Mit „Totengebet” (2019) konnte die Vernau-Reihe im ZDF endlich wieder an den guten Auftakt ankn�pfen („Das Kinderm�dchen“, 2012). Einzige Schw�che war die nach wie vor wenig schl�ssige Integration der Nebenhandlung mit der Mutter des Anwalts. In „Requiem f�r einen Freund“ (Network Movie) ist diese Erz�hlebene erneut weitgehend �berfl�ssig. Etwas unentschlossen mutet zudem der Tonfall des Films an: Angesichts von diversen Morden, die allesamt im Zusammenhang mit brisanten Schwarzgeldunterlagen stehen, wirkt die gelegentliche Flapsigkeit der Hauptfigur eher unpassend; in diesen Momenten erinnert Jan Josef Liefers allzu sehr an den Rechtsmediziner Boerne im „Tatort“ aus M�nster. Nach wie vor str�flich unterbesch�ftigt und daher im Grunde �berbesetzt ist Stefanie Stappenbeck als Vernaus Kanzleipartnerin und Vermieterin. Die Handlung ist allerdings von gewohnter Komplexit�t; Musik & Bildgestaltung sind wie schon beim letzten Film ausgezeichnet.
Foto: ZDF / Julia TerjungDie Manierismen kennt man doch irgendwoher... Jan Josef Liefers als Anwalt Vernau.
Anders als die genuinen ZDF-Reihen „Neben der Spur“ oder „Spur des B�sen“ haben die Verfilmungen der Joachim-Vernau-B�cher von Elisabeth Herrmann immer noch keine einheitliche Linie gefunden. Im Unterschied zu den Thrillern mit Ulrich Noethen beziehungsweise Heino Ferch fehlen den Krimis mit Jan Josef Liefers ein klar definierter Markenkern sowie eine horizontale Erz�hllinie, die eine Entwicklung der Hauptfigur beschreiben w�rde. Hinzu kommt eine deutlich niedrigere Schlagzahl: „Requiem f�r einen Freund“ ist erst der sechste Film seit 2012. Entscheidenderes Manko vieler Filme waren jedoch die dramaturgischen Schw�chen; nach sehenswertem Auftakt („Das Kinderm�dchen“) hat die Qualit�t der Reihe deutlich abgenommen. Das �nderte sich mit „Totengebet“ (2019), der ersten Adaption, die nicht von der Autorin selbst vorgenommen wurde. Regisseur Josef Rusnak, mit Andr� Georgi auch f�r das Drehbuch verantwortlich, hat zudem daf�r gesorgt, dass sein Film auch optisch sehenswert war. F�r seinen zweiten Betrag gilt das nicht minder; Kameramann Moritz Anton steht ohnehin f�r eine regelm��ig bemerkenswerte Bildgestaltung.
Foto: ZDF / Conny KleinDer Anwalt und die Geliebte seines Freundes. Jan Josef Liefers & Irina Potapenko
Die Handlung ist von gewohnter Komplexit�t, zumal Rusnak, der das Drehbuch diesmal allein verfasst hat, mit dem Prolog clever die Neugier sch�rt: Eine Staatsanw�ltin w�hlt den Notruf der Polizei; sie f�hlt sich bedroht und sagt, sie k�nne niemandem mehr trauen, weil alle unter einer Decke steckten. Als eine Streife zu ihrem Haus kommt, ist sie tot; allem Anschein nach hat sie sich in der Garage mit Auspuffgasen das Leben genommen. Die Einf�hrung schwebt eine Weile als Fragezeichen �ber der eigentlichen Geschichte, die vier Jahre sp�ter einsetzt, denn nat�rlich fragt man sich fortw�hrend, was der mutma�liche Mord mit einem weiteren vermeintlichen Suizid zu tun hat: W�hrend sich der Berliner Anwalt Vernau mit seinem Freund und fr�heren Mentor Sebastian Marquardt (August Zirner) sowie dessen Geliebter Tatjana (Irina Potapenko) beim teuren Italiener trifft, arbeitet sich der Steuerpr�fer Harry Fischer (Peter Trabner) in der Kanzlei durch die Unterlagen des Anwalts. Mitten in der Nacht fordert der Finanzbeamte ihn auf, umgehend ins B�ro zu kommen, doch als er dort eintrifft, ist der Mann tot; anscheinend hat er sich erschossen. Vernaus Nachforschungen f�hren schlie�lich dazu, dass sich der Kreis zum Prolog schlie�t: Vor einigen Jahren sind den Berliner Finanzbeh�rden Unterlagen �ber Schweizer Schwarzgeldkonten angeboten worden, es ging um Steuerhinterziehung von enormem Ausma�, aber die Betroffenen hatten offenbar einflussreiche Freunde, denn die Sache ist erfolgreich vertuscht worden. Fischer hat in den Unterlagen Vernaus ein Indiz gefunden, mit dem er die Sache neu aufrollen kann. Es bleibt allerdings nicht bei den „Selbstmorden“; und auch Vernaut steht alsbald auf der Todesliste.
Soundtrack: 50 Cent („What Up Gangsta“), Lale Andersen („Lili Marleen”)
Die Handlung ist wie in allen Herrmann-Adaptionen von einer reizvollen Vielschichtigkeit. F�r Spannung sorgt schon allein die Tatsache, dass Vernau mit Gegnern konfrontiert wird, die skrupellos genug sind, um �ber Leichen zu gehen, und m�chtig genug, um die Taten zu vertuschen. Gerade die Sprengkraft des Themas hat jedoch zur Folge, dass die Nebenebenen wie Gepl�nkel wirken: Zum festen Ensemble der Reihe geh�ren auch Stefanie Stappenbeck als Vernaus Kollegin und Vermieterin Marie-Luise sowie Elisabeth Schwarz als seine Mutter und Carmen-Maja Antoni als deren Freundin. Die Seitenstr�nge mit den beiden alten Frauen sind jedoch regelm��ig �berfl�ssig; diesmal werden sie ein Opfer der Gentrifizierung. Immerhin gibt es eine Schnittstelle zum eigentlichen Fall, denn der Unternehmer, der ihr Mietshaus abrei�en will, ist ebenfalls in die Steuersache verwickelt. Nicht mehr als eine sch�ne Abwechslung ist hingegen erneut die Mitwirkung von Stefanie Stappenbeck, denn Marie-Luise hat im Grunde kaum mehr zu tun, als Vernau an seine ausstehenden Mietzahlungen zu erinnern oder mit Marquardts attraktiver Freundin, deren Doppelrolle ungleich komplexer ist, die Kleider zu tauschen; eine v�llig unn�tige Szene.
Foto: ZDF / Conny KleinProminentes Beiwerk: Stefanie Stappenbeck. Rainer Strecker und Jan Josef Liefers
Seltsam unentschlossen ist auch die Wahl des Tonfalls. Rusnak h�tte die Handlung ohne Weiteres als Thriller inszenieren k�nnen, schlie�lich geht es um Leben und Tod. Andererseits gibt es immer wieder am�sante Momente, weil Liefers seine Rolle gern mit jener dialogischen Flapsigkeit versieht, die viele Zuschauer auch am Rechtsmediziner Boerne im „Tatort“ aus M�nster sch�tzen; das passt hier aber nur anfangs zur Stimmung des Films, als Vernau zum Gerichtstermin unter seiner Anwaltsrobe Tenniskleidung tr�gt. Zur Kategorie Boerne geh�rt auch die Luxuskarosse, die ein zwielichtiger Import/Export-Unternehmer dem Juristen �berl�sst. In dieser Figur personifiziert sich die Hin- und Hergerissenheit des Films ebenfalls, weil Kida Khodr Ramadan eine typische Kida-Khodr-Ramadan-Figur aus der Rolle macht: Der Gesch�ftsmann hetzt Vernau seine Schl�ger auf den Hals, ist aber irgendwie trotzdem cool und sympathisch, zumal er dem Anwalt sp�ter sogar das Leben rettet. Nicht mehr als ein Schmankerl f�r Filmfreunde, aber immerhin ein am�santer Spa� ist eine Hommage an die ber�hmte Maisfeldszene aus dem Hitchcock-Thriller „Der unsichtbare Dritte“, als Vernau auf dem Tempelhofer Feld scheinbar von einem ferngesteuerten Flugzeug angegriffen wird. Ganz ausgezeichnet ist zudem die Musik (Mario Grigorov, Steven Schwalbe), die immer wieder elektronische Kl�nge mit Jazztrompete mischt. Respekt verdient auch Rusnaks Geschick, das Corona-bedingt in Berlin-Marzahn gedrehte Finale nach Mexiko aussehen zu lassen.
Foto: ZDF / Conny KleinCool & sympathisch: der "Gesch�ftsmann" Adil Kalaman (Kida Khodr Ramadan), obwohl er Anwalt Vernau (Jan Josef Liefers) seine Schl�ger auf den Hals hetzt.
Tilmann P. Gangloff ist seit 1985 freiberuflicher Fernseh- und Filmkritiker f�r Tageszeitungen und Fachzeitschriften, seit 1990 regelm��iges Mitglied der Jury f�r den Grimme-Preis sowie Mitglied diverser anderer Fernsehpreisjurys.