Ein Hakenkreuz und ein durchgestrichener Davidstern sind an einer Gedenkstätte am Nordbahnhof in Berlin zu sehen.
Ein Hakenkreuz und ein durchgestrichener Davidstern sind an einer Gedenkstätte am Nordbahnhof in Berlin zu sehen. Foto: Daniel Reinhardt/dpa/Archivbild

Potsdam (dpa/bb) – Antisemitische Vorfälle haben in Brandenburg nach Einschätzung einer Beratungseinrichtung seit dem Terrorangriff der islamistischen Hamas auf Israel zugenommen. Die Fachstelle Antisemitismus Brandenburg schilderte der Deutschen Presse-Agentur, es gebe vor allem an der Universität Potsdam und in der Stadt Potsdam mehr Zwischenfälle. Meist gehe es um Parolen, die die Auslöschung des Staats Israel forderten, aber auch um Aufrufe zur Gewalt gegen Jüdinnen und Juden. Zudem tauchten im Stadtbild von Potsdam mehr Aufkleber mit antisemitischem Inhalt auf. Von Hochschulen etwa in Cottbus und Eberswalde sei eine so deutliche Zunahme der Vorfälle nicht bekannt, so die Fachstelle.

Bereits im vergangenen Jahr hatte sich laut Polizei die Zahl der antisemitisch motivierten Straftaten in Brandenburg stark erhöht. Die Behörde registrierte 284 derartige Delikte, fast 70 Prozent mehr als 2022. Eine Zunahme antisemitischer Schmierereien und Hassbotschaften beklagt aktuell auch die Gedenkstätte Sachsenhausen in Oranienburg nördlich von Berlin.

Eine brutale Gewalttat wurde im Februar in Berlin bekannt: Ein propalästinensischer Kommilitone soll einen jüdischen Studenten der Freien Universität auf einer Straße verprügelt und getreten haben. Die Staatsanwaltschaft geht von einem gezielten Angriff und einem antisemitischen Hintergrund aus. An Hochschulen in Berlin kam es auch zu Aktionen propalästinensischer Aktivisten.

Der Landtag in Potsdam hatte im November 2023 die Weichen gestellt, um erstmals das Amt eines Antisemitismusbeauftragten einzurichten. Doch die Besetzung verzögert sich. Im zuständigen Landtagsausschuss war bislang keine Einigung auf einen gemeinsamen Personalvorschlag zustande gekommen.

Wegen antisemitisch motivierter Taten 94 Verfahren bei Staatsanwaltschaften

Bei den Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaften in Brandenburg im Zusammenhang mit Antisemitismus deutet sich auch eine Zunahme an. Bislang seien in diesem Jahr 94 Verfahren mit antisemitischer Tatmotivation erfasst worden, teilte die Zentralstelle zur Bekämpfung von Hasskriminalität im Land Brandenburg auf Anfrage mit. Im gesamten Jahr 2023 waren es 193 Verfahren. Daher scheine es bislang einen Anstieg der Verfahren zu geben, sagte ein Sprecher der Generalstaatsanwaltschaft. Bei der Mehrheit der strafrechtlichen Ermittlungen geht es um Volksverhetzung, Gewaltverherrlichung und das Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger und terroristischer Organisationen.

Fachstelle stellt mehr rechte Schmierereien und Aufkleber an Uni-Campus fest

Die Fachstelle Antisemitismus Brandenburg als Anlaufstelle für Betroffene ist ein Projekt der Kreuzberger Initiative gegen Antisemitismus in Berlin. Eine abschließende Auswertung von Vorfällen und Zahlen lag noch nicht vor.

Projektleiter Joachim Seinfeld teilte nach den bisherigen Erfahrungen mit, dass am Campus der Uni Potsdam häufiger Aufkleber «mit Naziparolen» auftauchten. Zudem gebe es in Brandenburg etwa mehr Hakenkreuz-Schmierereien und mehr Fälle des Verwendens strafbarer NS-Symbole. Auch im Fußball stellten die Berater mehr Fälle fest. Rechtsextreme Fans machen etwa in Cottbus seit Jahren immer wieder Schlagzeilen. Südbrandenburg gilt als Hotspot beim Rechtsextremismus.