Willy Brandts Partnerschaft mit Gertrud Meyer im Exil

Partnerschaft mit Gertrud Meyer

Gertrud Meyer (1914-2002), zehntes Kind einer Lübecker Arbeiterfamilie, ist Willy Brandts Jugendliebe. Ab 1931 sind die beiden acht Jahre lang ein Paar. Gemeinsam leisten sie in der Sozialistischen Arbeiterpartei Deutschlands (SAPD) aktiv Widerstand gegen das NS-Regime.

Jugendliebe und Widerstandsgefährtin

Im Mai 1933 wird Gertrud Meyer in Lübeck beim Verbreiten antifaschistischer Flugblätter erwischt und anschließend für fünf Wochen inhaftiert. Im Juli 1933 folgt die damals 19-Jährige ihrem Freund Willy Brandt ins Exil nach Norwegen, wo sie großen Anteil am Aufbau des Stützpunkts der SAPD in Oslo hat. Die gemeinsame Wohnung ist Anlaufstelle für aus Deutschland geflohene Parteifreunde. Wie Brandt engagiert sich Meyer auch in der AUF, der Jugendorganisation der norwegischen Arbeiterpartei DNA.

Eheähnliche Partnerschaft

In Oslo leben Willy und Gertrud wie Eheleute zusammen, ohne aber miteinander verheiratet zu sein. Um norwegische Staatsbürgerin zu werden, schließt sie im Dezember 1936 eine Scheinehe mit dem Studenten Gunnar Gaasland. Mit ihrem Lebensgefährten Willy Brandt, der in jenen Jahren viele Auslandsreisen unternimmt, kann sie oft monatelang nur über Briefe und Postkarten kommunizieren. In der Exilzeit ist Jacob Walcher, der Leiter der SAPD-Auslandszentrale in Paris, für beide eine wichtige Bezugsperson.

Gertrud Meyer zeichnet sich durch große Hilfsbereitschaft und enormen Mut aus. Mehrfach reist sie in den 1930er Jahren nach Deutschland, um mit eingeschmuggeltem Informationsmaterial Widerstandsaktionen der SAPD im „Dritten Reich“ zu unterstützen. Bis zu deren Spaltung 1938 spielt sie eine führende Rolle in der Osloer SAPD-Gruppe. Beruflich fasst Meyer rasch Fuß in Norwegen und trägt damit viel zum gemeinsamen Lebensunterhalt bei. Nach Tätigkeiten als Haushaltshilfe und Sekretärin wird sie Assistentin des österreichischen Psychoanalytikers Wilhelm Reich, mit dem sie kurz vor Ausbruch des Zweiten Weltkriegs 1939 nach New York übersiedelt.

Trennung nach USA-Übersiedlung

Von Amerika aus bemüht sich Gertrud Meyer vergeblich darum, für den 1940 nach Schweden geflüchteten Willy Brandt sowie für weitere SAPD-Genossen Einreisevisa in die USA zu bekommen. Noch einige Zeit ist sie im Glauben, dass ihre Partnerschaft weiterhin besteht und Brandt ihr nach Amerika folgen werde. Erst 1942 erfährt sie durch Dritte von seiner Beziehung und Eheschließung mit Carlota Thorkildsen und der Geburt seiner Tochter Ninja. Tief enttäuscht bricht Meyer den Kontakt zu Brandt ab.

Ihre Korrespondenz lebt nach Kriegsende 1945 noch einmal auf. Nach seinem Bruch mit Carlota hofft Gertrud auf eine Wiederaufnahme der früheren Beziehung, ohne jedoch zu wissen, dass er bereits mit Rut Bergaust zusammen ist. Auch politisch liegen Gertrud Meyer und Willy Brandt nicht mehr auf einer Wellenlänge. Sie hält ihn zwar weiter für einen außergewöhnlichen Politiker, kritisiert aber scharf seinen Wiedereintritt in die SPD 1944 und wirft ihm Verrat an den alten Ideen der SAPD vor. 1946 kehrt Meyer nach Norwegen zurück, wo sie ein Jahr später einen Norweger heiratet. Ab 1955 lässt sie sich dauerhaft in Oslo nieder, tritt politisch jedoch kaum mehr in Erscheinung.

Kein Wiedersehen

Ein persönliches Wiedersehen mit Willy Brandt gibt es nicht. Als er im Dezember 1971 anlässlich der Verleihung des Friedensnobelpreises in Oslo alte Weggefährten und Freunde zu einem Abendessen einlädt, steht seine einstige Lebenspartnerin nicht auf der Gästeliste. In einem Brief, dem sie ihm wenige Tage später schreibt, macht Gertrud Meyer aus ihrer Verbitterung über „diese vollkommene Ignorierung“ keinen Hehl: „Ich muss offen gestehen, dass ich eine Einladung erwartet hätte, obwohl ich aus Taktgefühl ferngeblieben wäre, aber nur die Geste hätte mir eine ungeheure Freude bereitet und ich hätte es als eine persönliche Wertschätzung unserer vergangenen gemeinsamen Arbeit aufgefasst.“

Eine Erklärung bekommt sie nicht. Wenige Monate vor Brandts Tod 1992 tauschen beide noch einmal schriftlich Grüße aus.


Literaturhinweise:

Gertrud Lenz: Gertrud Meyer. Ein politisches Leben im Schatten Willy Brandts, Paderborn 2013.

Einhart Lorenz: Willy Brandt in Norwegen, Kiel 1989.