Russische Kriegsflüchtlinge: Recht auf Asyl in Deutschland?

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Im Zuge der Teilmobilmachung in Russland bahnt sich die nächste Flüchtlingswelle gen Westen an. Aber: Haben russische Kriegsflüchtlinge ein Recht auf Asyl in Deutschland? Wird der Aufnahme- oder Abweisungsprozess ähnlich aussehen wie bei den flüchtenden Ukrainern? Wer sich politisch bislang wie positioniert hat.



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Mögliche Formen des Asylrechts für russische Deserteure

Am 21. September 2021 verkündete Russlands Präsident Putin die Teilmobilmachung in Russland. Noch am selben Tag schnellt die Nachfrage nach Flugtickets aus Russland heraus nach oben. Staus bildeten sich an den Grenzübergängen nach Finnland, Kasachstan und anderen Nachbarländern. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis auch Deutschland konkret vor der Frage steht, ob wir russischen Kriegsflüchtlingen Asyl gewähren müssen und wollen oder nicht.

  • Innerhalb der EU gibt es bislang keine gemeinsame Linie über den Umgang mit russischen Kriegsdienstverweigerern, die ihre Heimat verlassen wollen.
  • In Deutschland haben Menschen das Recht auf Asyl, die in Ihrem Heimatland politisch verfolgt werden. Auch wenn sie auf der Rückreise Gefahr laufen, politisch verfolgt zu werden, können sie einen Asylantrag stellen. Die Antragstellung dauert allerdings seine Zeit.
  • Um überhaupt einreisen zu dürfen, benötigen russische Staatsbürgerinnen und -bürger theoretisch ein Visum, zumindest bevor konkrete Entscheidungen zur Aufnahme oder Abweisung russischer Deserteure von Deutschland getroffen werden.
  • Bislang sind von der Flüchtlingswelle aus Russland vornehmlich die direkten Nachbarländer betroffen. Ein Grund dafür ist, dass der Weg nach Europa nur schwer zu passieren ist. Es gibt keine bestehenden Flugverbindungen von Russland nach Deutschland. Zwischen den Ländern liegt das Kriegsgebiet.
  • Viele Kriegsverweigerer werden in Deutschland nur mit dem ankommen, was sie am Leibe tragen. Es müsste daher eine schnellere Lösung her für Visa- oder Asylanträge.
  • Eine Option wäre ein Verfahren ähnlich dem der ukrainischen Flüchtlinge. Für sie gilt aktuell ein Sonderstatus, mit dem die Aufnahme in Deutschland und damit auch der Zugang zum Sozialsystem schneller vonstattengeht.
  • Wiebke Judith von Pro Asyl hinterfragt die aktuell bestehende Ungewissheit. Laut Rechtslage müssten Deserteure Beweise über Ihre Kriegsverweigerung vorbringen. Alternativ bräuchten sie Beweise, dass sie in Russland politisch verfolgt werden. "Aber da stellt sich wieder die Frage: Wie können sie das belegen? Welche Anforderungen werden konkret gestellt?"
  • Für russische Staatsbürgerinnen und -bürger hat Pro Asyl alle Informationen zur Einreise und möglichem Asyl auf Deutsch und Englisch hier zusammengestellt.
Um nicht kämpfen zu müssen, fliehen Russen nach der Teilmobilmachung.
Es steht zur Diskussion, ob Deutschland russischen Kriegsflüchtlingen Asyl gewähren möchte oder nicht. dpa


Pro und Contra: Asylrecht für russische Kriegsflüchtlinge in Deutschland

Deutschland ist als EU-Staat rechtlich dazu verpflichtet, Deserteuren vollen Flüchtlingsschutz zu gewähren. Das besagt ein Urteil vom Europäischen Gerichtshof von November 2020. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) ist entsprechend vorbereitet, während deutsche Politiker die Einzelheiten diskutieren.

  • Bundeskanzler Olaf Scholz sagt im Interview mit der Neuen Osnabrücker Zeitung: "Ich bin dafür, diesen Menschen (russischen Kriegsflüchtlingen) Schutz anzubieten. Natürlich müssen sie vorher eine Sicherheitsüberprüfung durchlaufen, damit wir wissen, wen wir in unser Land lassen."
  • Bundesjustizminister Marco Buschmann äußert sich ebenfalls sehr offen. "Wer Putins Weg hasst und die liberale Demokratie liebt, ist uns in Deutschland herzlich willkommen", schreibt er auf Twitter.
  • Der ukrainische Botschafter Andrij Melnyk entgegnet: "Falscher Ansatz! Sorry. Junge Russen, die nicht in den Krieg ziehen wollen, müssen Putin und sein rassistisches Regime endlich stürzen, anstatt abzuhauen und im Westen Dolce Vita zu genießen."
  • Grünen-Außenpolitiker Robin Wagener beleuchtet das Thema von der entgegengesetzten Seite: "Wir brauchen auch Möglichkeiten für die demokratische Opposition in Russland, nach Europa zu kommen. Damit sie von hier aus daran arbeiten kann, den Krieg zu stoppen, den Diktator zu stürzen und ein anderes Russland aufzubauen."
  • Weiterhin besteht die Frage nach möglichen Fluchtwegen. Entgegen dem EU-Recht für Deserteure verweigern beispielsweise Polen und Tschechien aktuell die Einreise russischer Staatsbürger. Auch hier herrscht die Meinung, die russischen Oppositionellen seien in der Verantwortung, in Russland zu bleiben und dort die Veränderung zu bewirken, die sie sich wünschen.
  • Kritiker machen sich außerdem Sorgen um die Sicherheit für Flüchtlinge innerhalb der Staaten, in denen sie Asyl suchen. Fast 1 Million ukrainische Flüchtlinge befinden sich laut Statista derzeit in Deutschland. Kämen russische Deserteure hinzu, muss sichergestellt werden können, dass sie an anderen Orten untergebracht werden.
  • Litauens früheres Staatsoberhaupt Vytautas Landsbergis hat davor gewarnt, dass Russen, die vor der Mobilmachung ins Ausland fliehen, möglicherweise zur Destabilisierung ihrer Gastländer eingesetzt werden könnten. "Jetzt fliehen sie an einen sichereren Ort, aber die Frage ist, ob diese Massenflucht nicht auch geplant und eine weitere hässliche Waffe ist,", sagte er am Donnerstag.
  • Video: Russen fliehen nach Georgien, doch sie sind nicht willkommen
  • 26. September 2022: Ein Krisentreffen in Brüssel bleibt zunächst ohne konkrete Leitlinien für die betroffenen Staaten. Die EU-Kommission will nun prüfen, unter welchen Bedingungen Visa oder Asyl an russische Kriegsflüchtlinge gewährt werden können, ohne dabei die Sicherheit innerhalb der EU-Staaten zu gefährden. Als Übergangslösung können humanitäre Visa beantragt werden. Das BAMF prüft dabei den Hintergrund sowie die Gründe des Einreisenden, sodass der Eintrag im Einzelfall entschieden und dementsprechend angenommen oder abgelehnt wird.
  • 29. September 2022: Die finnische Regierung schließt finnischen Medien zufolge heute Nacht die Grenze für Russen. Das berichtet die finnische Zeitung „HS“. Russische Staatsbürger können aber weiterhin aus nicht näher benannten "besonderen Gründen" weiter einreisen. Wie "HS" schreibt, gelte die Regelung effektiv für Touristen. Von der Regelung werden also wohl besonders jene Männer betroffen sein, die aktuell versuchen, vor Putins Mobilisierung zu fliehen.
  • Überblick Anfang Oktober 2022: Europas Länder schlagen Kriegsgegnern aus Russland die Tür vor der Nase zu

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