Willy Brandt: Niemand führte die Sozialdemokraten länger als er - WELT
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Kopf des Tages Willy Brandt

Niemand hat es an der Spitze der SPD länger ausgehalten

Am 16. Februar 1964 wurde Willy Brandt in Bad Godesberg zum Vorsitzenden der SPD gewählt. 96 Prozent der Delegierten stimmten für ihn. Damit begann die vielleicht beste Zeit der Sozialdemokratie in Deutschland.
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Lucius D. Clay (l) begrüßt als "alter Berliner" den Regierenden Bürgermeister Berlins, Willy Brandt (r), am 17. Mai 1964 in New York, wo beide an einer Veranstaltung der Außenpolitischen Gesellschaft teilnehmen. Clay war von 1947 bis 1949 Militärgouverneur der US-Zone in Deutschland und Befehlshaber der US-Streitkräfte in Europa. Er wurde, obwohl zuerst keineswegs ein Freund der Deutschen, zur Symbolfigur für das Durchhalten während der "Berlin Blockade" 1948/49. Clay beantwortete das Abschneiden Berlins von allen Land- und Wasserwegen durch die UdSSR mit der Errichtung der legendären "Luftbrücke" und sicherte damit auf Dauer die Freiheit Westberlins. Anläßlich der Einweihung der Freiheitsglocke in Berlin 1950 hielt er die Festansprache. Nach seinem Ausscheiden aus der US-Armee am 1. Juni 1949 war er in Aufsichtsräten und Vorständen in der Konservenindustrie und anderen Wirtschaftszweigen der USA erfolgreich. Lucius D. Clay, am 23. April 1897 in Marietta geboren, verstarb kurz vor seinem 81.Geburtstag am 16. April 1978 in Chatham (Massachusetts). Lucius D. Clay (l) begrüßt als "alter Berliner" den Regierenden Bürgermeister Berlins, Willy Brandt (r), am 17. Mai 1964 in New York, wo beide an einer Veranstaltung der Außenpolitischen Gesellschaft teilnehmen. Clay war von 1947 bis 1949 Militärgouverneur der US-Zone in Deutschland und Befehlshaber der US-Streitkräfte in Europa. Er wurde, obwohl zuerst keineswegs ein Freund der Deutschen, zur Symbolfigur für das Durchhalten während der "Berlin Blockade" 1948/49. Clay beantwortete das Abschneiden Berlins von allen Land- und Wasserwegen durch die UdSSR mit der Errichtung der legendären "Luftbrücke" und sicherte damit auf Dauer die Freiheit Westberlins. Anläßlich der Einweihung der Freiheitsglocke in Berlin 1950 hielt er die Festansprache. Nach seinem Ausscheiden aus der US-Armee am 1. Juni 1949 war er in Aufsichtsräten und Vorständen in der Konservenindustrie und anderen Wirtschaftszweigen der USA erfolgreich. Lucius D. Clay, am 23. April 1897 in Marietta geboren, verstarb kurz vor seinem 81.Geburtstag am 16. April 1978 in Chatham (Massachusetts).
16. Februar 1964: Willy Brandt (1913–1992), Politiker, wird zum Vorsitzenden der SPD gewählt
Quelle: picture-alliance / dpa
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Schließlich machten die Meinungsumfragen alles klar. Am 16. Februar 1964 wählte der außerordentliche Parteitag der SPD in Bad Godesberg Berlins Regierenden Bürgermeister Willy Brandt (1913–1992) zum neuen Vorsitzenden. Er war der einzige Kandidat für die Nachfolge des im Dezember 1963 überraschend verstorbenen Erich Ollenhauer.

Zunächst hatte es noch zweifelnde Stimmen unter führenden Sozialdemokraten gegeben, die eine Wahl des ohnehin sicheren SPD-Kanzlerkandidaten Brandt zum Parteivorsitzenden nicht für opportun hielten. Doch die jüngsten Meinungsumfragen ließen solche Zweifel verstummen.

WILLY BRANDT, Aufnahme aus den 1960er Jahren. Der deutsche sozialdemokratische Politiker war von 1957 bis 1966 regierender Bürgermeister von Berlin. 1964 bis 1987 SPD-Vorsitzender.
Porträtaufnahme von Brandt aus dem Jahr 1964
Quelle: picture alliance / United Archiv

Die von den sozialdemokratischen Führungsgremien in jedem Monat veranlassten Befragungen ergaben, dass Brandts Popularitätskurve eine steigende Tendenz auswies. Er führte mit 35 Prozent vor Bundeskanzler Ludwig Erhard (CDU), den 34 Prozent der Befragten als den populärsten Politiker bezeichneten. Gegenüber dem Monat Dezember gewann Brandt damit vier Punkte, wahrend Erhard um sieben Punkte zurückfiel. Auch die Popularität der SPD war nach diesem Umfrageergebnis auf 35 Prozent gestiegen; sie lag damit vor der CDU/CSU (33 Prozent).

Der Parteitag stimmte entsprechend ab: 320 von 334 abgegebenen Stimmen lauteten für Brandt, nur neun Delegierte sprachen sich gegen ihn aus. Bei der Entscheidung über die Kanzlerkandidatur bekam er sogar noch drei Stimmen mehr.

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Brandts sprach seine Dankesrede mit rauer Stimme – „wie immer“, kommentierte WELT-Redakteur Hans-Werner von Finckenstein: „Es ist vokales Bruchgestein, in dunklen Schächten geschürft, gebrochen, gesammelt und aus der Tiefe mühsam hervorgebracht. Die Worte kommen wie einzelne Felsbrocken, bei denen man fast zusehen kann, wie sie sich langsam aus dem Gefüge der Sätze lösen und hinunterstürzen in das Auditorium. Es ist sein ganz persönlicher Stil, so zu sprechen; sein rhetorischer Trick, wie manche meinen.“

Das war durchaus richtig beobachtet: Willy Brandts Sprechweise stand in den 1960er-Jahren in der deutschen Politik einzig dar. Aber war es wirklich ein Trick? Oder die Folge des vielfach gebrochenen Lebens, das Willy Brandt dorthin gebracht hatte, wo er im Februar 1964 war?

1913 in Lübeck unter dem Namen Herbert Frahm unehelich geboren, war Brandt als überzeugter Sozialist (und zugleich Gegner des Moskau-hörigen Kommunismus) nach der Machtübernahme der Nazis 1933 ins Exil gegangen. Als norwegischer Staatsbürger nahm er seinen neuen Namen an, unter dem ihn allerdings auch die Gerstapo suchte, und behielt ihn bei, als er 1945 nach Deutschland zurückkehrte.

1949 wurde er für Berlin Abgeordneter des ersten Bundestages, allerdings mit eingeschränkten Rechten, dann ab Ende 1950 zusätzlich (was heute nur noch ganz ausnahmsweise geht, damals aber angesichts des Mangels an seriösem politischem Personal unumgänglich war) Mitglied des West-Berliner Parlaments, des Abgeordnetenhauses. 1955 stieg er zu dessen Präsidenten auf, und 1957 wurde er Regierender Bürgermeister.

Der SPD-Vorsitzende und sozialdemokratische Kanzlerkandidat Willy Brandt präsentierte dem Karlsruher Parteitag am Freitag, den 27.11.1964, die sozialdemokratische Regierungsmannschaft für die Bundestagswahl 1965. Die von Brandt dem Parteitag mitgeteilte Liste umschließt die beiden stellvertretenden Vorsitzenden Fritz Erler und Herbert Wehner, sowie Alex Möller, Professor Carlo Schmid, den Hamburger Innensenator Helmut Schmidt, Dr. Gustav Heinemann, Waldemar von Knoeringen, Professor Ernst Schellenberg, Professor Karl Schiller und Frau Käthe Strobel. Das Bild zeigt (l-r) Willy Brandt, Herbert Wehner und Fritz Erler bei der Abschlussveranstaltung am 27.11.1964.
Der SPD-Vorsitzende Willy Brandt mit Herbert Wehner und Fritz Erler beim SPD-Parteitag im November 1964 in Karlsruhe
Quelle: picture alliance / Fritz Fischer

Bei der Bundestagswahl 1961, wenige Wochen nach dem Bau der Mauer quer durch Berlin, trat Brandt erstmals als Kanzlerkandidat der SPD an und erzielte einen Achtungserfolg gegen den greisen Konrad Adenauer. „Der Regierende“, so ein gängiger Spitzname, stand für Zukunft, für Reformen, für mutige Außenpolitik. Doch nach seiner Wahl zum Parteivorsitzenden dauerte es noch fünfeinhalb Jahre, bis er tatsächlich ins Bonner Kanzleramt einziehen konnte, das die SPD dann bis Oktober 1982 halten konnte – vielleicht die beste Zeit, die Deutschlands Sozialdemokratie je hatte.

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Einen Rekord aber hält Brandt auf jeden Fall. Denn niemand hat es an der Spitze der SPD länger ausgehalten als er: 23 Jahre, einen Monat und eine Woche saß er seiner Partei vor.

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Dieser Artikel wurde erstmals im Februar 2021 veröffentlicht.

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