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Weizsäcker und sein geheimes Atombomben-Patent

Er galt als Friedensfürst und Atomwaffengegner, doch der geniale Physiker Carl Friedrich von Weizsäcker hat 1941 selbst ein geheimes Patent für eine Plutonium-Bombe angemeldet.

Am liebsten wäre es ihm gewesen, alles, was vor 1945 lag, dem Vergessen anheimzugeben. Damit war Carl Friedrich von Weizsäcker unter den Deutschen nicht allein. Der geniale Physiker allerdings, der 2007 starb, gefeiert und über Wochen betrauert, hatte für die Verdrängung der Vergangenheit besondere Gründe.

In den Nachkriegsjahrzehnten galt er in Wissenschaftskreisen und weit darüber hinaus als Friedensfürst, Warner vor der atomaren Gefahr und unanfechtbare moralische Autorität. Von dem, was an Irrungen und Wirrungen davor lag, war dieser Tage in der American Academy am Berliner Wannsee zu hören. Es war aufschlussreich und wenig erbaulich.

Professor Wolf Schäfer, heute an der renommierten Stony Brook University auf Long Island lehrend, hat im Starnberger Institut zur Erforschung der Lebensgrundlagen der technisch-industriellen Gesellschaft – eine Einrichtung der Max Planck Gesellschaft, meist als Weizsäcker/Habermas-Institut abgekürzt – seine wissenschaftliche Karriere begonnen.

Weizsäcker führte Protest gegen Atomwaffen an

Sein Interesse galt beidem, der militärischen Nuklearforschung vor 1945 und der Entwicklung der friedlichen Nutzung der Kernenergie seit den frühen Fünfzigerjahren. Weizsäcker spielte im einen wie im anderen Fall eine Schlüsselrolle, das erste Mal verborgen, das zweite Mal offen.

1956 hatte die Suezkrise, als die Amerikaner Briten und Franzosen nukleare Abschreckung verweigerten, viele europäische Staaten nach nationaler nuklearer Abschreckung suchen lassen. Frankreich und die Bundesrepublik verhandelten ein geheimes Abkommen über nukleare Studien in der algerischen Wüste, das allerdings die Rückkehr des Generals de Gaulle nach Paris nicht überlebte.

Ein Jahr später war es Carl Friedrich von Weizsäcker, der den Protest von 18 deutschen Kernphysikern gegen Atomwaffen in nationaler Regie anführte – auf die ohnehin vier Jahre zuvor Kanzler Adenauer verzichtet hatte. Schäfer: „Von Weizsäcker, Heisenberg und andere… unterzeichneten die Göttinger Erklärung im öffentlichen Bewusstsein nicht als die ersten Atomphysiker Hitlerdeutschlands, sondern als führende Wissenschaftler Westdeutschlands“.

Die Abschreckungs-Strategie war nicht seine Sache

Wie auch immer: Seitdem war Weizsäcker eine übergroße Figur, wurde zweimal als möglicher Bundespräsident ins Gespräch gebracht und spielte noch in der letzten großen Ost-West-Krise über die nuklearen Mittelstreckensysteme der Sowjets eine prominente und den Protest gegen Nato, USA und Helmut Schmidt legitimierende Rolle. Die Strategie der Abschreckung und des Gleichgewichts, die dahinter stand, war nicht Weizsäckers Sache.

Dabei war er nach den eingehenden, aber noch nicht abschließenden Archiv-Forschungen Schäfers unter deutschen Physikern derjenige, der vor 1945 am intensivsten die Suche nach dem nuklearen Geheimnis und der Superwaffe mit der Politik verbunden hatte. 1941, als das „Dritte Reich“ über Europa triumphierte, meldete er via Heereswaffenamt ein geheimes Patent an für eine Plutonium-Bombe – das Dokument wurde erst vor zwei Jahren in einem Moskauer Archiv entdeckt, wohin es 1945 verbracht worden war.

Davor schon hatte Weizsäcker Wahlverwandtschaft mit dem Philosophen Martin Heidegger entdeckt. Was beide verband, war nicht nur der Blickpunkt auf die letzten Dinge, Entscheidung und Extrem, sondern auch ein niemals ausformuliertes Programm eines von seinen grausigen Exzessen gereinigten, utopischen Spät-Nationalsozialismus.

Weizsäcker hat, so Schäfer, nach 1945 allgemeine Schuldbekenntnisse nicht gescheut. Wohl aber vermied er es, mehr preiszugeben von dem nuklearen Geheimnis als ohnehin bekannt. Opfer seiner eigenen, übergroßen Begabungen, hatte er eine nuklear bewaffnete Pax Germanica vor Augen gehabt und war damit gescheitert.

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