Es ist ein Brief voller Eiseskälte. Er ist aber auch geprägt von tiefer Enttäuschung und Resignation. Das zweiseitige Schreiben, dass dem Magazin BUNTE vorliegt, dokumentiert, wie die Fehde innerhalb Helmut Kohls Familie eskalierte – und wie es tatsächlich zum endgültigen Bruch zwischen dem Vater und seinen Söhnen kam. Von Martin Heidemanns
Der Altkanzler schickt Sohn Peter, 58, den Brief am 10. August 2011 per Telefax. An diesem Tag hatte er morgens um 7.57 Uhr eine Mail von Peter erhalten, in der sich der Sohn darüber beschwert, dass ihm am 5. Juli – am zehnten Todestag von Mutter Hannelore – der Eintritt in sein Elternhaus verwehrt worden sei. Er wirft dem Vater zudem vor, dass der an diesem Tag nicht das Grab seiner ersten Frau besucht habe. In der Mail kündigt er sogleich seinen Besuch für den nächsten Tag an.
Die Antwort des Vaters ist unmissverständlich. Er teilt mit: „Ich möchte Dich morgen nicht sehen. Ich möchte Dich auch bitten, eine derart unwürdige Szene wie am Todestag Deiner Mutter weder morgen noch an anderen Tagen jemals wieder an meiner Haustür aufzuführen. Ich habe mich für meine Söhne geschämt.“ Das Verhältnis zwischen dem Vater und seinen Söhnen ist zu dieser Zeit schon lange belastet. „Denen geht es immer nur ums Geld“, soll der Altkanzler laut Freunden geklagt haben.
In seinem Brief an Sohn Peter fährt der Einheitskanzler fort: „Wie stellst Du Dir das eigentlich vor, dass ich hier mit meiner Frau sitze und pausenlos Eure Attacken anhören muss und gleichzeitig Euch treffen soll – wozu das Ganze? (...) Wenn Ihr jetzt meint, Ihr müsst mich anklagen, vor allem alles öffentlich machen und mein Privatleben verkaufen – und dann auch noch Maike, die ich liebe, mit hineinzieht, dann kann ich nur den Kopf schütteln. (...) Solange Ihr über mich so redet, und meine Frau, die ich liebe, gibt es keinen Kontakt. Darüber sollten Du und Dein Bruder einmal nachdenken.“
Geld-Gier der Kohl-Söhne
Bis zum Tod des Altkanzlers am 16. Juni 2017 bleibt das Verhältnis zu seinen Söhnen zerrüttet. Über die Gründe für das Zerwürfnis wird bis dahin öffentlich kaum etwas bekannt. Neue Einblicke ist das Familienleben der Kohls gibt jetzt der Journalist Kai Diekmann, 58, in seiner Biografie. Der ehemalige Chefredakteur der „Bild“ galt mehr als 20 Jahre als einer der engsten Vertrauten von Helmut Kohl. Diekmann glaubt, so schreibt er, dass es die Gier der Kohl-Söhne nach Geld war, die das Verhältnis zu ihrem Vater zerstört habe. Walter und Peter Kohl hätten in ihrem Vater eine Art „Gelddruckmaschine“ gesehen.
Walter Kohl, 59, wehrt sich gegen die Vorwürfe, prüft rechtliche Schritte und erklärt: „Viele Darstellungen Kai Diekmanns sind falsch.“ Tatsache jedoch ist, dass es immer wieder Auseinandersetzungen um die Finanzen gab. Über seine Rechtsanwältin macht Sohn Peter am 2. September 2015 gegenüber Helmut Kohl Pflichtteilansprüche aus dem Erbe seiner Mutter geltend und gibt an, man habe ihm einen Erbvertrag vorenthalten. Er klagt vor dem Landgericht Frankenthal.
- Lesen Sie auch: Heiz-Hammer und seine Folgen - Politik-Experte sieht „Selbst-Entzauberung“ der Spitzen-Grünen
„Nur die kalte Hand übergibt“
Helmut Kohls Rechtsanwalt schreibt in der Klageerwiderung, Sohn Peter habe bereits am 5. November 2000 von seiner Mutter – ein halbes Jahr vor deren Tod – Wertpapiere in Höhe von 400 000 D-Mark bekommen. Diese Schenkung müsse auf den Pflichtteil angerechnet werden. Schenkungen gingen auch an Sohn Walter. Zusätzlich habe auch Helmut Kohl seinen Söhnen Wertpapiere geschenkt. Der Altkanzler soll damals gegen diese Schenkungen gewesen sein. „Nur die kalte Hand übergibt“, sagt er laut Erinnerungsprotokoll seines Steuerberaters. Ehefrau Hannelore soll erwidert haben: „Dann mache ich es eben allein.“ Gegenüber dem Magazin „Spiegel“ erklärte Walter Kohl: „Die Schenkungen, die wir vor dem Suizid meiner Mutter erhalten haben, entsprangen ihrer Sorge, im Zuge der Parteispendenaffäre alles verlieren zu können.“
Zwischen März 2002 und März 2004 soll Kohl seinem Sohn Walter weitere 200 000 D-Mark geschenkt haben. In Summe – so rechnet Kohl-Freund Diekmann in seiner Biografie vor – seien auf diese Weise 1,15 Millionen D-Mark an die Söhne geflossen. Angeblich ein Drittel des Vermögens der Eheleute Kohl. Walter Kohls Anwalt bezeichnet die Einordnung von Schenkungen und des Erbvertrags in Diekmanns Buch als „unzutreffend“, nennt aber keine Einzelheiten. Der rechtlichen Auseinandersetzung über das Buch solle nicht vorgegriffen werden.
Zur Aussprache sollte es nie mehr kommen
Im Februar 2008 stürzt Helmut Kohl in seinem Haus, liegt mit lebensgefährlichen Verletzungen in der Klinik. Währenddessen mischt sich Kohls zweite Ehefrau Maike, 59, in die Auseinandersetzungen ums Geld ein. Sie bittet die Söhne – angeblich auch im Namen des Vaters – ihre Versicherungszahlungen in Zukunft selbst zu begleichen. Für Walter und Peter ist das ein Affront. „Du kannst es wirklich nicht mehr erwarten, uns loszuwerden“, schreibt Walter zurück. Auch als Helmut Kohl mit einem Schädel-Hirn-Trauma in der Klinik liegt, bleibt eine Annäherung oder Versöhnung aus. Kai Diekmann schreibt in seiner Biografie: „Ganz offensichtlich geht es den Brüdern so gar nicht um den Vater, um die Frage, ob er überlebt und wenn ja, wie, sondern ausschließlich um ihr eigenes materielles Wohlergehen.“
„Das ist eine zynische und unwahre Unterstellung“, erklärt Walter Kohl gegenüber dem „Spiegel“. „Mein Bruder und ich haben zusammen mit unseren Familien unseren Vater oft im Krankenhaus besucht. Schon dort begann die Isolierung meines Vaters durch seine neue Lebensgefährtin Maike.“
Anfang Januar 2009 – so Diekmann in seinem Buch – soll Sohn Walter seinem Vater in einem langen Brief heftige Vorwürfe gemacht haben: In harschen Worten verlangt er eine klärende Aussprache und beschuldigt seinen Vater, die Beziehung zu Maike schon vor dem Selbstmord der Mutter begonnen zu haben.
Zu diesem Gespräch sollte es nie kommen.
Ich war BILD: Ein Leben zwischen Schlagzeilen, Staatsaffären und Skandalen
Bleiben Sie auf dem Laufenden, was in der Welt der Stars & Royals passiert – hier können Sie den Newsletter „BUNTE Inside - News aus der Chefredaktion“ abonnieren!