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FOCUS-MONEY | Nr. 24 (2000)
Der Letzte Wille: Späte Rache der Enterbten
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    In der Pflanze steckt keine Gentechnik
    Aber keine Sorge: Gentechnish verändert sind die

Schließen Eltern ihre Kinder vom Nachlass aus, können die Sprösslinge dennoch abkassieren. Anwälte nennen die Tricks

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Die sollen gefälligst selber sehen, wie man Geld verdient, dachte der amerikanische Mega-Millionär Warren Buffett und enterbte kurzerhand seine drei Kinder. Susan, Howard und Peter entgehen damit rund 30 Milliarden Dollar väterliches Privatvermögen.

Ähnlich bittere Erfahrungen machen auch in Deutschland potenzielle Erben immer wieder. Die bis zum Jahr 2010 zu vererbenden 4,5 Billionen Mark der Vorfahren wecken Begehrlichkeiten bei jenen, denen sie entgehen sollen. Doch trotz unterbrochener Erbfolge müssen nicht bedachte Sprösslinge und Ehepartner nicht leer ausgehen. „Eine Enterbung bedeutet noch lange nicht, dass der Betroffene nicht doch die Erbschaft erlangt“, erklärt der Münchner Anwalt Guido Ubert.

Pflichtteil heißt das Zauberwort. Der Enterbte verliert zwar den Anteil, den er nach dem Gesetz bekommen würde, doch steht ihm als Ausgleich eine bestimmte Geldsumme zu. Sie fällt allerdings um die Hälfte kleiner aus, als das Stück vom Kuchen ohne die Enterbung gewesen wäre. Doch hat nur ein begrenzter Personenkreis ein Anrecht auf den Pflichtteil, Anwalt Ubert: „Nur Kinder, Enkel und Ehegatten gehen nicht leer aus.“

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Auf die Höhe kommt es an. Wer seinen Pflichtteil einfordert, sollte auf die korrekte Höhe achten. Hat der Verstorbene die Erbmasse durch Schenkungen in den vergangenen zehn Jahren vor dem Tod verkleinert, kann der Enterbte eine Erhöhung seines Geldanspruchs geltend machen. Grund: Er darf die vorzeitig verschenkten Werte bei der Berechnung des Anteils mit einbeziehen. Die Hamburger Anwältin Carola Stenger rät deshalb den Nachkommen, frühzeitig auf entsprechende Dispositionen der Eltern zu achten. Leer ausgegangene Ehegatten sind dabei sogar im Vorteil: Sie können größere Schenkungen unabhängig von der Zehn- Jahres-Frist anrechnen lassen.

„Dieses Recht wird für Enterbte zunehmend wichtiger, weil die Schenkungen zu Lebzeiten schon aus steuerlichen Gründen zahlreicher werden“, beobachtet der Husumer Rechtsanwalt Hansjörg Andresen. Grund: Alle zehn Jahre kann Vermögen im Wert von 400 000 Mark an die Kinder und 600 000 Mark an den Ehegatten abgabenfrei verschenkt werden. Eine feste Größe in jeder Familien- Steuerplanung.



Vorteilhafter als der Pflichtteil ist die Unwirksamkeit des Testaments. Gilt die Enterbung nicht, gibt es wieder das volle gesetzliche Erbe.

Gerade bei älteren Herrschaften ist der letzte Wunsch oft unwirksam. „Die Schwester einer Mandantin sah sich von Geistern und Dämonen verfolgt. Sie schrieb in ihren Tagebüchern, dass auch ihre Familienmitglieder alle Teufel seien, und enterbte sie“, berichtet die Würzburger Rechtsanwältin Hannelore Zacher-Röder. Solche Fälle sind typisch für mögliche unwirksame Testamente. Benachteiligte können dann durch Gutachten nachweisen, dass der Erblasser unter Störungen seiner Geistestätigkeit litt – und so doch noch zum vollen Vermögensanteil kommen,

Rechtsanwalt Ubert weiß aus seiner Praxis, dass viele ihr Testament erst im hohen Alter aufsetzen. Nicht selten stellt sich dann die Frage, ob der Verstorbene den Letzten Willen noch in geistiger Top- Form niedergeschrieben hat. Wen als übergangener Erbe Zweifel plagen, der muss diese jedoch stets wissenschaftlich untermauern lassen: Nur Neurologen oder Psychiater können vor Gericht verbindliche Feststellungen über den Zustand des Testierenden machen.

Ehegatten haben gute Chancen. Sie können meist mehr als nur den Pflichtteil herausholen. Gerade so genannte wechselbezügliche Verfügungen zwischen Ehegatten in einem gemeinschaftlichen Testament lassen sich später nicht einseitig widerrufen. Schreiben sich die Eheleute gegenseitig bestimmte Vermögenspositionen zu, ist dies nur schwer änderbar. Wird dennoch nachträglich ein Ehepartner ausgebootet, kann er entsprechend klagen.

Einen zweiten Trumpf haben enterbte Ehegatten in der Tasche. Rechtsanwältin Zacher-Röder rät: „Sie sollten neben dem Pflichtanspruch auch den Zugewinnausgleich verlangen.“ Dies gilt für Paare ohne Ehevertrag. Wurde das Vermögen während der Ehe aufgebaut und verdiente der Enterbte nichts, bekommt er trotz Enterbung unter Umständen mehr als die Hälfte des Nachlasses. Das Eherecht bestimmt, dass alles, was während der Ehe hinzuverdient wurde, am Ende geteilt wird. Verdiente nur einer, ist dies für den anderen umso günstiger. Im Todesfall gilt das auch bei Enterbung: Hinzu kommt dann noch der beschriebene Pflichtteil. So bekommt dann der enterbte Gatte manchmal sogar mehr als der später eingesetzte Erbe.

Die Form entscheidet. Auch die Form des Testaments muss stimmen. Entweder geht der Erblasser zu einem Notar, oder er schreibt seinen Letzten Willen eigenhändig. Weder Ort und Datum noch Unterschrift dürfen dann auf dem Papier fehlen. Wer zudem an der Echtheit des Dokuments zweifelt, so Anwältin Zacher-Röder, sollte sich durch Vergleichsschriftstücke und graphologische Gutachten Sicherheit verschaffen. Allein an notariell beurkundeten Testamenten lässt sich kaum rütteln.

Ist das Testament jedoch wirksam, kann der Enterbte das unliebsame Schriftstück nur vor Gericht anfechten. In München etwa passiert das jährlich rund 400-mal. Prominentes Beispiel ist der Streit um das Erbe des Münchner Schauspielers Walter Sedlmayr in Höhe von rund 18 Millionen Mark.

Gute Chancen vor Gericht bestehen auch, wenn das Testament unter Druck geschrieben wurde. „Gerade hilflose Pflegefälle werden von den Betreuenden mit der Ankündigung konfrontiert, dass die Pflege entfällt, wenn sie das Testament nicht ändern“, erzählt Zacher-Röder. Kein Wunder also, dass die „guten Seelen“ selten leer ausgehen. Lässt sich die Drohung vor Gericht beweisen, kassieren die Richter das erpresste Testament.

Die Sache mit dem Image. Klappt der Rachefeldzug des Enterbten, hat er ein neues Problem: sein Image. So schrieb jüngst das Magazin „Stern“, dass Erben als Angeber gelten und die Erbschaftswelle Begünstigte träge werden ließe. Ein Imageverlust, der den kleinen Buffetts erspart bleibt, falls sich ihr Vater durchsetzt.

Bis zum Jahr 2010 vererbt die Aufbaugeneration in Deutschland ihren Kindern und Enkeln einen Gesamtnachlass in Höhe von 4,5 Billionen Mark.

Ein Herz für Tiere. Was den Kindern entgeht, bekommt oft der Tierschutz – oder der Zoo. 300 000 Mark jährlich erbt allein der Münchner Tierpark Hellabrunn von vermögenden Tierliebhabern.

PRÜFLISTE

Von der Million der Eltern ausgeschlossen? So prüfen Betroffene, ob ihnen etwas zusteht:

Wirklich enterbt?

Nur wenn das Testament wirksam ist, also Formerfordernisse gewahrt sind und der Erblasser beim Verfassen geistig topfit war, muss sich der zurückgesetzte Nachkömmling mit dem geringeren Pflichtteil begnügen.

Anfechtung möglich?

Wurde der Erblasser psychisch oder physisch zur Änderung seines Testaments gezwungen, stehen die Chancen für eine Anfechtung gut.

Pflichtteilsberechtigt?

Den Kindern, Enkeln und dem Ehegatten des Erblassers steht im Falle der Enterbung der so genannte Pflichtteil zu. Er beträgt die Hälfte des normalen Erbteils. Der Anteil richtet sich nach der Anzahl der Erben und dem Grad der Verwandtschaft mit dem Erblasser.

Schenkung berücksichtigt?

Verschenkte beispielsweise der Vater große Teile seines Vermögens innerhalb der letzten zehn Jahre vor seinem Tod, erhöht sich der Erbanteil der nicht bedachten Kinder. Die Schenkungen werden dann zum Erbe hinzugezählt und erhöhen so die Quote (siehe Musterrechnung).

Stimmen die Angaben?

Die Erbengemeinschaft ist dem Außenstehenden zur Auskunft verpflichtet. Sie muss ein so genanntes Bestandsverzeichnis vorlegen. Bei Zweifeln über die Vollständigkeit bietet sich die Einforderung einer eidesstattlichen Versicherung an.

Lohnt die Klage?

Bei Verjährung lohnt die Klage nicht. Der Pflichtteilsanspruch verjährt in drei Jahren. Die Frist beginnt, wenn der Betroffene von dem Erbfall und seiner Enterbung erfährt.

MUSTERRECHNUNG

Der Nachlass beträgt 100 000 Mark. Sie haben eine Schwester und wurden selbst enterbt. Die Schwester bekam zu Lebzeiten des Erblassers einen Betrag in Höhe von 200 000 Mark geschenkt. Sie selbst erhielten einen Geldbetrag in Höhe von nur 50 000 Mark. Ihr Pflichtteil berechnet sich dann wie folgt:

Nachlass 100 000

Geldschenkung Schwester 200 000

Ihr Geldbetrag 50 000

= 350 000

:2 = 175 000

abzüglich Ihres Geldbetrags 50 000

= gesetzlicher Erbteil 125 000

hiervon 1/2 = Pflichtteil 62 500

Von dem vorhandenen Nachlass (100 000 Mark) können Sie Ihrer Schwester als Alleinerbin gegenüber einen Betrag von 62 500 Mark als Pflichtteil geltend machen.

Promis, die enterbten oder enterbt wurden

Jürgen Schneider, Bau-Pleitier, musste sich mit Peanuts zufriedengeben. Vater Richard vermachte ihm nichts

Willi Brandt, verstorbener Altbundeskanzler, brachte seine drei Söhne um ihr Erbe. Sie prozessieren

Peter Steiner, bekannter Volksschauspieler in München, will seinem Sohn Peter nichts gönnen

Klausjürgen Wussow, TV-Arzt, zoffte sich mit seinen Kindern Barbara und Alexander. Folge: Enterbung
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