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Aktueller Online-Flyer vom 13. Dezember 2023  

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Inland
Christian Wulff in der Tradition von Adenauer, Kohl, Sp�th und Streibl
Also warum diese Aufregung?
Von Hans Fricke

In seiner Amtszeit als niedersächsischer Ministerpräsident hat Bundespräsident Christian Wulff sich angeblich von der befreundeten Unternehmer-Gattin Edith Geerkens für den Kauf seines Eigenheimes einen Kredit in Höhe von 500.000 Euro zu einem Zinssatz von nur vier Prozent geben lassen. Dass er dem Landtag gegenüber eine geschäftliche Beziehung zu dem Unternehmer Egon Geerkens verschwieg, von dem er tatsächlich der Kredit bekommen haben soll, und sich jetzt damit  herausredet, es sei ein Privatkredit und keine geschäftliche Beziehung gewesen, gehört zur Trickserei und Täuschung der Öffentlichkeit, die wir mittlerweile von Politikern gewöhnt sind, deren Vorteilsnahmen bekannt wurden.

Cartoon: Kostas Koufogiorgos
 
Belohnungen oder Geschenke in Bezug auf ihr Amt dürfen die Mitglieder der niedersächsischen Landesregierung nicht annehmen. So steht es im Paragraf 4 des niedersächsischen Ministergesetzes, dessen Einhaltung die Staatskanzlei in Hannover und damit letzten Endes der Ministerpräsident selbst zu überwachen hat. Als dieser vor zwei Jahren wegen der kostenlosen Sitzplatzhöherstufung beim Flug in die US-Villa seines heimatlichen Millionärsfreundes Geerkens befragt wurde, erklärte er im niedersächsischen Landtag: Objektiv liege eine Vorteilsnahme vor, aber nicht subjektiv. Deutschen Staatsanwälten reichte diese "Argumentation", auf die man erst einmal kommen muss.
 
Und nun wird gerade mal zwei Jahre später die "Eigenheim-Zulage" des Millionärs Geerkens bekannt. Kein Wunder, dass das Echo darauf in den Medien und selbst in CDU-Kreisen durchweg kritisch ausfällt. Der Tenor lautet: rechtlich nicht zu beanstanden, aber politisch instinktlos und moralisch anrüchig. Inzwischen wabbern schon jede Menge Gerüchte, dass der Geerkens-Kredit womöglich nicht das Ende der Fahnenstange ist, und auch unter Christdemokraten lässt sich die Frage, welche unappetitlichen Details noch aufschwimmen könnten, schwer verdrängen.
 
Wulffs Kreditgeschäfte sollten uns daran erinnern, dass die Geschichte der Bundesrepublik Deutschland auch eine Geschichte von Korruption, Bestechlichkeit, Vorteilsnahme, Verletzungen von Gesetzen und des Grundgesetzes durch Politiker, darunter Ministerpräsidenten und selbst Bundeskanzler ist. Die Kette reicht von der Regierung Adenauer über Kohl bis Merkel. Insofern ist Christian Wulff keine Ausnahme. Er ist, wie der Vorsitzende der Linksfraktion im niedersächsischen Landtag, Manfred Sohn, sagt: "Teil der dummdreisten Mischpoke, die sich in der Politik herauskristallisiert hat. Da gehört es einfach dazu, dass man sich von den wirklich Mächtigen in Ferienhäuser oder auf die Privatjacht einladen oder private Flugreisen sponsern lässt. Ich vermute, man kann in dieser Republik gar nichts werden, wenn man nicht bereit ist, Teil dieser Mischpoke zu werden.


Adenauer und Bankier Pferdmenges 1960
Quelle: http://commons.wikimedia.org/Bundesarchiv
 
Das "Trio Capitale", bestehend aus dem Bankier Pferdmenges, Adenauer und dem Präsidenten des Bundesverbandes der Deutschen Industrie, Fritz Berg - in ihrem Schlepptau die Unternehmerverbände - schloss bereits 1949, ein halbes Jahr vor der ersten Bundestagswahl, das "Pyrmonter Abkommen". Danach hatten die Mitgliedsfirmen insgesamt vier Millionen DM aufzubringen, die streng zentral und planwirtschaftlich nach dem Schlüssel 65-25-10 Prozent auf CDU, FDP und die rechte Deutsche Partei (DP) aufgeteilt wurden. Diese nicht für die Öffentlichkeit gedachte Aktion wurde damals auch mit Hilfe des linken Flügels der SPD aufgedeckt und dokumentiert.
 
Unter Führung von Pferdmenges, der seit 1951 auch Vorsitzender des Bundesverbandes deutscher Banken war, wurden die Methoden des Politikkaufs in den Folgejahren weiterentwickelt. Das Gespann Pferdmenges/Berg ließ sich immer wieder Neues einfallen, um käufliche Parteien und Politiker mit dem notwendigen Geld auszustatten. Auch wurde mit dem Geld direkt in Regierungsgeschäfte und Parteientscheidungen eingegriffen. So strichen die Kölner Zahlmeister dem nordrhein-westfälischen Landesverband der FDP 1956 alle Zuwendungen, als diese mit der SPD ein sozialliberales Bündnis einging. Das Geld floss erst wieder, als der Hardliner Graf Lambsdorff als FDP-Landesvorsitzender dem Experiment ein Ende setzte.
 
Öffentlich Rechenschaft ablegen?
 
In das Grundgesetz war 1949 der Artikel 21 aufgenommen worden, der die Parteien verpflichtete, über die Herkunft ihrer Gelder öffentlich Rechenschaft abzulegen. Die nähere Regelung, wie die öffentliche Rechenschaft auszusehen habe, sei der Bundesgesetzgebung überlassen, heißt es weiter im Artikel 21 (3). Doch Adenauer, Pferdmenges, Berg & Co, die allgemeinen demokratischen Formeln mit auffälliger Begeisterung zustimmten, verhinderten die gesetzliche Ausführung dieser Vorschrift. Sie begingen von Anfang an bedenkenlos Verfassungsbruch.
 
Willi Eichler stellte auf dem SPD-Wahlkongress 1953 fest: "Die bespendeten Parteien sind damit vorwiegend Hilfstruppen des Unternehmertums, nicht aber unabhängige politische Körperschaften, wie sie nach Artikel 21 des Grundgesetzes bei der politischen Willensbildung des Volkes mitwirken.
 
Spiegel-Herausgeber Rudolf Augstein urteilte später: "Die Protokolle des CDU-Bundesvorstandes 1950-1953 belegen klar, das wichtigste Ziel aller Sitzungen, an denen Adenauer teilnahm, war es, das Wahlgesetz entweder zu ändern oder zu umgehen und dabei gleichzeitig illegale Geldspenden zu erschließen, die nach dem Grundgesetz verboten waren." (1)
 
Dass die Nachfahren des "Trio Capitale" diese Politik ohne Hemmung fortgesetzt haben, zeigt die Anfang der 1980er Jahre bekannt gewordene Parteispendenaffäre (Flick-Affäre), in deren Ergebnis Rainer Barzel (CDU) 1984 vom Amt des Bundestagspräsidenten zurücktrat. Die früheren Bundeswirtschaftsminister Hans Friedrichs und Otto Graf Lambsdorff (beide FDP) wurden 1987 wegen Steuerhinterziehnung verurteilt.
 
Kohls "geistig-moralische Wende"
 
Zu einer weiteren Parteispendenaffäre kam es ab November 1999 im Zusammenhang mit nicht offen gelegten Spenden an die CDU in der Ära Helmut Kohl, der bei seinem Amtsantritt als Bundeskanzler eine "geistig-moralische Wende" in Deutschland vollmundig angekündigt hatte. Ein Ermittlungsverfahren gegen Kohl wegen des Verdachts der Untreue wurde 2001 - wie konnte es anders sein? - gegen Zahlung einer Geldbuße eingestellt. Im Zuge dieser Affäre trat Wolfgang Schäuble 2000 als Partei- und Fraktionsvorsitzender der CDU zurück.
 
Dass Christian Wulff nicht der erste und einzige Politiker mit einer prekären Nähe zu freigiebigen Freunden im finanziellen und wirtschaftlichen Establishment dieser Republik ist, beweisen folgende Beispiele:
- Max Streibl (CSU), langjähriger bayrischer Innenminister und Nachfolger von Franz-Josef Strauss als Ministerpräsident, musste im Mai 1993 nach Bekanntwerden der "Amigo"-Affäre zurücktreten.
-Cem Özdemir war innenpolitischer Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion, als ihn 2002 ein Kredit des PR-Unternehmers Moritz Hunzinger in Höhe von 80.000 Mark zu angeblich marktüblichen Zinsen zum Rücktritt zwang.
-Rudolf Scharping, früherer Bundesverteidigungsminister und SPD-Parteichef: Auch er bewegte sich im Dunstkreis Hunzingers. Ihm überwies der Lobbyist gar 140 000 Mark - 80.000 angeblich als Vorab-Honorar für Scharpings Memoiren, den Rest für Vorträge. Bundeskanzler Gerhard Schröder hatte die Nase voll von seinen Eskapaden und entließ den ohnehin angeschlagenen Minister im Jahr 2002.
- Gerhard Glokowski (SPD), 1998 Schröders Nachfolger als Ministerpräsident, gab ein Jahr später sein Amt wieder ab. Er hatte sich u.a. seine Hochzeitsfeier von Brauereien und einer Kaffeerösterei sponsern lassen und private Reisen teils verspätet und teils dienstlich abgerechnet. Ein Sonderermittler stellte "schwere Verfehlungen" fest.
-Lothar Späth (CDU) trat 1991 nach 13 Jahren als Ministerpräsident von Baden-Württemberg zurück. Grund waren Urlaube, Reisen und auch ein Flug mit der Concorde nach Martinique, die aus der Industrie bezahlt waren. Die "Bild"-Zeitung kührte ihn zum "Nassauer des Jahres". Im gleichen Jahr wurde dieser langjährige politische Weggefährte Helmut Kohls Vorstandschef bei Jenaoptik, den früheren Zeiss-Werken in Jena, was keines Kommentars bedarf.
- Michael Braun (CDU) trat erst kürzlich als Berliner Justizsenator zurück. Er hatte, so der Vorwurf, als Notar seine Hände im Vertrieb von Schrottimmobilien und so das Absahnen und Abzocken etwas übertrieben.
 
"Seine Moral ist die Moral des Landes"
 
Unter der Überschrift "Wulffs Geheimnis, Amt und Kredit" kritisiert Andreas Kilb in der Frankfurter Allgemeinen vom 13.12.2011, dass der amtierende Bundespräsident den Wechsel seines Kreditgebers wenige Monate vor seiner Wahl ins Amt als staatsbürtgerliche Normalität ausgab. Wenige Tage nachdem er - noch Ministerpräsident im niedersächsischen Landtag - seine Schuldnerschaft gegenüber seiner Kreditgeberin verschwiegen hatte, so Kilb weiter, "ging er zur Stuttgarter BW-Bank und löste den Geerkens-Kredit, der noch fünf Jahre weitergelaufen wäre, durch ein offizielles Bankdarlehen ab. Drei Monate später wurde er Bundespräsident. Nun hat, wie man sieht, das eine mit dem anderen, das Geld mit dem Amt nicht direkt zu tun. Aber der deutsche Bundespräsident ist eben mehr als ein Karrierepolitiker, er ist, wie Kaiser und Papst im Mittelalter, der oberste Repräsentant des Staates und der Gesellschaft, denen er vorsteht. Seine Moral ist die Moral des Landes. Wenn er einen Kredit, der einen üblen Geruch hat, auf Nachfrage vertuscht, aber kurz darauf in aller Eile ehrbahr macht, um beizeiten als Bundespräsident wählbar zu sein, fällt auf das Amt ein Schatten, den auch Tizian nicht als malerisch empfunden hätte".
 
Vor diesem Hintergrund verdient die brisante Rede von Erwin Teufel, bis 2005 Ministerpräsident von Baden-Württemberg vor der Seniorenunion in Berlin besondere Beachtung. Sie wurde am 02.08.2011 unter der Überschrift "Ich schweige nicht länger" in der Frankfurter Allgemeine dokumentiert. (2) An den Vorwürfen, die er seiner Partei, der CDU, macht und die ihn zu der Feststellung veranlasst: "Die Lage der CDU ist ernst", hat auch Christian Wulff einen entscheidenden Anteil, denn er war in der Zeit der Großen Koalition nicht nur niedersächsischer Ministerpräsident, sondern auch stellvertretender CDU-Vorsitzender und als solcher aktiv daran beteiligt, die gesetzliche Rentenversicherung sturmreif zu schießen.
 
Manfred Sohn erklärte dazu in junge Welt vom 14.12.2011: "Er (Christian Wulff) war auch Teil des Komplotts, mit dem die gesetzliche Rentenversicherung in Deutschland zerschlagen und teilweise durch die unseligen Riester- und Rürup-Modelle ersetzt wurde. Dadurch wurden Milliardensummen auf die Konten von Vermögensberatern und privaten Lebensversícherern umgeleitet. Einer der Hauptprofiteure ist der Hannoveraner Finanzunternehmer Carsten Maschmeyer - ein Duzfreund des Bundespräsidenten. Meine Fraktion hat das im Landtag mit mehreren Kleinen und Großen Anfragen thematisiert. Gegen Maschmeyer wird jetzt übrigens in Österreich wegen Betruges ermittelt."
 
Leistungsträger können sich alles leisten
 
Es hat den Anschein, dass mit Christian Wulff eine neue Mentalität ins Schloss Bellevue eingezogen ist, die sich so zusammenfassen lässt: Wir sind Leistungsträger, also können wir uns alles leisten. Wulff repräsentiert eine sogenannte Elite, die Gier für Leistung ausgibt und Gleichgültigkeit gegenüber Verelendung als Sozialpolitik.
 
Nach Auffassung von Arnold Schölzel in junge Welt vom 14.Dezember 2011 sind es "Aufsteiger wie er, die den Kampf gegen Armut als Kampf gegen Arme führen und die aus ihrem parasitären Status bei den Betuchten der Republik keinen Hehl machen. Wulff unterzeichnete am 25. März rückwirkend zum Jahresbeginn die sogenannte Hartz-IV-Reform, die jeden Betroffenen mit fünf Euro verhöhnt und das Bundesverfassungsgericht, das eine erhebliche Leistungserhöhung verlangt hatte, gleich mit".
 
Zusammenfassend meine ich, das sich Christian Wulff selbst die Frage stellen sollte, ob er als Bundespräsident noch tragbar ist. Was mich angeht, so verfügt er nicht über die persönliche Integrität, die ein Bundespräsident haben muss. Aus dieser Affäre kann man sich nicht mehr mit juristischen Spitzfindigkeiten und trickreicher Wortklauberei herausreden. Notwendig sind jetzt saubere Entscheidungen, die verhindern, dass das hohe Amt des Bundespräsidenten im In- und Ausland weiteren Schaden erleidet. (PK)
 
 
(1) Hans Fricke, "Eine feine Gesellschaft - Jubiläumsjahre und ihre Tücken - 1949 bis 2010, GNN-Verlag, ISBN 978-3-89819-341-2
(2) http://www.faz.net/aktuell/politik/inland/erwin-teufel-ich-schweige-nicht-länger-11105997.html


Online-Flyer Nr. 333  vom 21.12.2011

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