Sex im Kanzleramt: Willy Brandt und seine erotischen "Zuführungen" - WELT
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Geschichte Sex im Kanzleramt

Willy Brandt und seine erotischen "Zuführungen"

1974 erschütterte ein Geheimdossier die Regierung Brandt. Das Bundeskriminalamt hatte eine Liste mit Damen aufgestellt, die dem Bundeskanzler zu Diensten waren. Schlüsselfigur war Spion Guillaume.
Willy Brandt, wie er sich gern selbst sah, umlagert vom schönen Geschlecht. Das Foto entstand wenige Tage nach seinem Rücktritt vom Amt des Bundeskanzlers 1974 Willy Brandt, wie er sich gern selbst sah, umlagert vom schönen Geschlecht. Das Foto entstand wenige Tage nach seinem Rücktritt vom Amt des Bundeskanzlers 1974
Willy Brandt, wie er sich gern selbst sah, umlagert vom schönen Geschlecht. Das Foto entstand wenige Tage nach seinem Rücktritt vom Amt des Bundeskanzlers 1974
Quelle: picture alliance / dpa

Bei der einen Reise mit dem Sonderzug war es eine Schwedin, die nachts ins Chef-Abteil vorgelassen wurde, bei der anderen eine Französin. Bei Hamburg-Aufenthalten kam meist die Journalistin in die Hotelsuite, in Berlin handelte es sich oft um eine Jugoslawin, in Paris um eine bekannte Publizistin. Auch Prostituierte waren im Spiel.

In dem Dossier, mit dem Bundesinnenminister Hans-Dietrich Genscher seinen Ministerialrat Klaus Kinkel per Hubschrauber von Bonn nach Hamburg geschickt hatte, waren solche Schäferstündchen dutzendweise aufgeführt. „Zuführungen“ hieß es da. Kinkel ging ins Hotel „Atlantic“ und legte das Schriftstück einem Herrn neben die Frühstückstasse. Der war tief schockiert. Nicht darüber, was er da las, sondern dass er es lesen konnte, als amtliches Protokoll.

Neu war es für Bundeskanzler Willy Brandt nämlich nicht, was er da am frühen Morgen des 1. Mai 1974 von Kinkel aufgetischt bekam. Er war es schließlich selbst, dem jene Frauen „zugeführt“ worden waren, weil er in Anflügen von Dringlichkeit danach verlangt hatte, so oft es irgend ging. Aber dass ihm dies nun in dem sogenannten Herold-Papier – benannt nach dem damaligen Präsidenten des Bundeskriminalamts Horst Herold – alles aufgelistet worden war, passte ihm gar nicht.

„Der Referent bezahlt dann alles“

Schon gar nicht manches Detail. Etwa der Eintrag über einen mehrtägigen Hotelaufenthalt des Kanzlers in München. Der Security-Chef habe da einen neuen Mitarbeiter angewiesen: „Wenn ich mal weg bin, und der Chef braucht was, dann gehst du runter in die Halle und nimmst eine von denen, die da rumsitzen. Du fragst nach dem Preis und schickst sie dem Kanzler rauf. Der Referent bezahlt dann alles.“

Heftiger geschockt als der seinen Trieben offenbar rettungslos ausgelieferte Kanzler war Horst Herold gewesen, als er mit den Mitarbeitern des Kanzlerbegleitkommandos der „Sicherungsgruppe Bonn“ das Dossier zusammengestellt hatte. Dabei hatte sich nämlich herausgestellt, dass diese Zuführungen allzu oft buchstäblich unter den Augen der DDR-Staatssicherheit stattfanden. Der Kanzler war entblößt.

Ausgerechnet jener Referent Brandts, der in den meisten Fällen den Damen die Tür zum Kanzlergemach geöffnet hatte, war wenige Tage zuvor als Top-Spion verhaftet worden: NVA-Hauptmann Günter Guillaume. Das BKA vermutete nun, dass Guillaume Tonbänder von den Gesprächen und anderen Lautgebungen in den Liebesnächten nach Ost-Berlin geschickt hatte. Guillaume soll sich laut Protokoll gelegentlich selbst Frauen in den Zug geholt haben. Doch das ließ ihn nicht mit seinem West-Chef fraternisieren. Sein Ohr und sein Auge gehörten der Stasi.

Der Job der Frauenzufuhr für Willy Brandt

Dabei konnte man dem Kanzler nicht einmal Ahnungslosigkeit zugutehalten. Seit einem Jahr war er darüber informiert, dass gegen Guillaume ermittelt wurde. Zwei Monate zuvor hatte man ihn in Kenntnis gesetzt, dass der Verdacht hart war und die Verhaftung unmittelbar bevorstand. Trotzdem beließ er dem Spion noch weitere Wochen den Job der Frauenzufuhr.

Jeden Politiker oder Geschäftsmann, der durch allzu starke Libido in den Interhotels der DDR in die Hände von Stasi-Prostituierten geriet, sich rundum ungeschützt von versteckten Kameras filmen ließ, sich somit erpressbar machte und nolens volens wenige Monate später eine Nebentätigkeit als IM bekleidete, zieh man damals grober Unvorsichtigkeit und Blauäugigkeit – völlig zu Recht. Und der Kanzler der Bundesrepublik Deutschland?

Die Eingeweihten, Horst Herold, Generalbundesanwalt Buback, Justizminister Jahn, Innenminister Genscher, Verfassungsschutzchef Nollau sowie SPD-Zuchtmeister und -Fraktionschef Wehner – sie alle schlugen die Hände über dem Kopf zusammen. Nollau bat Wehner, Brandt davon zu überzeugen, dass sich die Bundesrepublik keinen erpressbaren Bundeskanzler leisten könne. Wie intensiv er dies tat, ist unbekannt. Jedenfalls trat Brandt kurz darauf zurück und machte den Platz frei für Helmut Schmidt.

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