Wibke Bruhns: Die Legende von Brandts Affäre mit der ZDF-Lady - WELT
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Literatur Wibke Bruhns

Die Legende von Brandts Affäre mit der ZDF-Lady

Die Nacht im "King David": Wibke Bruhns wurde als erste ZDF-Nachrichtenfrau und als "Eroberung" von Willy Brandt berühmt. Jetzt legt sie ihre Memoiren vor.

So geradeaus, unbeeindruckt und interessant hat selten eine Prominente früheren Sex-Klatsch dementiert. Mit Willy Brandt sei nie was gewesen, auch nicht in der Nacht in der Suite des „King David“-Hotels 1973 in Jerusalem während des Besuchs des damaligen Bundeskanzlers in Israel, schreibt Wibke Bruhns in ihrer am Donnerstag erscheinenden Autobiografie „Nachrichtenzeit“.

„Er sprach und sprach“, schreibt die heute 73-jährige Journalistin. Über sein gespaltenes Verhältnis zu Israel, seine Verbundenheit mit den geschundenen Juden, seine Schwierigkeiten mit der israelischen Premierministerin Golda Meir, die sich mit Gott im Bunde fühle.

Am Ende bedient Bruhns uns lesende Schlüssellochgucker mit klaren Auskünften: „Nach anderthalb Stunden stand er auf, ich auch – er küsste mich väterlich auf die Wange. Ich war entlassen. Es war gegen zwei Uhr morgens. Die israelischen Sicherheitslümmels feixten, als ich aus der Tür kam.“

Die Fantasien der Bewacher vor der Tür

Ab zwei Uhr morgens war die Legende von der Affäre zwischen dem als Schürzenjäger geltenden SPD-Chef und der 25 Jahre jüngeren ZDF-Nachrichtenfrau in der Welt. „Ich bin Jahre später … häufiger auf meine ,guten Beziehungen’ zu Willy Brandt angesprochen worden“, schreibt Bruhns, „die Phantasien der Bewacher vor der Tür hatten weite Verbreitung erfahren.“

Bruhns schreibt dagegen an. Von gemeinsamen Sommerferien mit Brandt im selben Jahr in Norwegen erzählt sie, dass sich vor allem eine Freundschaft mit der dort geborenen Ehefrau Rut Brandt (gestorben mit 86 in Berlin 2006) entwickelt habe. Und wie das war mit ihrer Einladung zum Fischessen für den mitgereisten Kanzlerreferenten Günter Guillaume, dessen Enttarnung als DDR-Spion 1974 den Ausschlag zu Brandts Rücktritt als Kanzler gab.

Tatsächlich fällt der Name Wiebke Bruhns stets, wenn von der geheimnisvollen Liste die Rede ist, die der damalige Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Günther Nollau, mit „Damenbekanntschaften“ Brandts aufgestellt hatte. Es war unter anderem diese Liste, mit der der Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion, Herbert Wehner , Brandt nach der Enttarnung Guillaumes zum Rücktritt gedrängt hatte.

In Arnulf Barings Buch „Machtwechsel“ (1982), das als Standardwerk der Brandt-Scheel-Ära gilt, findet sich die Äußerung von Brandt über das Geraune: „Quatsch! Wie Wiebke Bruhns auch!“. Gleichwohl ist von einer Urlaubsbekanntschaft 1972 in Norwegen die Rede.

Bruhns war dabei, als Brandt 1974 seine letzte Reise – nach Hamburg und Helgoland – als Bundeskanzler unternahm. Da hatte ihm Klaus Kinkel, damals persönlicher Referent von Hans-Dietrich Genscher, die „Damen-Liste“ bereits überreicht. „Niemand der mitreisenden Journalisten ahnte etwas“, schreibt Bruhns. Später, an der Steilküste auf Helgoland, zitiert sie Brandt: „Das wäre auch kein Verlust, wenn man da runterfiele.“ Vier Tage später, am 6. Mai 1974, trat Brandt zurück .

"Dem Fernsehvolk Nachrichten vorlesen"

Bruhns hat aus dieser ersten Hälfte der 1970er-Jahre Interessantes zu erzählen, es war „ihre“ Zeit. Sie wurde bekannt als erste Frau vor der Kamera bei einer ZDF-Nachrichtensendung und wirbelte als Medien-Prominenz bei Wahlkämpfen mit Günter Grass nebst anderen „Linksliberalen“ für die SPD. Eine Vermischung von Aufgaben, die heute wohl undenkbar wäre.

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Zu den Stärken dieser Erinnerungen gehört Bruhns’ unkomplizierter, uneitler und pragmatischer Grundton: „Zu dem Zeitpunkt war ich damit beschäftigt, dem Fernsehvolk Nachrichten vorzulesen“, schreibt sie über das „Beben“ in der Republik, weil nun erstmals eine Frau zur Hauptsendezeit Weltnachrichten präsentieren durfte.

Die Vorzeigefrau, deren Busen männliche Zuschauer als „winzig“ monierten, fand das Vorlesen vor Kameras stinklangweilig. Man registriert es dankbar – eingedenk der grenzenlosen Aufregung über den Erfolg oder Misserfolg heutiger Moderatoren beiderlei Geschlechts beim Ablesen von Telepromptern.

Die Sache mit den Hitler-Tagebüchern

Wibke Bruhns zog Konsequenzen aus der Langeweile und heuerte beim „Stern“ als Auslands-Korrespondentin an. Um 1983 auf ihrem Nahost-Posten zu erfahren, dass in Hamburg eine Riege männlicher Chefs wie kleine Kinder auf einen Fälscher von Hitler-Tagebüchern hereingefallen waren und das Blatt um seinen guten Ruf gebracht hatten. „Geldgier“ lautet die erfrischend direkte Erklärung der Autobiografin dafür, dass hoch bezahlte Führungskräfte eines „Leitmediums“ kollektiv den Verstand verloren hatten.

Am Ende erzählt Bruhns von einer späteren, großartigen Lebensleistung: Zu den fast 3000 in Berlin-Plötzensee hingerichteten Nazi-Gegnern hat auch Bruhns’ Vater Hans-Georg Klamroth gehört, gehängt als Mitwisser des missglückten Hitler-Attentats am 20. Juli 1944. Die Tochter Wibke hat mit „Meines Vaters Land“ (2004) ein wunderbar aufklärerisches, unpathetisches Buch darüber geschrieben, was das für die Familie bedeutet hat.

Wibke Bruhns: "Nachrichtenzeit". (Droemer, München. 424 Seiten, 22,99 Euro. ISBN 978-3-426-27562-7)

WON

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