Ex-Bundespräsident Richard von Weizsäcker mit 94 gestorben - WELT
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Alt-Bundespräsident Richard von Weizsäcker ist tot

Der „Präsident aller Bürger“ ist tot: Richard von Weizsäcker ist im Alter von 94 Jahren im Kreise seiner Familie gestorben. Er war von 1984 bis 1994 Staatsoberhaupt der Bundesrepublik.

Der frühere Bundespräsident Richard von Weizsäcker ist am Samstag im Alter von 94 Jahren gestorben. Das erfuhr die Deutsche Presse-Agentur aus dem Umfeld der Familie. Das Bundespräsidialamt bestätigte dies kurz darauf der Nachrichtenagentur AFP.

Von Weizsäcker war der sechste Bundespräsident Deutschlands. Er folgte 1984 auf Karl Carstens (CDU) ins Amt als Staatsoberhaupt. Nach seinem Amtsantritt hatte er versprochen, „Präsident aller Bürger“ sein zu wollen.

Der CDU-Politiker war zehn Jahre lang – bis 1994 – Bundespräsident. Als ein wichtiger Markstein seiner Amtszeit gilt die Rede vom 8. Mai 1985 zum 40. Jahrestag des Endes des Zweiten Weltkriegs. In dieser Rede setzte von Weizsäcker sich ohne Beschönigung mit den deutschen Verbrechen der Nationalsozialisten auseinander. Er bezeichnete den Tag des Kriegsendes und den Zusammenbruch des Nazi-Regimes damals als „Tag der Befreiung“.

Auch nach dem Ausscheiden aus dem Präsidentenamt blieb Weizsäcker lange Zeit international ein gefragter Mann: Sei es in der Kommission zur Reform der UN oder als Mahner für eine Welt ohne Atomwaffen. Zu seinem 90. Geburtstag im Jahr 2010 schrieb Kanzlerin Angela Merkel (CDU): „Mit Würde, Augenmaß und Umsicht haben Sie schon jetzt einen bedeutenden Platz in der politischen Geschichte der Bundesrepublik Deutschland gefunden.“

Zuletzt war es still um ihn geworden. Zum 20. Juni 2014 würdigte er in der „Bild“-Zeitung den Hitler-Attentäter Claus Schenk Graf von Stauffenberg: „Ich war Stauffenberg schon 1942 begegnet. ... Eine eindrucksvolle Erscheinung mit leuchtenden Augen, charakterstark, mitreißend. Für mich, den jungen Soldaten Anfang 20, war es imponierend, ihn zu erleben.“

Gauck würdigt den „Zeugen des Jahrhunderts“

Bundespräsident Joachim Gauck kondolierte Richard von Weizsäckers Witwe Marianne und würdigte ihren Mann als „großartigen Menschen und ein herausragendes Staatsoberhaupt“. Von Weizsäcker sei „ein Zeuge des Jahrhunderts“ gewesen, hieß es in einer Mitteilung des Präsidialamts. „Aus der Erfahrung von Krieg und Gewaltherrschaft folgte sein Engagement für ein friedliches und vereintes Europa.“

Richard von Weizsäcker war ein Welt- und Staatsbürger im besten Sinne
Joachim Gauck, Bundespräsident

Schon früh habe von Weizsäcker in der Überwindung der Spaltung Europas die einzige Möglichkeit zur Überwindung der Spaltung Deutschlands gesehen, sagte Gauck. „Richard von Weizsäcker stand weltweit für ein Deutschland, das seinen Weg in die Mitte der demokratischen Völkerfamilie gefunden hatte. Er stand für eine Bundesrepublik, die sich ihrer Vergangenheit stellt.“ Dabei hob Gauck auch von Weizsäckers berühmte Rede vom 8. Mai 1985 hervor.

„Richard von Weizsäcker war ein Welt- und Staatsbürger im besten Sinne“, sagte Gauck weiter. Bis ins hohe Alter habe er sich auf nationaler und internationaler Ebene engagiert.

Sein Kondolenzschreiben schloss der Bundespräsident mit den Worten: „Ich bekunde meinen aufrichtigen Respekt und tiefe Dankbarkeit gegenüber einem Mann, dessen Denken und Wirken für uns alle Ansporn und bleibende Verpflichtung sein wird. Richard von Weizsäcker hat sich um unser Land verdient gemacht. Wir werden ihn nicht vergessen.“

Roman Herzog würdigt seinen Amtsvorgänger

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Der ehemalige Bundespräsident Roman Herzog würdigte das politische und gesellschaftliche Wirken seines Amtsvorgängers als wegweisend und visionär. In einem Beitrag für die „Bild am Sonntag“ schrieb Herzog: Weizsäcker habe „die hergebrachten Begriffe, vor allem aber die hergebrachten Gegensätze unseres ganzen politisch-gesellschaftlichen Denkens nicht anerkannt“. Zumindest habe er sie immer wieder „hinterfragt“. Staat und Gesellschaft, Wirtschaft und Staat, Staat und Kultur, Kirche und Staat, Innen- und Außenpolitik seien für ihn nicht unauflösbare Gegensätze gewesen, "sondern Teile eines Ganzen, das vielen von uns so unverkennbar fremd geworden ist, dass wir es nur noch mit dem Unwort ‚Gesamtsystem' umschreiben können“.

Das Ansehen in der Welt, das er sich frühzeitig geschaffen hatte, hat er redlich zum Wohle Deutschlands in der Welt eingesetzt
Roman Herzog, Alt-Bundespräsident

Herzog schreibt weiter: "Von hier aus hätte sich eine ganz neue Welt des politischen Denkens und Redens entwickeln können. Daran ist Richard von Weizsäcker durch die Lasten und Mühen seiner Ämter gehindert worden, nicht zuletzt durch seine weit gesteckten Aufgaben in der Außenpolitik.“ Diese sei für von Weizsäcker vor allem Friedenspolitik gewesen. „Für sie war er prädestiniert wie kaum ein anderer, und das Ansehen in der Welt, das er sich frühzeitig geschaffen hatte, hat er redlich zum Wohle Deutschlands in der Welt eingesetzt."

Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) würdigte von Weizsäcker als „einen Menschen, einen Politiker und einen Staatsmann, der für das Ansehen Deutschlands in der Welt Großes geleistet hat“. In einem Beitrag für die „Bild am Sonntag“ schrieb er, von Weizsäckers Rede zum 40. Jahrestag des Kriegsendes 1985 sei „ein Meilenstein in der Geschichte Deutschlands“.

Weizsäcker habe als erster führender Politiker die Einsicht formuliert, dass „der Sieg über die deutsche Terror-Herrschaft die Voraussetzung für einen friedlichen Neubeginn in Europa“ war. Steinmeier: "Für die Deutschen selbst bedeutete das Bekenntnis des damaligen Bundespräsidenten auch eine Befreiung - von der Lebenslüge nämlich, dass es im Krieg um den Überlebenskampf gegen eine feindliche Übermacht ging. Weiterleben konnte Deutschland nur durch die militärische Niederlage.“ Außer von Weizsäcker habe niemand den Mut gehabt, diese Wahrheit auszusprechen.

FDP-Chef Christian Lindner nannte von Weizsäcker „eine herausragende Persönlichkeit und ein prägendes Staatsoberhaupt“. Viele seiner Worte seien heute aktueller denn je. „Seine Rede zum 40. Jahrestag des Kriegsendes bleibt unvergessen und als sein geistiges Erbe lebendig.“

Engagiert für ein vereintes Europa

Der Diplomatensohn Richard von Weizsäcker wurde am 15. April 1920 in Stuttgart geboren. Als Soldat nahm er am Zweiten Weltkrieg in Polen und der Sowjetunion teil, wobei er mehrfach verwundet wurde. Nach Kriegsende studierte von Weizsäcker Rechtswissenschaften und Geschichte. Er half bei den Nürnberger Kriegsverbrecherprozessen bei der Verteidigung seines Vaters Ernst von Weizsäcker, der zu mehrjähriger Haft verurteilt wurde.

Weizsäcker war während und nach dem Studium im Bankwesen sowie in Industrieunternehmen führend tätig. 1954 trat er in die CDU ein. Von 1964 bis 1970 und von 1979 bis 1981 war er Präsident des Deutschen Evangelischen Kirchentages, von 1969 bis 1984 Mitglied der Synode und des Rates der EKD sowie des Zentral- und Exekutivausschusses des Weltkirchenrats. Auf Vorschlag von Helmut Kohl kam er 1966 in den CDU-Bundesvorstand. In den Bundestag zog der Vater von vier Kindern 1969 ein, wo er zum stellvertretenden Unionsfraktionschef aufstieg.

Die deutsche Teilung erlebte Weizsäcker als Regierender Bürgermeister von Berlin in den Jahren von 1981 bis 1984 aus nächster Nähe. Auch als Bundespräsident setzte er sich für die Aussöhnung mit dem Ostblock und Gespräche mit der DDR ein.

dpa/AFP/KNA/jw

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