Geschichtsbilder im Geschichtsunterricht - Potenziale und Herausforderungen im Umgang mit aktuellen geschichtspolitischen Deutungskämpfen

Geschichtsbilder im Geschichtsunterricht

Potenziale und Herausforderungen im Umgang mit aktuellen geschichtspolitischen Deutungskämpfen

Der Beitrag soll Schüler:innen darin unterstützen, Geschichtsbilder als solche erkennen und analysieren zu können. Die Lernenden untersuchen dazu zwei aktuelle Reden von Wladimir Putin und Wolodymyr Selenskyj auf die darin verwendeten Geschichtsbilder und deren Funktion.

Ein Bücherstapel liegt auf einem Tisch, davor eine Lupe, daneben ein Schwung Briefe, darauf ein Wecker.
© Neirfy/Shutterstock.com
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Arbeitsblatt: Geschichtsbilder in Reden analysieren Reden von Wladimir Putin und Wolodymyr Selenskyj
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Thema Untersuchen & Urteilen
Fach Geschichte lernen
Beitragsart Unterricht (45-90 Min)
Schuljahr 10 – 13
Erwartungshorizont und Tafelbild Geschichtsbilder
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Thema Untersuchen & Urteilen
Fach Geschichte lernen
Beitragsart Unterricht (45-90 Min)
Schuljahr 10 – 13

aus: Geschichte lernen Nr. 208 / 2022

Frühe Kulturen

  • Unterricht (45-90 Min)
  • Schuljahr 10-13
Thema Untersuchen & Urteilen, Neue & Neueste Geschichte Autor/in Steffen Barth Veröffentlicht 19.07.2022 Aktualisiert 25.08.2022

Steffen Barth

Potenziale und Herausforderungen im Umgang mit aktuellen geschichtspolitischen Deutungskämpfen

Am 9. Mai 2022 hielt der russische Präsident Wladimir Putin auf dem Roten Platz in Moskau seine jährliche Rede anlässlich des Sieges der Sowjetunion über den Nationalsozialismus. Er hob dabei besonders den Patriotismus der russischen Soldaten bei der Verteidigung des Vaterlandes während des Zweiten Weltkrieges hervor. Das russische Volk habe damals als geeintes Volk den Triumph über das nationalsozialistische Deutschland gefeiert und im Angesicht des Heldentums dieser „Generation der Sieger sei es die Aufgabe der heutigen Generationen, die russischen Soldaten zu unterstützen, die gegenwärtig im Donbass für die Sicherheit des Vaterlandes kämpften, so wie es die Soldaten damals gegen den Nationalsozialismus taten.
Einen Tag zuvor veröffentlichte der ukrainische Präsident Wolodymir Selenskyj ein Video, ebenfalls zum Gedenken an das Kriegsende 1945. Selenskyj sprach allerdings nicht über den Sieg der Sowjetunion, sondern erinnerte an die Opfer des Krieges, insbesondere auf ukrainischem Territorium, und alles kreiste bei ihm um das „Nie wieder!. Die Schrecken des Krieges, so Selenskyj, hätten zur Erkenntnis geführt, dass es so etwas nie wieder geben dürfe, und doch scheint sich Geschichte zu wiederholen: Die Besatzer sind zurück, die Dunkelheit ist zurück und auch das „Böse ist zurückgekehrt.
Im Ukraine-Krieg 2022 wird nicht nur auf dem Schlachtfeld gekämpft, es wird auch um die Deutung von Vergangenheit gestritten. Geschichte wird als „Waffe, als politisches Kampfmittel (vgl. im Folgenden Wolfrum 2002, S. 5) und als „Mobilisierungsressource genutzt. Sie kann als „Bindemittel dienen, um nationale, soziale oder andere Gruppen zu integrieren, durch sie kann das eigene Handeln legitimiert und durch sie kann der Gegner diffamiert werden. Dies zeigt sich auch in den Ansprachen von Wolodymyr Selenskyj und Wladimir Putin. Beide vermitteln öffentlich eine Interpretation von Geschichte, ein bestimmtes Geschichtsbild, und zwar in der Absicht politische Legitimation und politische Mobilisierung zu erreichen. Sie betreiben Geschichtspolitik, weil in politischer Absicht „Geschichtsbilder formuliert und popularisiert (Wolfrum 2002, S. 7) werden. Ziel des vorliegenden Beitrags ist es, Wege aufzuzeigen, wie Geschichtsbilder und ihre geschichtspolitische Nutzung im Unterricht thematisiert werden können.
Was sind Geschichtsbilder?
Geschichtsbilder sind nach Jeismann „gefestigte Vorstellungen und Deutungen der Vergangenheit mit tiefem zeitlichem Horizont, denen eine Gruppe von Menschen Gültigkeit zuschreibt (Jeismann 2002). In unserem Beispiel sind dies Vorstellungen von einem geeinten russischen Volk im Kampf gegen den Nationalsozialismus bei Putin bzw. die Erinnerung an den Zweiten Weltkrieg als Zeit der brutalen Besatzungsherrschaft und der zivilen Opfer in der Ukraine durch Selenskyj.
Darüber hinaus zeichnen sich Geschichtsbilder durch weitere Merkmale aus: Geschichtsbilder
  • beinhalten einen Kern vermeintlich sicheren historischen Wissens (Daten, Bilder, Zusammenhänge etc.)und sind zugleich relativ faktenarm,
  • sind von starker Perspektivität geprägt und häufig hoch selektiv,
  • sind sehr urteilsfreudig (Sach- und Werturteile) und gefühlsstark,
  • können der Orientierung und Stabilisierung von Identitäten dienen, handlungsleitend für die Gegenwart wirken und politisch instrumentalisiert werden (nach Jeismann 2002).
Alle genannten Merkmale finden sich in den beiden Textausschnitten (M1/M2, für die Zuordnung s. Erwartungshorizont Material), mit Ausnahme des dritten Merkmals. Die Perspektivität ist deutlich erkennbar: Während Putin allein die russische Perspektive einnimmt und aus dieser Sicht…
Friedrich+ Geschichte

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