Willy Brandts Ehe mit Rut Brandt (geb. Hansen, verwitwete Bergaust)

Ehe mit Rut Brandt

Willy Brandts zweite Ehefrau ist die aus Norwegen stammende Rut Brandt (1920–2006), geb. Hansen, verwitwete Bergaust. Beide heiraten 1948 und bekommen drei Kinder miteinander. Nach 32 Jahren wird die Ehe 1980 geschieden.

Kennenlernen und Verlieben in Stockholm

Das spätere Paar begegnet sich zum ersten Mal 1942 in Stockholm, als die Norwegerin ihren Landsmann Ole Bergaust heiratet. Näher kennen lernen sich die damals 23-Jährige Rut und der 30-Jährige Willy allerdings erst ab Ende 1943, als sie im Haushalt von Brandt und dessen erster Ehefrau Carlota mithilft. Gemeinsam ist ihnen, dass beide aus einer Arbeiterfamilie stammen und sich im Widerstand gegen die deutschen Besatzer Norwegens engagieren.

Dass Willy und Rut sich ineinander verlieben, löst bei beiden schwere Gewissensbisse aus. Erst ab Sommer 1944 verheimlichen sie ihre Liebe nicht mehr, was zu heftigen Konflikten mit den Noch-Ehepartnern führt. Zudem ist Ruts Mann Ole schwer an Tuberkulose erkrankt. Nach jahrelangem Leiden stirbt er Ende 1946.

Durch beruflich bedingte Trennungen, zu denen es in den ersten beiden Jahren nach Kriegsende häufig kommt, sind sich Willy und Rut lange Zeit unsicher, ob sie eine gemeinsame Zukunft haben können. Sie schreiben sich sehr viele Briefe, in denen er auch seine Zweifel an der Institution Ehe offenbart. Aber das Gefühl, zusammen zu gehören, ist stärker.

Eheschließung und Familienleben in Berlin

1947 zieht Rut zu Willy nach Berlin, wo beide am 4. September 1948 heiraten und nur einige Wochen später der gemeinsame Sohn Peter zur Welt kommt. 1951 und 1961 folgen die Söhne Lars und Matthias.

Dem Rollenverständnis der Zeit entsprechend, ist Rut Brandt vor allem Mutter und Hausfrau. Sie kümmert sich um die Versorgung und Erziehung der Kinder. Bei der Hausarbeit hilft ihr eine Haushälterin. Als diese erkrankt, gibt es vorübergehend auch ein Hausmädchen. Die Familiensprache ist Deutsch, mit dessen Grammatik sich Rut jedoch schwer tut. Die Eheleute reden meist Norwegisch miteinander.

Besonders der Mutter ist daran gelegen, ihren Söhnen Norwegen nahezubringen. Regelmäßig machen die Brandts dort Urlaub. Ab 1965 steht dafür in der Nähe von Hamar auch ein eigenes Ferienhaus zur Verfügung, das von der ganzen Familie und engen Freunden ausgiebig genutzt wird. Das Hütten-Grundstück in Vangsåsen hat Rut Brandt 1964 gekauft. Sie sucht dieses Domizil sehr häufig auf und zieht sich in fast allen Schulferien mit ihrem jüngsten Sohn Matthias hierhin zurück.

Auf und Ab einer Politikerehe

Rut steht Willy Brandt, der als Berufspolitiker Karriere macht und deshalb nur wenig Zeit für die Familie hat, loyal zur Seite. Gleichwohl ist sie eine moderne, selbstbewusste Frau, die in ihrer Ehe Freiräume hat und sich diese nimmt. Rut Brandt unterstützt die Politik ihres Mannes. Wenn sie einmal nicht seiner Meinung ist, übt sie intern Kritik an ihm, mit der er aber nur schwer umgehen kann. Nach außen hält sie sich politisch völlig zurück, seit er öffentliche Ämter bekleidet. Auch wenn sie das Rampenlicht eher scheut, trägt Rut in Berlin und später in Bonn viel zur Popularität Willy Brandts bei. Die Deutschen lieben die natürliche und sympathische Ausstrahlung der Norwegerin und bewundern ihre Eleganz bei öffentlichen Auftritten.

Trotz vieler Bilder, die immer wieder ein glückliches Familienleben zeigen, durchläuft die Ehe der Brandts schwere Krisenphasen. Im Bundestagswahlkampf 1961 erscheint ein Buch, in dem u. a. Liebesbriefe abgedruckt sind, die Willy Brandt in den 1950er Jahren an Susanne Sievers geschrieben hat. Es handelt sich nicht nur um einen Racheakt seiner einstigen Geliebten. Die Veröffentlichung ist vor allem Teil der Diffamierungskampagne, die politische Gegner starten, um den SPD-Kanzlerkandidaten Brandt moralisch zu diskreditieren. Die zu diesem Zeitpunkt schwangere Rut Brandt ist tief getroffen. Sie hält dennoch zu ihrem Mann, obwohl der sich ihr gegenüber in Schweigen hüllt.

Entfremdung und Trennung

Rut begleitet Willy weiter auf seinem Weg, der ihn 1969 ins Bonner Kanzleramt führt. Doch die Ehe bekommt mehr und mehr Risse. Die Partner haben sich immer weniger zu sagen. Als Politiker besitzt Willy Brandt ein außergewöhnliches Charisma, mit dem er große Menschenmengen in seinen Bann zieht. Doch im Privaten fällt es ihm oft schwer, Gefühle zu zeigen und persönliche Nähe zuzulassen. Einerseits kann Brandt fröhlich, humorvoll und ein aufmerksamer Zuhörer sein. Andererseits durchlebt er mitunter Phasen von Melancholie und Zweifeln, in denen er sich völlig zurückzieht und auch seine Frau keinen Zugang mehr zu ihm findet.

Als er Rut am Morgen des 6. Mai 1974 sagt, er werde wegen der Guillaume-Affäre vom Amt des Bundeskanzlers zurücktreten, hält sie diese Entscheidung für richtig. Gleichwohl ist sie tieftraurig über den Rücktritt. Dass seine Frau ihm von diesem Schritt nicht abgeraten hat, nimmt Willy Brandt jedoch mit Enttäuschung auf. Schwer belastet wird die Ehe auch durch sein Geständnis, eine jahrelange Liebesbeziehung zu Ruts Freundin Heli Ihlefeld gehabt zu haben. Die Sache sei nun aber beendet, erklärt Willy. Mehr mag er darüber nicht erzählen.

Der Prozess der gegenseitigen Entfremdung der Eheleute Brandt geht weiter, bis sie im Frühjahr 1979 ihre Trennung bekanntgeben. Im Dezember 1980 erfolgt die Scheidung. Danach sehen sich die beiden nie wieder. Ab 1982 lebt Rut Brandt mit dem dänischen Journalisten Niels Nørlund zusammen. 1992 und 2001 veröffentlicht die Norwegerin zwei Bücher, in denen sie sehr persönlich und fair über ihre Zeit mit Willy Brandt und ihr Leben in Deutschland erzählt.


Literaturhinweise:

Rut Brandt: Freundesland, Hamburg 1994.

Rut Brandt: Wer an wen sein Herz verlor. Begegnungen und Erlebnisse, München 2001.

Torsten Körner: Die Familie Willy Brandt, Frankfurt a. M. 2013.