Was vom Tage übrig blieb: Roman von Kazuo Ishiguro bei LovelyBooks (Historischer Roman)

Was vom Tage übrig bliebRoman

4,1 Sterne bei

Neue Kurzmeinungen

Positiv (218):
P
Primrose24
vor 9 Tagen

Ein interessanter, wenn auch etwas nüchterner Roman aus der Feder eines Nobelpreisträgers.

Kritisch (14):
JuliaRavenclaws avatar
JuliaRavenclaw
vor einem Jahr

Leider fehlt es dem Buch trotz schöner Momente an Unterhaltungswert. Es war oft wirklich langweilig.

Auf der Suche nach deinem neuen Lieblingsbuch? Melde dich bei LovelyBooks an, entdecke neuen Lesestoff und aufregende Buchaktionen.

Inhaltsangabe

Stevens dient als Butler in Darlington Hall. Er sorgt für einen tadellosen Haushalt und ist die Verschwiegenheit in Person: Niemals würde er auch nur ein Wort über die merkwürdigen Vorgänge im Herrenhaus verlieren. Er stellt sein Leben voll und ganz in den Dienst seines Herrn. Auch die vorsichtigen Annäherungsversuche von Miss Kenton, der Haushälterin, weist er brüsk zurück. Viele Jahre lang lebt er ergeben in seiner Welt, bis ihn eines Tages die Vergangenheit einholt. Das kritische Portrait einer von Klasse und Hierarchien geprägten Gesellschaft und eine bittersüße Liebesgeschichte, erzählt von einem, der seinen Stand nie hinterfragt und der nie auch nur geahnt hat, dass er liebte.

Buchdetails

Aktuelle Ausgabe
ISBN:9783896677037
Sprache:Deutsch
Ausgabe:Taschenbuch
Umfang:320 Seiten
Verlag:Blessing
Erscheinungsdatum:16.11.2022
Das aktuelle Hörbuch ist am 17.12.2017 bei Random House Audio erschienen.

Rezensionen und Bewertungen

4,1 Sterne
Filtern:
  • 5 Sterne102
  • 4 Sterne116
  • 3 Sterne52
  • 2 Sterne11
  • 1 Stern3
Sortieren:
P
Primrose24vor 9 Tagen
Kurzmeinung: Ein interessanter, wenn auch etwas nüchterner Roman aus der Feder eines Nobelpreisträgers.
Ein Butler auf Reisen

Stevens dient seit Jahrzehnten als Butler in Darlington Hall. Unter Lord Darlington hat Stevens schon die größten Persönlichkeiten empfangen, stets einen tadellosen Haushalt geführt und auch die Geheimnisse seiner Herrschaft gehütet. Nach so vielen Jahren des Dienstes begibt er sich das erste Mal auf eine Reise in die Welt außerhalb seines Zuhauses, um eine alte Freundin zu besuchen und ein neues Großbritannien zu erkunden. Dabei überdenkt er die Entscheidungen, die ihn auf seinen Weg geführt haben und die Entbehrungen, die er aufgrund seines Gehorsam in Kauf genommen hat. 

Stevens Persönlichkeit ist so, wie man sich einen typischen englischen Butler vorstellt. Immer höflich und zuvorkommend. Er stellt seine eigenen Bedürfnisse und Ansichten zurück, um seiner Herrschaft zu Diensten zu sein, hält sich dabei jedoch immer im Hintergrund. Auch sein Umgang mit Miss Kenton ist von dieser Zurückhaltung geprägt. Seine Anstellung und seine Herrschaft stehen über allem, sodass er sich selbst vieles versagt insbesondere tiefere Beziehungen. Erst die Reise mit dem Auto durch Großbritannien bietet ihm Gelegenheit seine Handlungen in der Vergangenheit zu überdenken und auch die Chancen, die ihm dadurch entgangen sind. Trotz der eher nüchternen Erzählung hat mich die Geschichte von Stevens sehr berühren konnte. Vor allem das Treffen mit Miss Kenton am Ende empfand ich als sehr emotional. Auch wenn die Geschichten nicht voller spannender Wendungen ist und ich einige Passagen sogar etwas langweilig nennen muss, konnte mich der Roman trotzdem gut unterhalten. 

Tilman_Schneiders avatar
Tilman_Schneidervor einem Monat
Kurzmeinung: eine ganz großartige und feine Geschichte
tolle Lektüre

In einem noblen Landgut in England trifft der Butler Stevens auf die Hauswirtschafterin Miss Kenton. Sie sehen sich täglich, schleichen umeinander herum und während im Haus große politische Entscheidungen getroffen werden und der Butler ganz seine Arbeit ausfüllt, versucht Miss Kenton ihre Gefühle zu verbergen und auch Stevens ist seltsam angezogen von ihr. Erst viele Jahre später macht er sich auf sie wieder zu sehen und so beginnt eine Reise in seine eigene Vergangenheit.

B
Bookartvor 3 Monaten
Kurzmeinung: Den Sinn des Buches konnte ich eigentlich erst am Ende erahnen, dennoch und gerade deshalb eine interessante Leseerfahrung.
Worum geht es?

Worum geht es? Worauf läuft es hinaus? Diese Frage habe ich mir während des Lesens mehrmals gestellt. Denn die Handlung scheint extrem dahinzuplätschern. Wir folgen einem Butler durch England zu einer Zeit als die Hochzeit der Herrenhäuser und Lords bereits zu Ende war. Stevens erzählt uns vordergründig neben Landschaftsbeschreibungen seiner Reise viel über die Aufgaben eines Butlers. Seine Lebensgeschichte und die Liebesgeschichte stehen dabei zwischen den Zeilen. Wie emotional mich das Buch doch fesseln konnte, wurde mir tatsächlich erst auf den letzten Seiten und beim nochmal darüber Nachdenken klar, denn schwarz auf weiß bleibt es eigentlich sehr sachlich. Genau dieser Kniff macht das Buch so interessant. Man hat den Eindruck mehr zu wissen als man gelesen hat...

Historisch gesehen bleiben wir in der Perspektive des Butlers. Es werden berühmte Persönlichkeiten der Zeit erwähnt, wir bekommen eine Vorstellung davon in welchem Rahmen sie sich untereinander verständigt und getroffen haben, Außenpolitisches wird am Rande aufgeschnappt. Die großen Zusammenhänge historischer Ereignisse sind aber nicht wirklich Thema des Buches. Für mich eine Mischung aus Belletristik, historischem Roman und Liebesroman.

Dajobamas avatar
Dajobamavor 5 Monaten
Stevens

Was vom Tage übrig blieb - Kazuo Ishiguro

"Alles was wir geben mussten " hatte mich ja mit seiner dystopisch angehauchten Story sehr begeistert. Dieses Werk ist nun ganz anders. Der Schreibstil ist auch hier wieder klasse und sehr authentisch. Nur dass mich die Überlegungen eines Butlers nicht so sehr fesseln konnten…

Erzähler ist hier der Butler Stevens, der sein ganzes Leben lang auf Darlington Hall gedient hat. Seine Aufgaben hat er stets sehr ernst genommen und auch in der Rückschau macht er sich viele Gedanken darüber, wie sich ein perfekter Butler definiert bzw über den Begriff der Würde. Während der Blütezeit seiner Karriere, zwischen den beiden Weltkriegen, verkehrten bedeutende Personen der Politik auf Darlington Hall. Aus dem Hintergrund und als quasi stummer Beobachter, konnte Stevens damals viele Eindrücke der politischen Situation sammeln und einigen später weltberühmten Politiker begegnen. 

Nun ist Stevens alt geworden. Er ist zwar noch im Dienst, macht aber einen Ausflug um eine ehemalige Hausangestellte, Miss Kenton, zu besuchen. Mehr als er die Reise zu genießen scheint, ergeht er sich in eben oben genannten Erinnerungen – und gerät dabei durchaus ins Schwafeln. Seitenlange politische Erklärungen und Beschreibungen des Arbeitsfeldes eines Butlers (nicht zu vergessen die Moral!). Ich fand es tatsächlich streckenweise sehr langweilig. Dem guten Stevens fällt zwar auf, dass er noch nie wirklich etwas gesehen hat von seiner Heimat und dass er die besten Jahre seines Lebens voll und ganz Lord Darlington gewidmet hat. Doch steckt er so tief in seiner dienstbeflissenen Steifheit, dass ihm so einiges nicht bewusst wird. Beispielsweise merkt er nicht, dass er geliebt hat und natürlich seine Chance nicht genutzt hat.

Dabei hat Ishiguro einen wirklich tollen Schreibstil, der mich doch immer mal wieder gepackt und ein Stück weit mitgenommen hat. Meiner Meinung nach ist die Sprache hier zu authentisch. Der verstockte, steife, humorlose Butler Stevens war mir für einen ganzen Roman zu viel.

3 Sterne

 

Elite1304s avatar
Elite1304vor einem Jahr
Kurzmeinung: Ich bin hin- und hergerissen mit meiner Meinung.
Die Sicht eines Butlers

In "Was vom Tage übrig blieb" geht es um den Butler Stevens, der in dem Landwesen Darlington Hall beschäftigt ist, Nachdem Lord Darlington verstarb, übernahm Lord Farraday das Anwesen. Inzwischen waren nur noch wenig Bedienstete in dem Landwesen tätig. 

Lord Farraday möchte das gern ändern und als er seinem Butler Stevens vorschlägt ein paar Tage frei zu machen, fährt dieser im alten England umher und will seine einstige Kollegin, die ehemalige Haushälterin Mrs. Kenton besuchen und überreden, an dem Hof zurückzukehren. Da sie in einem Brief mitteilte, dass sie geschieden sei, nahm er an, sie würde dieses Angebot annehmen.

Hier beginnt die Geschichte. Der Butler erinnert sich auf seiner Reise an die vielen Ereignisse in Darlington Hall als der alte Lord dort noch wohnte und er sein Butler war. Stevens nimmt ebenso wie sein Vater seine berufliche Aufgabe sehr ernst - zu ernst. Sein Vater war zur selben Zeit im Landsitz beschäftigt wie Stevens unter der Führung des alten Lords. Aufgrund eines Schlaganfalls kam sein Vater bedauerlicherweise ums Leben. Doch selbst in dieser schlimmen Situation bewahrt Stevens die Fassung und kümmert sich um alle anwesenden Gäste, die an dem besagten Tag im Hause Darlington Hall geladen waren. 

Das Szenario spielt außerdem zu Kriegszeiten, sodass auch der Konflikt zu jüdisch Gläubigen hier mit aufgeführt wird und auch die politische Haltung der höhren Gesellschaft hier thematisiert wird. 

Zwischenzeitlich wird dem Leser auch klar, dass Mrs. Kenton sich zu dem Butler hingezogen fühlt und sich wünscht, er würde ihr entgegen kommen, den ersten Schritt wagen oder - um es flach auszudrücken - sein roboterhaftes Verhalten ablegen und irgendwie menschliche Gefühle äußern statt immer nur Höflichkeiten auszutauschen. Aber Stevens ist ein Profi in seinem Job und außerdem immer gefasst, kultiviert und ergeben. Denn trotz seiner eigenen Intelligenz hinterfragt er die Meinung seiner Lordschaft niemals und handelt immer nach dessen Willen. So kommt es, dass Mrs. Kenton privat jemanden kennenlernt, seine Frau wird und mit ihm wegzieht. Später nach der Scheidung, als sie und Stevens sich wiedersehen, erklärt sie, dass sie dennoch nicht an dem Landhof zurückkehren wird. Denn sie möchte leben. Sie möchte trotz allem mehr als nur einen Full-time-Job und stellt die Frage, was vom Tage und damit einhergehend von einem selbst noch übrig bleibt, wenn ein Arbeitstag in dem Haus rum ist, in dem man arbeitet und wohnt. Das gibt Stevens zu denken und er blickt auf sein Leben zurück und sieht ein, dass er mehr als das eigentlich nicht hatte. Er vertraut sich einem völlig Fremden auf einer Parkbank an und lässt sein Leben Revue passieren.

Es ist eine interessante Geschichte und ein guter Aspekt. Aber der Schreibstil war zuweilen oft anstrengend und die Handlung ist letztlich nie exponenziell gestiegen. Daher vergeben ich drei Sterne für das gute Thema, in dem ich mir mehr Emotionen gewünscht hätte und einen Schreibstil ohne Schachtelsätze und Wortwiederholungen.

ENIs avatar
ENIvor einem Jahr
Erwartungen nur teilweise erfüllt

Zum Inhalt: Stevens dient als Butler in Darlington Hall und stellt sein Leben voll und ganz in den Dienst seines Herrn. Er lebt jahrelang in seiner eigenen Welt bis ihn eines Tages die Vergangenheit einholt. Klasse und Hierarchien prägen die Gesellschaft in welcher er sich aufhält und der er mit Pflichtgefühl dient.

Meine Meinung:  Ich hatte sehr hohe Erwartungen an diesen Roman, die leider nicht alle erfüllt wurden. Der Schreibstil von Ishiguro ist gut zu lesen, seine Sprache ist sehr schön und passt gut zum Protagonisten. Leider fehlt der Geschichte der Spannungsbogen. Das Buch ist in der Ich-Form aus der Sicht des emotionslosen Butlers geschrieben. Das ist vom Autor gewollt und literarisch sehr gut gelungen. Ich als Leserin empfand die Geschichte aber oft als langweilig.

Ich las die Ausgabe der Büchergilde, die wunderschöne Illustrationen beinhaltet. Dieses Ausgabe ist eines der schönsten Bücher in meiner Sammlung.

KarenAydins avatar
KarenAydinvor einem Jahr
Kurzmeinung: Es ist selten, dass ich von einem Buch so tief berührt bin, dass ich hinterher noch lange darüber nachdenken muss
Was, wenn man am Ende des Tages feststellt, dass alles woran man geglaubt hat, sinnlos war

Stevens, Butler in Darlington Hall, das im Jahr 1956 einem amerikanischen Gentleman gehört, unternimmt eine Reise, um Miss Kenton, eine frühere Angestellte zu treffen. Auf der Reise erinnert er sich an die 1920er und 1930er Jahre in dem Haus, das Lord Darlington gehörte, einem Mann, dem Stevens zeitlebens größte Loyalität entgegen gebracht hat, der aber ein großer Nazi-Sympathisant war. 


Stevens ist ein sehr kontrollierter Mensch, der stets das Richtige zu sagen weiß, der sich immer unter Kontrolle hat, für den Pflicht und Ordnung an erster Stelle stehen. Und gleichzeitig scheinen durch die Sprache, die so poliert ist, die so kühl ist, immer seine Gefühle durch. Das hat Ishiguro hier meisterhaft gemacht. Stevens steht als Butler am Ende der Epoche der großen Herrenhäuser, in denen die Butler mit großem Selbstbewusstsein und großer Standesehre alles für ihre Lordschaft getan haben, ihr eigenes Leben vollkommen aufgeopfert haben, um diesen zu dienen. Es sind 1956 nur noch wenige Angestellte in Darlington Hall und der neue Eigner ist ein Amerikaner, der zum Wirtschaftsadel, aber nicht zur landed gentry gehört. Sein Umgang mit Stevens wirkt auf den letzteren befremdlich, er bemüht sich, nachzulesen und einzuüben, wie man leichte, freundliche, neckende Konservation mit dem Hausherren betreibt. Stevens muss viel lernen, die Zeiten haben sich geändert. Doch, die Lektion, die wohl am bittersten ist, ist die, dass er nun selbst (auch wenn er es niemals so ausdrückt), alles, woran er im Leben geglaubt hat, infrage stellt. 

Ich kann nur sagen, dass ich diesen Roman liebe, dass ich ihn so tief bewegend finde, wie schon lange keinen mehr und dass ich ihn jedem nur empfehlen kann. Mir hat besonders die "Liebesgeschichte" zwischen Stevens und Miss Kenton gefallen, die eine war und doch keine war, die wieder nur hinter allen Höflichkeiten durchscheint. Und eben gerade deshalb so real ist. WOW! Damit ist Ishiguro wirklich ein Meisterwerk gelungen. 

Hellena92s avatar
Hellena92vor einem Jahr
Kurzmeinung: Konnte mich nicht abholen, aber die Illustrationen der Büchergildeausgabe waren wundervoll!
Die Illustrationen waren toll

Stevens dient als Butler in Darlington Hall. Er sorgt für einen tadellosen Haushalt und ist die Verschwiegenheit in Person: Niemals würde er auch nur ein Wort über die merkwürdigen Vorgänge im Herrenhaus verlieren. Er stellt sein Leben voll und ganz in den Dienst seines Herrn. Auch die vorsichtigen Annäherungsversuche von Miss Kenton, der Haushälterin, weist er brüsk zurück. Viele Jahre lang lebt er ergeben in seiner Welt, bis ihn eines Tages die Vergangenheit einholt. Das kritische Portrait einer von Klasse und Hierarchien geprägten Gesellschaft und eine bittersüße Liebesgeschichte, erzählt von einem, der seinen Stand nie hinterfragt und der nie auch nur geahnt hat, dass er liebte.


Mein Fazit:

Schade. Wirklich. Mich konnte der Roman nicht abholen und ich habe nach wenigen Seiten abgebrochen, weil ich keinerlei Gefühl, ebenso wie der Butler, hatte und mich nicht mit dem Protagonisten anfreunden konnte. Ich habe die Ausgabe der büchergilde gelesen und kann diese empfehlen, da die Illustrationen so wunderschön sind :) 

A
AnnetteTraksvor einem Jahr
Ein sehr bemerkenswertes Werk

Juli 1956: Stevens, äußerst pflichtbewusster und seinem Herrn loyal ergebener Butler auf Darlington Hall, erhält nach 7 Jahren wieder einmal einen Brief von Miss Kenton, die vor langer Zeit als Haushälterin ebenfalls auf dem Landgut gearbeitet hatte. Sie hat es dann aber verlassen, um zu heiraten und mit ihrem Mann nach Cornwall zu ziehen.Der Brief setzt bei Stevens eine Gedankenkette in Gang, die darin endet, dass Miss Kenton mit ihrem Engagement und ihren hohen Qualifikationen genau die Richtige sei, um ihm aus einem Dilemma, die aktuelle Personalsituation betreffend, zu helfen. Ihrem Schreiben entnimmt er, dass sie inzwischen getrennt von ihrem Mann lebt und nicht abgeneigt wäre, an ihre alte Arbeitsstätte zurückzukehren. Ob Letzteres wirklich der Fall ist, will Stevens anlässlich eines Besuchs bei ihr in einem persönlichen Gespräch herausfinden.

Mr Farraday, sein neuer Arbeitgeber – Lord Darlington ist mittlerweile verstorben – stellt ihm für die Tour seinen Wagen zur Verfügung. Die mehrtägige Fahrt wird für den Butler auch zu einer Reise in die Vergangenheit, während der er nicht nur diverse Situationen seines Arbeitslebens Revue passieren lässt und dabei räsoniert, was einen guten Butler ausmacht, sondern auch sein Verhältnis zu Miss Kenton überdenkt.

Die Haushälterin hatte sich seinerzeit offenbar in ihn verliebt und immer wieder versucht, ihn aus der Reserve zu locken. Doch Stevens ist und war davon überzeugt, dass man sich in seiner Position keine Emotionen erlauben darf, und hat Gefühle generell nie zugelassen.

Resümee: 

Nach „Damals in Nagasaki“ (engl. „A Pale View of Hills“, 1982) und „Der Maler der fließenden Welt“ (engl. „An Artist of the Floating World“, 1986) ist „Was vom Tage übrig blieb“ (engl. „The Remains of the Day“, 1989) der 3. Roman des Japaners Kazuo Ishiguro. Dieser wurde 1989 mit dem Booker Prize ausgezeichnet und 1993 mit Anthony Hopkins und Emma Thompson verfilmt. Zwei Jahre später folgte ein vierter Roman mit dem Titel „Die Ungetrösteten“ (engl. „The Unconsoled“).

2017 erhielt Ishiguro den Nobelpreis für Literatur.

 Im Mittelpunkt dieses Romans steht Stevens, ein schon geradezu pflichtbesessener, absolut loyaler Butler, der auf sein Leben zurückblickt. Oberflächlich betrachtet, fährt er entspannt mit dem Auto seines Arbeitgebers, dem Amerikaner Farraday, der auch die Benzinkosten übernimmt, Richtung Cornwall. Er genießt die mehrtägige Auszeit, macht hin und wieder eine Rast, um die Landschaft zu genießen, und kehrt bei gastfreundlichen Menschen ein. Sein Ziel ist das Zuhause von Miss Kenton, der ehemaligen Haushälterin von Darlington Hall, die er hofft, zur Rückkehr bewegen zu können.

Sie hatte damals immer wieder versucht, ihm ihre Liebe zu zeigen. Er jedoch war davon überzeugt, sich in seiner Stellung – egal in welcher Angelegenheit - keinerlei Emotionen erlauben zu dürfen, ist auf ihre Andeutungen nie eingegangen, sondern hat sich hinter seiner beruflichen Professionalität versteckt. In ihrer Verzweiflung hat Miss Kenton dann den Antrag eines anderen Mannes angenommen und Darlington Hall verlassen.

Stevens' anfängliche Überzeugung, dass sie in ihrem ersten Brief nach 7 Jahren signalisiert hat, dass sie gerne an ihre alte Wirkungsstätte zurückkehren würde, wird jedoch, je näher er seinem Fahrt-Ziel kommt, von Zweifeln überschattet. Und tatsächlich lehnt Miss Kenton ab, sodass sich Stevens zutiefst enttäuscht auf den Rückweg macht.

Bei einer Rast kommen ihm die Tränen. Ein Fremder erklärt ihm während des Sonnenuntergangs, dass der Abend die schönste Tageszeit sei, und rät ihm beim Abschied, einfach den (Lebens-) Abend zu genießen. Doch das scheint Stevens unmöglich.

So wie er sich in den Rückkehrabsichten von Miss Kenton getäuscht hat, weil er in ihren Brief etwas hineininterpretiert hat, was er gerne sehen wollte, so hat er auch während seiner langen Dienstzeit stets die Realität ignoriert bzw. nicht bewertet und konsequent in jeder Situation dem Idealbild eines Dieners von hohem Rang nachgeeifert:

Ende der 1930-er Jahre treffen sich auf dem Landsitz Darlington Hall hochrangige Politiker, diskutieren brisante Themen und planen Vorgehensweisen. Stevens organisiert diese Konferenzen, sieht und hört viel, schweigt aber zu allem, bezieht auch, wenn er direkt angesprochen wird, keine Stellung und verpflichtet außerdem das restliche Personal zu Verschwiegenheit über die Vorgänge und zu absoluter Loyalität.

Denn von immens hoher Bedeutung sind für einen guten Butler seines Erachtens Größe und Würde, im Sinne von eiserner Disziplin, Zurückhaltung, stoischer Gelassenheit, Enthaltsamkeit. Das bedeutet für Stevens in der Konsequenz, dass er unter Ausschluss jeglicher Emotionen und eigener Bedürfnisse sein Leben vorbehaltlos dem Beruf und somit seinem Arbeitgeber widmet. Niemals, unter keinen Umständen, darf diese berufliche Identität eines guten Butlers Risse bekommen. Im Gegenteil: Es ist eine Sache der eigenen Ehre, für einen hohen Herrn arbeiten zu dürfen.

Mehr noch: Als er in seinem tiefsten Inneren eingestehen muss, das Lord Darlington ein Nazi-Kollaborateur ist, hält er ihm trotz allem, was er bei den Geheimtreffen im Landsitz mitbekommen hat, weiterhin die Treue und versichert, dass Darlington kein schlechter Mensch sei.

Doch ist diese Haltung, die einer Verleugnung des eigenen Selbst gleichkommt, nicht nur ein Schutz, ein Alibi, um – in jeglicher Beziehung - nicht Stellung beziehen zu müssen, sich emotional und rational nicht angreifbar zu machen?

Aber was bleibt noch übrig, wenn man - im Kleinen am Ende des Tages, im Großen am Lebensabend - erkennen muss, dass man sein gesamtes Dasein, sein ganzes Denken, Fühlen und Handeln auf hehren (Wert-) Vorstellungen aufgebaut hat, die einer Zerstörung des eigenen Ichs gleichkommen? Wenn das gesamte Konstrukt von Größe und Würde eine Selbsttäuschung gewesen ist, die einem schließlich zum Verhängnis geworden ist, und man sein Leben vergeudet hat? Stevens stellt fest, dass Lord Darlington wenigstens eigene Ziele gehabt habe, für die er gekämpft hat, er selbst jedoch hat sich dies stets verwehrt und die eigene Person zu 100% in den Dienst seines Herrn gestellt.

Abschließend noch eine kurze Anmerkung zum Ausdruck: Das Buch kommt mit minimaler Handlung aus, der Inhalt besteht weitestgehend aus gedanklichen Rückblenden des Butlers. Ishiguro beschreibt diese zurückhaltend, geradezu vorsichtig, will niemandem zu nahe treten … drückt dabei jedoch alles aus.

Fazit: ein sehr bemerkenswertes Buch

Minijanes avatar
Minijanevor 2 Jahren
Kurzmeinung: Ein moderner Klassiker, der sehr lesenswert ist aber auch seine Längen hat.
Resümee eines Lebens, dass von absoluter Pflichterfüllung geprägt wurde

2017 erhielt Kazuo Ishiguro den Nobelpreis für Literatur. Sein bekanntestes Werk ist das Buch „Was vom Tage übrig blieb“.

Es erzählt die Geschichte des Butlers Mr Stevens, der sein gesamtes berufliches Leben auf Darlington Hall verbracht hat und nun nach Jahrzehnten aufopferungsvoller Tätigkeit auf sein Leben zurückblickt.

Das Buch beginnt 3 Jahre nach dem Tod seines ursprünglichen Dienstherrn Lord Darlington. Das Anwesen ist inzwischen von einem amerikanischen Millionär, Mir Farraday erworben worden, und als dieser aus geschäftlichen Gründen nach Amerika fliegen muss, nötigt er Mr.Stevens schon fast einen einwöchigen Urlaub zu machen und stellt sogar sein Fahrzeug für eine Rundreise zur Verfügung.

Der überkorrekte Butler nimmt das Angebot schließlich unter dem Vorwand an , eine frühere Angestellte, die Hausdame Miss Kenton zu besuchen, um sie eventuell zu überreden wieder in Darlington Hall zu arbeiten, wo es einen personellen Engpass gibt.

Die Reise durch den Süden Englands bildet quasi den Rahmen der Geschichte, in deren Verlauf wir die Erinnerungen des Icherzählers Stevens reflektieren. Stevens ist der geborene Butler mit höchsten Ansprüchen an sich selbst, der eigene Befindlichkeiten stets zurückstellt und schon fast gefühlskalt wirkt. Seine absolute Loyalität gehört seinem Arbeitgeber, und er stellt diesen auch nie in Frage. 

Aus politischen Diskussionen hält er sich raus. Als sein Vater während einer Schicht stirbt, geht die Arbeit vor. Privates Glück steht nicht zur Diskussion. Doch wenn man im Nachhinein dann auf sein Leben zurückblickt, kann man dann wirklich sagen, dass es ein glückliches Leben war, oder hat man es vielleicht sogar vergeudet?

Dieses sehr ruhige Buch hat keinerlei Spannungsbogen, bietet aber viel Stoff zum Nachdenken. Der knochentrockene Mr Stevens ist ein Butler, wie es ihn heute wohl kaum mehr gibt. Seine Dienstzeit fällt in eine politisch sehr spannende Zeit 1923 nach dem 1. Weltkrieg, und Lord Darlington pflegte offensichtlich Kontakte zu Nazigrößen. Eine bittersüße Komponente hat die Beziehung von Stevens zur Hausdame Miss Kenton.

Der Schreibstil war etwas antiquiert und gewöhnungsbedürftig, rundete aber den Charakter des Butlers ab und passte einfach perfekt. Stellenweise war mir dieser Klassiker definitiv zu langatmig. Trotzdem bin ich froh mich herangetraut zu haben und habe den Roman alles in allem gerne gelesen.


Gespräche aus der Community zum Buch

Starte mit "Neu" die erste Leserunde, Buchverlosung oder das erste Thema.

Community-Statistik

in 483 Bibliotheken

auf 62 Merkzettel

von 13 Leser*innen aktuell gelesen

Was ist LovelyBooks?

Über Bücher redet man gerne, empfiehlt sie seinen Freund*innen und Bekannten oder kritisiert sie, wenn sie einem nicht gefallen haben. LovelyBooks ist der Ort im Internet, an dem all das möglich ist - die Heimat für Buchliebhaber*innen und Lesebegeisterte. Schön, dass du hier bist!

Mehr Infos

Hol dir mehr von LovelyBooks