

      In diesem Sinne stehen wir vor der gleichen Situation: Bei der Wahl findet man niemanden, den man wählen möchte. Man hat aber auch nicht die geringste Lust, einer der etablierten Parteien beizutreten, um für diese „Basisarbeit“ zu leisten.

      1. Hi Nordlandreisender,

        ich weiß und kann es durch aus nachvollziehen, dass mein Lebenslauf heute eine unwahrscheinlich große Gruppe Menschen abbildet. Gleichzeitig weiß ich, dass diese Gruppe nicht in den Parteien vertreten ist bzw. als „selbst Schuld“ und „Versager“ ausgegrenzt wird. Hinzu kommt, dass die meisten dieser Menschen sprachliches wie intelektuelle sowie vom Selbstbewußtsein Nachteile haben.
        Hartz4er und Niedriglöhner/ -rentner gibt es kaum in der PdL und noch weniger in den anderen Parteien. Sie werden von den Menschen in diesen Parteien ausgegrenzt, mehr oder weniger bewußt. Dadurch kommen diese nicht vor, es entwickelt sich kein bezügliches Problembewußtsein und sie finden keine Stimme.

        Was mir ebenfalls klar ist, aus christlicher und humanistischer Tradition heraus, sowie aus dem menschlichen Trieb der Kooperation und Vernunft gibt es auch ganz viele tolle Menschen, welche dem Konservatismus nahe stehen. Auch in dieser Richtung kommen Stimmen für den Frieden, politischen Ausgleich und für soziale Gerechtigkeit. Konservatismus/ Bewahrer ist doch nicht per se schlecht. Es gibt doch viele gute und bewährte Sachen, welche man auch in einer besseren Gesellschaft braucht. Ebenfalls ich habe in meiner Lebensanschauung ganz viele Wert die dort ihren Ursprung haben, z.B. mein hohe Bewertung von Kindern und Familie/ Lebenspartnerschafft als Keimzelle und Zukunft der Gesellschaft, die ich (besonders Kinder) als „besonders schützenswert und förderfähig“ bewerte und das genaue Gegenteil passiert in den letzten 5 Jahrzehnten in Deutschland.

        Ich hatte bei den Aufruf zur Aktion von „Aufstehen“ bei Frau Wagenknecht genau auch an solche Menschen mitgedacht, diese mit zu versammeln. Solche Leute wie ein Gewerkschafter Wiselsky (ein wirklicher Gewerkschafter), Klaus Todenhöfer und viele andere. Leider kam es dazu nicht.

    2. Hallo Oskar,
      so wie dir ging, geht und wird es immer mehr gehen. Das ist aber kein Schicksal, sondern Folge ungerechter Zustände. Dies Zustände mögen durchaus Recht und Gesetz genügen.
      Wir haben hier aber ein moral-hazard-Problem. Diejenigen, welche Recht und Gesetz so gestalten, weil die Ideologie ihrer Hirnwindungen nicht mehr her gibt, sind von den Folgen in aller Regel nicht betroffen. Und wären sie es, gäbe es schon längst Noellierungen oder zumindest den lautstarken Ruf danach.

      Die Probleme werden aber immer mehr und immer stärker werden und mit den zur Verfügung stehenden „zertifizierten“ Mitteln sind diese nicht lösbar, vielleicht temporär verschiebbar.

      Gewerkschaften vertreten in aller Regel ihr eigenes Klientiel, das Erfolg ausschließlich in Vergütungseinheiten misst und nicht in der Kategorie der Behebung gesellschaftlicher Missstände.
      Bei entsprechender Gesellschaftsanalyse lassen sich aber durchaus Möglichkeiten erkennen, für die es sich nicht nur zu streiten lohnt, sondern unabdingbar für eine tragfähige gesellschaftliche Zukunft sind.

      Diese wird dann aber wohl weniger durch eine politische Partei oder Gewerkschaften getragen werden, sondern vielmehr durch eine Bewegung für Gerechtigkeit und der Entfaltung gesellschaftlicher Potentiale.

      Die Lage sieht zwar düster aus. Sie ist aber die Basis für ein zu gestaltendes kommendes Licht.

      1. Hi Luck,

        ich finde es gut, dass du dir deinen Optimismus bewahren konntest und du bald Licht siehst, weil du einen Tunnel bohrst. Ich habe persönlich das Gefühl, ich bohre einen Brunnen. Außerdem bin ich kein Freund der Zerstörung und schon gar nicht der totalen. Ich lebe mit meiner Familie im heute und jetzt. In diesem heute und jetzt sehe ich für meine Familie und einem großen Teil der Menschen in Deutschland große Gefahren auf der bisheriger Lebensweise, welche schon nicht besonders gut war, zu kommen.

        Das, was diese Gefahren herbei führt, ist nicht mit Basisarbeit im kleinen zu reparieren. Leider!

    3. Hallo oskarwagenrecht,

      „Als die PDS zur PdL fussionierte, sah ich dies als positiven Aufbruch für Gesamtdeutschland, aber auch dies war naiv von mir, denn damit begann die massive Unterwanderung der Partei als wirklich Linke/ soziale/ Nato-Gegner Kraft“

      Da ich vor der Fusion mal PDS-Mitglied war, erlaube ich mir, Dich da etwas zu korrigieren:
      Bereits in den frühen 2000er Jahren hatten diese woken Pro-NATO-Leute die PDS gehörig unterwandert. Als Hauptstadtinsasse bin ich – wegen der asozialen Sparpolitik von „Rotrot“ unter Wowereit – 2003 ausgetreten (nach immerhin acht Jahren Mitgliedschaft).
      Figuren wie Harald Wolf, Klaus Lederer (letzter PDS-Landeschef 2007), Halina Wawzyniak, Sandra Brunner haben schon damals ihre Schneisen der Verwüstung hinterlassen.
      Die Fusion 2005/07 mit der WASG hat in meiner Wahrnehmung – zumindest in der Bundespartei – einen kleinen Schwenk nach links bewirkt. 2005 bis etwa 2010 war durchaus eine Art Aufbruchstimmung zu spüren (meine Wenigkeit hatte da schon mit dem Gedanken gespielt, wieder einzutreten – da die oben genannten Figuren leider in Berlin weiterwurschteln durften, hatte sich das aber erledigt!).
      Die Intrigen gegen Lafontaine (bezeichnenderweise wurde sogar seine Krebserkrankung 2009/10 von den Woko Harams zum Argument für einen „Generationswechsel“ herangezogen) markierten da schon die zweite Welle.
      Die linkeren Linken begingen dann 2012 den folgenschweren Fehler, ausgerechnet auf das U-Boot Riexinger reinzufallen. Die dritte Welle kam dann etwa ab 2015/16 – in Berlin wurden die Piratenpolitker Höfinghoff, Helm, Delius nach dem Kollaps ihrer Partei von Lederer in einflussreiche Posten installiert.
      Die Fusion mit der WASG hat diese verhängnisvollen Tendenzen, die es davor und danach gab, wenigstens eine Zeit lang gehemmt.

      1. Hi Linkmann,

        Danke für die Korrektur meiner Wahrnehmung.
        Stimmt, den Verkauf der Berliner Wohnungen hatte ja noch die PDS gemacht, dies habe ich in meinem Gedächtnis verdrängt und der PdL in die Schuhe geschoben.

        Was ich etwas wahrnehme, ist die linke Gruppe in Leipzig Süd mit Nagel und Pellmann, da dort mein Schwiegersohn mit dabei ist. Die bestimmenden Themen dort, haben nichts mit den Sorgen der Arbeiterklasse am Hut. Die meisten sind noch recht jung und kommen aus einem „gutes Elternhaus“ und engagieren sich für die gute Sache „gegen Nazis“ und „Nazis“ sind fast alle außer sie selbst. Dann sind die anderen woken Themen wie korrekte Sprache ohne rassistischen Anklang, Feminismus, Solidarität mit den Kurden aber nicht unbedingt mit den Palistinensern oder Libanesen sowie andere wichtige Nebensächlichkeiten mit null Bezug zur realen Lebenswirklichkeit. Wichtig ist noch, dass Wagenknecht doof ist.

        Dann wollen sie die Revolution, aber bei denen habe ich Angst, dass es eine zweite DDR wird. Wenigstens erkennen sie an, dass es im Moment keine Revolution geben wird. Warum aber heute die Nazis meinen aber die AfD erstarken, liegt nur daran, weil die Menschen so doof sind.
        Wenn ich meinen Schwiegersohn erzähle, dass ich ganz andere Themen setze, sagt er, ja die sind auch wichtig, aber im Moment kann man ja nicht alles machen und da muss soziales, Lohnpolitik, Arbeitsdichte, Wohnungsnot und Mietwucher, Situation im Viertel (Gewalt, Sachbeschädigung, Lärm uvm.) und „Raus aus der NATO“ warten.

        Dabei hätte die Linke soviele Themen in dem letzten Jahrzehnt gehabt, um zu Punkten. Afghanistan- und Libyenkrieg, die Einsätze der BW im Ausland, wirkliche Ursachen der Flucht und diese bekämpfen (NATO-Kriege und Handelsabkommen), Probleme mit den Flüchtlingen wie Verschärfung der Wohnungsnot und höhere Mieten, Druck auf die niedrig Löhne und Arbeitsbedingungen, bessere Lebensbedingungen undwenn was für den Feminismus tun dann Einführung eines Haushalttages á la DDR aber doch nicht Frauenquote für den Vorstand.

        Mit dem Buch „Rückkehr aus Reims“ von Didier Eribon konnte mein Schwiegersohn wenig anfangen. Sie leben eben in einer anderen Welt, wo vegetarisches Leben selbstverständlich ist. Es geht den meisten dort viel zu gut, als dass sie sich in die Situationen derer unten hinein versetzen können. Und wer ihren Code der korrekten Sprache und Themen nicht beherrscht, wird abgecancelt. Da ich und meine Frau trotz regelmäßiger strenger Ermahnung zu unseren lieben negrieden Mitbürgern „Neger“ sagen und andere Stolperfallen immer mal wieder auslösen, wissen wir, was bei solch „Linken“ wichtig ist.

          1. Sören Pellmann wird so halb mit in die Wagenknechtgruppe eingeordnet. Er wollte auch Sarah Wagenknecht als Redner neben Gysi zu der ersetn Kundgebung auf den Leipziger Augustusplatz mit einladen (Pellmann hatte sie angemeldet), doch der Ramelow der Nato-Gewerkschafter und heutiger Westimport für ein Ostbundesland, welcher sich gerade wieder über die undankbaren ostdeutschen Putinversteher aufregt (https://test.rtde.world/meinung/155049-schuser-bleib-bei-deinen-leisten/ ) und seinen Frust über Russland und diese Ossis in einem Interview in der Süddeutschen Zeitung ablässt, konnte dies verhindern und hat wohl damit auch dafür gesorgt, dass statt der angemeldeten 10ooo Leute nur 2ooo kamen.
            Man hat manchmal beim S.Pellmann das Gefühl er will es sich in seiner Partei mit keinem verscherzen. Leider ist die PdL besonders viele Berufspolitiker eine schlechte SPD-OlivGrüne-Kopie und diese wollen mit Macht an die Polittröge wie ein Ramelow. Aus dem obengenannten Interview nur ein Satz vom Besserwessi am ostdeutschem Futtertrog, damit jeder weiß, wie dieser (Nicht)Linke tickt: »Russland führt seinen Krieg auch in Deutschland an der Tankstelle, beim Strom- beziehungsweise Gaspreis und auch an jedem Montag hier in Thüringen.«.
            Da ist ein in Ostdeutschland geborener und heutige tätig als Ministerpräsident von Sachsen Kretschmar (CDU) nicht mit so einer Russophobie ausgestattet wie ein Ramelow.
            Die PdL in Leipzig hat ein Problem als Unistadt und dass viele Neulinke aus dem studentischen Umfeld kommen. Diese Studenten kommen selten aus Arbeiterfamilien und sind ganz anders sozialisiert. Die PdL ist in meinen Dafürhalten nicht mehr überlebensfähig in der jetzigen Form. Da helfen keine Pellmanns, Dehms, Dağdelen, Wagenknecht.

  7. Der hier angesprochene Albrecht Müller (damaliger Organisator der erfolgreichen Brandt-Wahl) ist auch auf den Radikalen Erlass ein Zeitzeuge und vielleicht sollte man ihn dazu mal befragen.

    Die von Albrecht Müller aufgebauten und nach außen vertretenen NachDenkSeiten sind heut ein ganz wichtiges Medium in der von MSM bestimmten Zeit. Diese Reichweite der NDS hat A.Müller und seine Mitstreiter durch konsquente Ehrlichkeit erreicht. Dabei darf man auch mal irren. Aber wie guter Journalismus abseits der MSM sein kann, hat Olaf Berger mit seinem Artikel von 2018 und der Vorhersage eines Gaskrieges zwischen der USA und der RF in Europa unter Beweis gestellt https://www.nachdenkseiten.de/?p=42694 .

    Die Arbeit von Müller und seiner Helfer bei den NDS ist von sehr hohen gesellschaftlichen Wert und hat heute eine Breite erreicht, dass man dies in unseren Herrscahftkreisen nicht mehr tolerieren kann und will. Die Kampagne von der OlivGrünen Beck und Füchs im Sommer war der Anfang und nun soll den NDS die Finanzierung über ihren Förderverein entzogen werden.

    Siehe hier:
    https://www.nachdenkseiten.de/?p=90529

    „Ergänzende Klarstellung zur Nachricht über die Gemeinnützigkeit
    18. November 2022 um 8:03 Ein Artikel von: Redaktion

    Zunächst einmal vielen Dank für die vielen Mails und die bekundete Solidarität. Es sind einige Unklarheiten geblieben. Deshalb noch einmal ein paar Informationen zum Vorgang: 

    Das Finanzamt hatte den NachDenkSeiten zum 31.12.2022 die Gemeinnützigkeit abgesprochen. Ab dem 1.1.2023 soll diese nicht mehr gelten. Spenden, die bis dahin eingehen, erhalten, wenn gewünscht, eine Spendenbescheinigung. Aber …
    Die am 31.12.2022 noch vorhandenen Mittel dürfen nach den Vorstellungen des Finanzamtes nicht mehr für die NachDenkSeiten verwandt werden, stattdessen für andere gemeinnützige, kirchliche usw. Zwecke. (Aus unserer Sicht ist das eine Zweckentfremdung, die man uns auferlegen will.)
    Auch deshalb haben wir die Freundinnen und Freunde der NachDenkSeiten darum gebeten, ihre Unterstützung auf das neue Jahr 2023 zu verschieben, soweit sie das noch können.
    Wir legen gegen den Bescheid Einspruch ein.
    Auf jeden Fall machen wir weiter. Wie wir an Ihren Mails an unsere dafür eingerichtete E-Mail-Adresse gemeinnuetzig@nachdenkseiten.de schon sehen, können wir auf Ihre großartige Unterstützung zählen.

    Danke vielmals und auf ein gutes Ende!“

    Dies beweist zum einen die gute und wirkreiche Arbeit der NDS und zum anderen, dass es einfach nur noch verlogen in Deutschland, Eu und im Wertewesten zugeht, wenn man betrachtet welche Lobbyistenvereine von Grünen, SPD, CDU/CSU, FDP und der Wirtschaft als förderfähig gelten.

    1. Danke für den Hinweis!! Und das, man kann es nur wiederholen und immer wiederholen, unter einer Regierung mit einem SPD-Kanzler, den fortschrittlichen Ökogrünen und den gelben Liberalen. Schande!

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