„Wiener Blut“ (ZDF / Satel Film) ist eine wilde Mischung aus spektakul�rem Polit-Thriller und �gyptisch-wienerischer Familiengeschichte, bei der es um Liebe, Integration, populistische Abgr�nde und menschliche Abh�ngigkeiten geht. Barbara Eder inszenierte die Geschichte um drei Frauen (Charlotte Schwab, Melika Foroutan, Noelia Chirazi) aus drei Generationen, die sich in einer politischen Verschw�rung wieder finden, mit viel Gesp�r f�r die Charaktere, auch wenn die Geschichte zuweilen ein wenig zu konstruiert wirkt.
Foto: ZDF / Fabio EppensteinerInszenierter Selbstmord? Fida Emam (Melika Foroutan) & Gl�sl (Harald Windisch)
Ein Mann f�hrt mit einem Pick-up durch Wien – mit menschlicher Fracht auf der verschlossenen Ladefl�che: Das Opfer ist gefesselt und geknebelt. Dann springt der Film ins „Dreim�derlhaus“ – sprich: zu den Emams, eine Familie, deren Wurzeln in �gypten liegen: Afifa (Charlotte Schwab), eine ehemalige Konzertviolinistin, die wegen Gicht ihren Beruf aufgeben muss, trinkt, raucht und giftet herum. Tochter Fida (Melika Foroutan) ist engagierte Staatsanw�ltin und hat ein Kind mit dem verheirateten Michael K�rner (Martin Niedermair), der zudem ihr Chef ist. Tochter Aline (Noelia Chirazi) pubertiert und verguckt sich in den radikalen Muslim Djamal Hemidi (Hassan Kello), der sie umgarnt, aber anderes im Schilde f�hrt. Fida Emam wird mitten aus dem Gericht zu einem vermeintlichen Suizid gerufen. Ein Mann (der aus dem Pick-up), der sp�ter als Karl Burger identifiziert wird, baumelt von einer Br�cke. F�r den hemds�rmeligen Kommissar Gl�sl (Harald Windisch) ist klar, das war Mord. Er bittet die Staatsanw�ltin um die Obduktion der Leiche. Bald stellt sich heraus, die Tat steht in Zusammenhang mit einem radikal islamischen Verein um den Imam Ahmed Rahimsai (Stipe Erceg). Ausgerechnet f�r diesen hegt Fidas Tochter Aline mehr als nur Sympathien, sie tr�gt Kopftuch, hat den Koran unter dem Arm und merkt nicht, dass sie nur benutzt wird, um ihre Mutter aus dem Fall herauszukicken. Von einem Informanten, der bald schon ihr Verehrer wird, erf�hrt Fida, dass das Opfer bei der �sterreichischen Finanzmarktaufsichtsbeh�rde (FMA) arbeitete und gegen eine Wiener Privatbank ermittelte, wegen des Verdachts auf Geldw�sche. Die Spur f�hrt zu dem politisch weit rechts stehenden Vorstandschef der Bank, Stefan Meer (Harald Schrott), der zu einem grotesk hohen Preis �ber eine Briefkastenfirma ein Zinshaus in Wien erworben hat – und das von dem radikal islamischen Verein.
Foto: ZDF / Fabio EppensteinerStaatsanw�ltin Fida Emam (Melika Foroutan) macht sich Sorgen um ihre Tochter.
„Krimi, Sehns�chte, Liebesgeschichte – f�r mich ist es all das zusammen. Ich glaube nicht, dass man das eine ohne das andere erz�hlen kann. Wenn ich einen reinen Krimi erz�hle, der keine Familien- oder Liebesgeschichte, kein Herzblut hat, dann interessiert mich der Krimi wahrscheinlich auch gar nicht besonders. Aber wenn ich mit den Personen, mit den handelnden Figuren mitgehe, dann begeistert mich pers�nlich das Schreiben ...“ (Martin Ambrosch, Autor)
Autor Martin Ambrosch („Spuren des B�sen“, „Das finstere Tal“, „Maximilian – Das Spiel von Macht und Liebe“ ) geht in seinem Polit-Thriller in die Vollen: Es geht um harte Fakten, k�hne Konstellationen und b�se Intrigen. Ein ultrarechter Banker und ein radikaler Imam planen in einer unheiligen Allianz, Mitteleuropa nachhaltig zu destabilisieren. Politik und Religion als gro�e gesellschaftliche Systeme wirken sich aber auch auf die Mikrostruktur Familie aus. Sie f�hren dort zu Konflikten, beeinflussen Familien- und Liebesbeziehungen. Die �gyptisch-wienerische Familie wird in die gro�e politische Intrige hineingezogen, mittendrin eine unerschrockene, mit allerlei privaten Problemen k�mpfende Staatsanw�ltin, die ihr Leben sowie ihre renitente Mutter und ihre Teenager-Tochter nicht in den Griff bekommt. Wien dient hier nicht als Stadt mit Schm�h und Tradition, sondern als Stadt der verschiedenen Kulturen, als moderne Metropole aus dem Blickwinkel jener Menschen, die nicht in �sterreich geboren sind. Der Thriller spielt in einem brisanten Spannungsfeld aus Integration, Frauenemanzipation und Radikalisierung. Und er bietet eine spannende Verbrecherjagd vor der imposanten Kulisse der �sterreichischen Hauptstadt zwischen Hinterhofmoschee, Donauufer und Hauptbahnhof, der als Kulisse f�r den packenden Showdown dient – erstklassig eingefangen von Kameramann Martin Gschlacht.
Foto: ZDF / Fabio EppensteinerMal wieder au�er Kontrolle: Afifa Emam (Charlotte Schwab) s�uft und giftet herum.
Wunderbar rau und taff, aber auch weich und verletzlich, ist die Figur der Fida gezeichnet. Melika Foroutan („Begierde – Mord im Zeichen des Zen“), deutsche Schauspielerin mit iranischen Wurzeln, spielt die zwischen Beruf und Familie hin und her gerissene Frau, die tiefer und tiefer in ein Komplott hineingezogen und zum Spielball politisch extremer M�nnerfantasien wird, als unbestechliche Heldin mit Ecken, Kanten und Narben. Eine starke Leistung in einem nicht ganz so starken Film, dem es etwas an Tempo – die Geschichte kommt nur langsam in Gang – und auch an Strahlkraft mangelt. Barbara Eder, die zuletzt den wunderbar pointierten Wien-„Tatort – Her mit der Marie!“ inszeniert hat, gelingt es – wohl auch wegen der arg konstruierten Geschichte – zu wenig, mit Wiener Schm�h und Zynismus die allzu gro�e Story ein bisschen herunterzubrechen. Die Zeichnung der drei Frauenfiguren aus drei Generationen, die alle ihren individuellen Sehns�chten nachlaufen, die vielleicht falsch oder nie erreichbar sind, ist ihr aber gl�nzend gelungen: alt und verh�rmt die eine, jugendlich-neugierig die andere, dazwischen streitbar und menschlich die zentrale Figur Fida. Eine Entdeckung ist zweifelsohne die junge, aus Syrien stammende Noelia Chirazi in ihrer ersten gr��eren Filmrolle. Sie spielt sehr frisch und glaubhaft ein M�dchen zwischen Erwachsenwerden, Rebellion und Naivit�t. Fazit: „Wiener Blut“ ist ein hochpolitischer Thriller, der sich brisanten gesellschaftlichen Problemen unserer Zeit – Integration, die Rolle der Frau, Generationskonflikte – widmet und in populistische Abgr�nde blicken l�sst.�
Foto: ZDF / Fabio EppensteinerFliegt die Aff�re zwischen Emam (Melika Foroutan) und K�rner (Niedermair) auf?
Volker Bergmeister arbeitet als freier TV- und Filmkritiker f�r Zeitungen und Fachzeitschriften. Er war 25 Jahre Jurymitglied des Grimme-Preises, aktuell leitet er die Jury des Creative Energy Award beim Filmfest Emden und geh�rt der Nominierungskommission f�r den Robert-Geisend�rfer-Preis an.