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Zweiter Weltkrieg Hitlers Ende

„Der Chef brennt! Willst du mal gucken?“

Am 30. April 1945 zwischen 15.15 und 15.50 Uhr entzog sich Hitler seiner Verantwortung durch Suizid. Seine Frau Eva Braun nahm er mit sich. Sein letzter Gedanke galt einmal mehr ihm selbst.
Leitender Redakteur Geschichte

Am siebten Tag der Woche soll man ruhen. Doch in Berlin dachte am 29. April 1945 wirklich niemand daran, die Sonntagsruhe einzuhalten. Noch immer donnerte es in den Straßen, schoss sowjetische Artillerie letzte Widerstandsnester der Wehrmacht und der Waffen-SS zusammen.

Bis auf ein paar Viertel in den Bezirken Mitte, Prenzlauer Berg und Charlottenburg war die Reichshauptstadt von der Roten Armee erobert. In den schon seit knapp einer Woche besetzten Vororten machten sich einige wenige Menschen auf zu Gottesdiensten, die mutige Pfarrer anboten – doch in den meisten Kirchen fanden sich noch keine Gläubigen ein.

Am 28. April wurden der italienische Ex-Diktator Benito Mussolini, seine Geliebte Clara Petacci und einige Helfer von Partisanen erschossen. Die Leichen wurden einen Tag später an einer Mailänder Tankstelle zur Schau gestellt
Am 28. April wurden der italienische Ex-Diktator Benito Mussolini, seine Geliebte Clara Petacci und einige Helfer von Partisanen erschossen. Die Leichen wurden einen Tag später an ...einer Mailänder Tankstelle zur Schau gestellt
Quelle: picture alliance / ASSOCIATED PR

Irgendwann an diesem Tag erreichte eine letzte, wichtige Meldung den Führerbunker im Garten der Reichskanzlei. Hitlers früheres Vorbild und späterer Partner Benito Mussolini, der sich ab 1938 zum Klotz am Bein entwickelt hatte, war auf der Flucht in Norditalien von Partisanen aufgegriffen worden. In einem Dorf bei Como wurde er erschossen und an einer Tankstelle in Mailand an den Füßen aufgehängt.

Darauf reagierte der Führer in inzwischen gewohnter Art: Er kündigte seinen Selbstmord an: „Ich will dem Feind weder tot noch lebendig in die Hand fallen. Nach meinem Ende soll mein Körper verbrannt werden und so für immer unentdeckt bleiben.“ Doch diesmal meinte er es ernst, anders als etwa 1923 nach seinem gescheiterten Putsch oder 1932, als das Auseinanderbrechen der NSDAP bevorzustehen schien.

Am späten Nachmittag des 29. April 1945 begannen tatsächlich die letzten Vorbereitungen im Bunker. Zuerst diktierte Hitler einer der beiden verbliebenen Sekretärinnen ein politisches und ein privates Testament. Traudl Junge erinnerte sich an ihre Gefühle unmittelbar vor dem Diktat: „Jetzt kommt endlich das, worauf wir seit Tagen warten: die Erklärung für das, was geschah, ein Bekenntnis, ein Schuldbekenntnis sogar, vielleicht eine Rechtfertigung.“ In diesem letzten Dokument des Dritten Reiches musste doch die Wahrheit stehen, bekannt von einem Menschen, der nichts mehr zu verlieren hatte.

Aber die Erwartung der Sekretärin wurde enttäuscht: „Teilnahmslos, fast mechanisch spricht der Führer Erklärungen, Anklagen und Forderungen aus, die ich, die das deutsche Volk und die ganze Welt kennen.“ Tatsächlich enthielten die beiden Testamente wenig mehr als eine Zusammenfassung all seines Hasses, seiner von der Wirklichkeit komplett gelösten Weltanschauung.

Vor seinem Tod legalisierte Hitler noch seine Beziehung zu Eva Braun. Allerdings tat er das wohl nicht aus eigenem Antrieb: „Diese Todeshochzeit ist auf ihr Drängen, auf ihre Bemühungen zurückgegangen. Hitler war ja gar nicht mehr in der Lage dazu“, erinnerte sich ein langjähriger Hausangestellter der Alpenresidenz Berghof. Er kannte Eva Braun sehr gut: „Sie wollte das haben.“

An diesem Sonntagabend gegen 23.00 Uhr schickte Hitler einen letzten Funkspruch an die Wehrmachtsführung im längst eingekesselten Hauptquartier südlich Berlins. Noch einmal erkundigte er sich, wann die Entsatztruppen kämen. Knapp vier Stunden später antwortete Generalfeldmarschall Wilhelm Keitel, dass mit einer Besserung der Situation nicht mehr zu rechnen sei.

Inzwischen standen die Angriffsspitzen der Roten Armee nur noch knapp hundert Meter südlich der Reichskanzlei. Zwischen Leipziger und Vossstraße wurde bereits Mann gegen Mann gekämpft. SS-Brigadeführer Wilhelm Mohnke, der Kampfkommandant der Reichskanzlei, teilte Hitler mit, dass man die Stellung noch einen, höchstens zwei Tage halten könnte.

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Daraufhin legte der „Führer und Reichskanzler“ als Zeitpunkt seines Todes den 30. April 1945 um 15 Uhr fest. Als letzte Befehle gab er Mohnke und dem Befehlshaber in Berlin, General Helmuth Weidling, die Erlaubnis, in aussichtsloser Lage auszubrechen. Von Kapitulation wollte der Diktator noch immer nichts wissen. Das letzte Kapitel war nun beinahe zu Ende.

Ungefähr zu dieser Zeit zogen sich Eva Braun und Adolf Hitler in das winzige Wohnzimmer der Bunkerwohnung zurück und schlossen die Stahltüren. Zuvor hatte der Diktator sich noch von seiner engsten Umgebung verabschiedet und seinem persönlichen Diener Anweisungen über den Umgang mit seiner Leiche gemacht. Am Ende seines Krieges, der 50 Millionen Menschen das Leben gekostet hatte, war Adolf Hitlers größte Sorge, sein Leichnam könnte in die Hände der Roten Armee fallen und wie in einem Panoptikum ausgestellt werden.

Rotarmisten am angeblichen Grab Hitlers in Berlin. Das Foto entstand im Juli 1945
Rotarmisten am angeblichen Grab Hitlers in Berlin. Das Foto entstand im Juli 1945
Quelle: picture alliance / akg-images

Seine engsten Mitarbeiter führten den letzten Befehl ihres Chefs genau aus: Sie blockierten für die entscheidenden Minuten die Tür zum Wohnzimmerchen im Bunker. Nach einiger Zeit schnupperten sie nach Pulvergeruch. Durch die massiven Wände und geschlossenen Stahltüren waren beim permanenten Geräuschpegel im Bunker durch den Artilleriebeschuss und die laufende Dieselmaschine ein einzelner Pistolenschuss nicht zu hören.

Kurz vor 16 Uhr betraten Kammerdiener Heinz Linge und der persönliche SS-Adjutant Otto Günsche den Sterberaum des deutschen Diktators. Sie fanden beide Leichen in der Sitzgruppe vor, erinnerten sich später aber immer wieder unterschiedlich, wie sie gesessen hatten.

Linge und Günsche nahmen die Leichen, trugen sie durch den Gartenausgang aus dem Führerbunker und legten sie in eine Grube – entweder in einen Granattrichter oder einen nicht mehr geschlossenen Kanalgraben. Die Körper wurden mit viel Benzin überschüttet und dann angesteckt. Ein SS-Wachmann schaute zu und rannte in den Bunker hinab. „Der Chef brennt!“, rief er und fragte seinen Kameraden Rochus Misch, den Telefonisten des Führerbegleitkommandos: „Willst du mal gucken?“

Wie genau waren Adolf und Eva Hitler gestorben? Darüber gibt es Dutzende unterschiedlicher Darstellungen. Nahezu alle Menschen aus der Umgebung des Führers, die das Jahr 1945 lebend überstanden, äußerten sich später mehrfach dazu und oft widersprüchlich.

Erschossen sie sich beide? Nahmen beide Gift? Erschoss sich Hitler, entweder in den Mund oder in die rechte Schläfe, während Eva Braun sich vergiftete? Ging der Führer gar auf Nummer sicher: mit Zyankali und einem Kopfschuss? Da es keinerlei Untersuchung zwischen Tod und Einäscherung gab, lassen sich diese Fragen nicht beantworten. Sie sind auch nicht wichtig, denn entscheidend ist allein: Adolf Hitler starb am 30. April 1945 zwischen 15.15 und 15.50 Uhr.

Dieser Artikel wurde erstmals 2014 veröffentlicht.

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