Robert Blum und der erste deutsche 9. November - Demokratiegeschichten
Demokratiegeschichten

Robert Blum und der erste deutsche 9. November

Er starb für die Freiheit – aber „seiner eingedenk“ ist heute fast niemand mehr.

Rede des Bundespräsidenten zur Einweihung des Robert-Blum-Saals am 09.11.2020

Viele Reden könnte Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier zum Jahrestag des 9. Novembers halten. Denn an diesem Tag, der auch als Schicksalstag der Deutschen bezeichnet wird, ist viel passiert. 1989 – Fall der Berliner Mauer, 1938 – Reichspogromnacht, 1923 – Hitlerputsch, 1918 – Ausrufung der ersten deutschen Republik.

Doch ein Datum fehlt in der obigen Aufzählung. Und damit im Zusammenhang steht Steinmeiers Beobachtung, dass die Erinnerung daran fast vergessen ist. Denn am 9. November 1848, von vielen vergessen, wurde Robert Blum hingerichtet. Sein Tod markierte den Anfang vom Scheitern der Revolution 1848/49.

„Erschossen wie Robert Blum“

Wer also war der Mann, nach dem seit letztem Jahr ein Saal im Schloss Bellevue benannt ist?

Robert Blum starb am 9. November 1848 auf einer Kirmeswiese in Brigittenau im Norden von Wien. Normalerweise erzählt man die Geschichte eines Menschen von vorn. Doch das Sprichwort „Erschossen wie Robert Blum“, das heute zumindest manchen noch bekannt ist, wird im 19. Jahrhundert zu einem geflügelten Wort. Der Ausdruck bezeichnet ein besonders großes oder schlimmes Missgeschick.

Was aber hat die Hinrichtung eines Mannes in Wien mit dem Scheitern der deutschen 1848er-Revolution zu tun?

Abgeordneter der Paulskirche

Robert Blum war Abgeordneter der Frankfurter Nationalversammlung. Dort zählte er zu den bekanntesten linksliberalen Abgeordneten – vielleicht war er sogar der bekannteste. Die von ihm begründete Fraktion des Deutschen Hofes setzte sich für die Errichtung einer parlamentarisch-demokratischen Republik ein. Damit standen sie beispielsweise im Gegensatz zu Fraktionen des rechten und linken Zentrums, die eine konstitutionelle Monarchie mit Parlament einführen wollten.

Frankfurter Nationalversammlung Mitte des Jahres 1848 während einer Rede Robert Blums, als er vom Parlamentspräsidenten zurechtgewiesen wird; Gemälde von Ludwig von Elliott.

Blum selbst griff wiederholt auch radikaldemokratische Forderungen auf. Deren Vertreter hatten es nicht geschafft, in die Nationalversammlung gewählt zu werden. Trotz aller Sympathie verurteilte Blum aber den gewaltsamen Umsturzversuchs ihres prominenten Vertreters Friedrich Heckers entschieden. Dessen Handeln, so Blum, werde der Revolution nur schaden.

Fast schon ironisch scheint es da, dass beide Revolutionäre 1848 an Kampfhandlungen beteiligt waren, in deren ihre Seite scheiterte. Und noch seltsamer, dass es Hecker war, der unbeschadet daraus hervorging.

Ein Publizist im Professorenparlament

Als Professorenparlament ging die Frankfurter Nationalversammlung in die Geschichte ein. Der Grund dafür war, dass viele der Abgeordneten aus dem akademisch gebildeten Bürgertum stammten. Sie waren beispielsweise als Beamte, Richter, Professoren und Lehrer tätig. Im Vergleich dazu war die Zahl der Gewerbetreibenden und Landwirte unter den Abgeordneten gering.

Robert Blum wurde 1807 in Köln geboren. Er wuchs in ärmlichen Verhältnissen auf; anstatt länger zur Schule zu gehen, musste er eine Handwerksausbildung machen. Doch die Tätigkeit des Gelbgießers erfüllt Blum nicht. Er begann, sich autodidaktisch weiterzubilden und begann mit dem Schreiben. So gelang es ihm, eine Stelle als als Theatersekretär zu erhalten. 1831 kam er in dieser Funktion nach Leipzig.

Wie genau Blums Politisierung begann ist unklar. Tatsache ist aber, dass er in den frühen 1840er Jahren begann, sich immer mehr politisch zu engagieren. In seiner Zeitschrift Sächsische Vaterlands-Blätter eröffnete er immer wieder Diskussionen zu aktuellen Fragenstellungen. Dadurch bot er auch ersten politisch aktiven Frauen wie Louise Otto-Peters eine Plattform, Kritik an der Obrigkeit zu nehmen und Reformen einzufordern. Bald schon wurde die Zeitung in weiten Teilen Deutschlands verboten. Blum wurde zudem in Sachsen überwacht sowie mit restriktiven Maßnahmen belegt. Einmal verbrachte er zwei Monate in Haft. Außerdem verhinderte die sächsische Regierung unter anderem seine Wahl zum Leipziger Stadtrat. Doch die steigende Popularität von Blum befeuerte das eher.

1845: Blums Bekanntheit wächst


Robert Blum, Gemälde von August Hunger, zwischen 1845 und 1848.

Einen „endgültigen Durchbruch“ für Robert Blum brachte das Jahr 1845. Im August 1845 kam es in Leipzig zu Protesten gegen den Besuch des sächsischen Prinzen Johann. Weil die versammelte Menge es nicht beim Singen von deutsch-Nationalen Liedern beließ, sondern Steine gegen das Hotel des Prinzen warf, kam das Militär zum Einsatz. Statt der Stadtwache erschien jedoch das königliche Militär, dass in die Menge schoss. Bei dieser Salve und den anschließenden Unruhen kamen mehrere Menschen zu Tode. Blum, der an diesem Tag in Dresden weilt, reiste umgehend nach Leipzig zurück. Schon am nächsten Tag forderte er stellvertretend für die aufgebrachte Bevölkerung eine Aufklärung der Unruhen und die ehrenvolle Bestattund der Toten. Durch sein Wirken beim sogenannten „Leipziger Gemetzel“ war Blums Name erstmals landesweit in aller Munde.

Im selben Jahr verlegte Adam von Itzstein das Treffen des Hallgartenkreises nach Leipzig zu Blum. Gemeinsam erarbeiteten die Beteiligten eine Petition für eine modernere Verfassung für alle deutschen Teilstaaten und ein deutsches Staatsbürgerrecht, die sie beim Sächsischen Landtag einreichten. Blum, der über von Itzstein zahlreiche Kontakte unter den Liberalen geknüpft hatte, wurde nur ein Jahr später zum Organisator der Norddeutschen Demokraten bestimmt.

Blum 1848 – Von Frankfurt nach Wien

Kein Wunder, dass ein so populärer Liberaler und Demokrat wie Robert Blum an den Geschehnissen in Frankfurt beteiligt war. Dort war Blum zunächst Teil des Vorparlaments und des sogenannten Fünfzigerausschusses, der die Nationalversammlung vorbereiten sollte. Welche Fraktion er dort unterstützte, ist bereits oben beschrieben.

Wie also kam Blum nach Wien?

In Wien stiegen die Menschen im Oktober 1848 abermals auf die Barrikaden. Kaiserliche Truppen, die einen Aufstand in Ungarn niederschlagen sollten, waren von sympathisierenden Wiener:innen am Abzug gehindert worden. Daraufhin hatten sich die Soldaten stattdessen gegen diese gewandt, ein mehrtägiger Straßenkampf brach aus.

Robert Blum als Kämpfer in Wien, Lithografie von Louis Schmitt, 1849.

Als diese Ereignisse in Frankfurt bekannt wurden, sprach Blum sich für eine symbolische Unterstützung der Aufständischen aus. Mit einer Delegation Abgeordneter reiste er nach Wien, um eine Solidaritätsnote zu überbringen.

Doch bei der Übergabe blieb es nicht. Blum hielt eine flammende Rede für die Revolution und schloss sich anschließend gemeinsam mit Julius Fröbel einer Miliz an. Im Zuge der Straßenkämpfe wurde er von kaiserlichen Truppen festgenommen und eingesperrt.

Blums letzte Worte

Auch seine Immunität als Abgeordneter konnte Robert Blum nicht retten. Wenige Tage nach seiner Verhaftung wurde er in einem Schauprozess zu Tode verurteilt. Bald darauf wurde Blum hingerichtet. Sowohl Priestergespräch als Augenbinde lehnte er ab. Seine letzten Worte lauteten:

„Ich sterbe für die Freiheit, für die ich gekämpft. Möge das Vaterland meiner eingedenk sein.“

Der Tod Robert Blums; Carl Steffeck zugeschrieben, 1848/49.

Blums Tod und der Sieg der Restauration in Wien waren ein starker Rückschlag für die Revolution 1848. Trotzdem schien Blums Tod der Revolution kurz Aufschwung zu geben. In den deutschen Ländern war die Empörung über seinen Tod groß, Forderungen nach Gerechtigkeit wurden laut.

Doch auch dieser Impuls konnte nicht verhindern, dass die Revolution 1849 scheiterte. Zumindest vorerst.

Als Märtyrer der Revolution ging Robert Blum in die Erinnerung der Arbeiterbewegung ein. Doch im 20. Jahrhundert geriet er allmählich in Vergessenheit.

Bis die Kulturpolitik der DDR versuchte, ihn für sich zu vereinnahmen. Dagegen wandte sich der Bundespräsident Gustav Heinemann. 1970 bat er um Gerechtigkeit für Robert Blum, 1973 initiierte er den Geschichtswettbewerb des Bundespräsidenten. Dessen erstes Thema: Die Revolution von 1848.

Heute erscheint die im Titelbild abgebildete Briefmarke in der Serie „Aufrechte Demokraten“.

Artikel Drucken
Über uns 
Annalena B. arbeitet bei Gegen Vergessen - Für Demokratie e.V. als Projektkoordinatorin im Bereich Demokratiegeschichte.

0 Kommentare

Kommentar schreiben

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert