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Lebensfreude im Diesseits wie im Jenseits: der „Bacchus“ von Markus Lüpertz am Grab von Guido Westerwelle.
Lebensfreude im Diesseits wie im Jenseits: der „Bacchus“ von Markus Lüpertz am Grab von Guido Westerwelle. © Berins

Wie man auch nach dem eigenen Tod auf sich aufmerksam macht, zum Beispiel durch die „Methode Banksy“ - überraschend auftauchende Kunst. Die Kolumne „Times mager“.

Nicht nur in London tauchen überraschend Kunstwerke auf. Auch in Köln, genauer gesagt, auf einem Kölner Friedhof, trifft man unerwartet auf High-End-Kunst. Zwar nicht von Banksy, sondern, surprise!: vom „Malerfürst“ Markus Lüpertz. Der Friedhofsführer zuckt mit den Schultern, man wisse da sehr wenig drüber, auf einmal war das Werk da.

Regen plätschert auf die Gräber und prasselt auf die Regenschirme. Erstaunlich viele Menschen treiben sich an diesem Nachmittag auf dem Totenhof rum - ein österliches Interesse an der Auferstehung? Eine Gelegenheit, einmal selbst kreativ darüber nachzudenken, was der Nachwelt vom eigenen Leben erhalten bleiben soll, welchen Eindruck man posthum hinterlassen, welche jenseitige Visitenkarte man reichen will?

Inspiration gäbe es genug: Willy Millowitsch hat eine Art letzten Auftritt inszeniert. Hinter einer geschwungenen Hecke führen drei kleine Stufen auf eine Bühne, auf der Frühblüher wachsen, dahinter die Zuschauerränge in nadeligem Immergrün. Der Schauspieler, Arzt und Sportler Gunther Philipp ließ sich in einem Ferrari-Rot-lackierten Sarg in die Erde abseilen. Eine Unbekannte hat ihren Grabstein in Handyform gestalten lassen – Modell altes Nokia, noch mit Tasten – ihr Name erscheint wie eine Textnachricht auf dem Display. Eine Verulkung des eigenen Todes? Ein philosophischer Gedanke nach dem Moto: Das Leben – eine bloße Short-Message im Universum? Ein Kneipenwirt hat einen alten Ofen als Denkmal für einen verstorbenen Stammgast aufstellen lassen (dessen Platz neben diesem Ofen war). Versehen ist das Monument mit dem Spruch: „Die meiste Zeit seines Lebens verbrachte er in einer Kneipe (…)“. Was für ein glamouröses Lebensresümee!

Aber zurück zum Markus-Lüpertz-Werk. Auf dem Grab von Guido Westerwelle, der 2016 starb, steht seit einigen Wochen diese Büste mit typisch Lüpertz’schen abgebrochenen Armen: ein selig lächelnder Bacchus-Torso, der Gott des Weines und des Rausches. Eine Anspielung auf ein menschliches Laster? Natürlich nicht. Der Bacchus soll die pure Lebensfreude ausdrücken, die Lüpertz mit seinem Freund Westerwelle verbindet - auf dass sie im Jenseits fortgeführt werde! Wieso das Werk gerade jetzt dort aufgestellt wurde? Ein Rätsel. Jedenfalls ist der Friedhof nun um ein wertvolles Kunstwerk reicher, und bevor nun der (Kunst-)Rausch zu Unüberlegtem verleitet (die Bronze dürfte recht schwer sein), warnt der Friedhof auf orangenem Papier: „Wer auf dem Friedhof stiehlt, dem sollen die Finger abfaulen.“ Und man will ja wohl nicht selbst wie der arme Bacchus rumlaufen.

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