„Unbroken“ (ZDFneo): Aylin Tezel rettet schlechtes Drehbuch
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„Unbroken“ (ZDFneo): Herausragende Hauptdarstellerin Aylin Tezel rettet schlechtes Drehbuch

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„Unbroken - Kapitel 1“: Alex (Aylin Tezel) steht im Dunkeln mit starrem Blick auf einem Feld. Sie trägt ein helles, großes Hemd. In ihrem Gesicht und auf dem Hemd befindet sich Blut und Schmutz.
Kurz vor der Geburt wird Kommissarin Alex Enders (Aylin Tezel) entführt und taucht eine knappe Woche später blutverschmiert und ohne Babybauch in einer Siedlung am Waldrand wieder auf. Von ihrem Kind fehlt jede Spur. © Frank Dicks/ZDF

Durch die herausragende Leistung von Hauptdarstellerin Aylin Tezel lohnt sich ein Blick in den ansonsten reißbrettartigen ZDFneo-Thriller „Unbroken“.

  • Bei ZDFneo startet am Dienstag (23.02.2021) die Thriller-Serie „Unbroken“.
  • Eine Kommissarin sucht nach ihrem neugeborenen Kind, an dessen Geburt sie sich nicht erinnert.
  • Hervorzuheben ist die schauspielerische Leistung von Hauptdarstellerin Aylin Tezel.

Vor einigen Jahren äußerte ein Drehbuchautor im Rahmen eines Branchentreffs den Wunsch, in Deutschland „härter“ erzählen zu dürfen. Die Hoffnung hat Erfüllung gefunden. Nur gesetzliche Richtlinien setzen der Darstellung in Fernseh- und Streaming-Produktionen heute noch Grenzen. Ein unrühmliches Beispiel schuf ZDFneo mit dem semipornografischen Sechsteiler „Parfum“, der international von Netflix vertrieben wird. Übrigens nicht die einzige öffentlich-rechtliche Serie bei diesem und anderen Streaming-Diensten. Die oft praktizierte Grenzziehung zwischen Fernseh- und Streaming-Angeboten erweist sich bei genauerem Hinblick als realitätsfern.

Marc O. Seng und Andreas Linke, die Autoren des Sechsteilers „Unbroken“, setzen nicht in gleichem Maße wie das Team von „Parfum“ auf Anstößiges. Dennoch muss ernsthaft gewarnt werden: Zartbesaitete sollten „Unbroken“ besser meiden. Inhalte wie eine erzwungene Geburt, Kindesentführung, Kindsmord können verstörend wirken.

Schon in den ersten Minuten gehen das Autorenduo und Regisseur Andreas Senn aufs Ganze. Ein finsterer Wald, blutige Hände, Schnitt auf einen turbulenten Kindergeburtstag. „Haben wir das Monster eingeladen?“, fragt die kleine Heldin des Tages. Noch lächelt die Mutter, aber dann sieht auch sie das „Monster“ draußen vor der Panoramascheibe. Eine Frau mit blutverschmiertem Körper, nur mit einem Hemd bekleidet, offenbar schwer verletzt.

„Unbroken“ (ZDFneo): Hauptfigur wacht ohne Erinnerung und blutverschmiert im Wald auf

Auf diese Pre-Title-Sequenz folgt der Vorspann, dann die Vorgeschichte. Die Duisburger Kriminalpolizistin Alexandra Enders (Aylin Tezel), genannt Alex, konfrontiert einen jugendlichen Autodieb, der einen Unfall verursacht und Fahrerflucht begangen hat. Gleich darauf muss sie sich übergeben. Sie ist im neunten Monat schwanger. Glücklich darüber ist sie nicht. An diesem Tag geht sie in den Mutterschaftsurlaub und wird von den Kollegen mit einer von ihr schon befürchteten Überraschungsparty verabschiedet.

Zu Hause wartet der demente Vater, im Bademantel seinen Betreuern entflohen, auch kein Freund von Herzlichkeit. „Ohne dich wäre vielleicht alles anders gekommen“, hält er der Tochter vor. Später steht ein Einkauf auf dem Programm. Als Enders wieder ins Auto steigt, sitzt ein Maskierter auf dem Rücksitz. Sie weiß sich zu wehren, aber der Verbrecher hat ein Betäubungsmittel zur Hand.

Alex Enders erwacht im Wald, wankt in Richtung Kindergeburtstag. Sie war sechs Tage lang verschwunden, hat entbunden, erinnert sich an nichts, auch nicht an den Verbleib des Neugeborenen. Die Ermittlungen der Kollegen bleiben erfolglos. Drei Monate später kehrt Enders in den Polizeidienst zurück, aber das Trauma ist nicht verwunden. Sie lässt sich nicht davon abbringen, weiter nach ihrem Kind zu suchen.

Die Besetzung von „Unbroken“ auf ZDFneo

SerienfigurSchauspieler:in
Alexandra EndersAylin Tezel
Leif EndersSebastian Zimmler
Paul NowakÖzgür Karadeniz
Radu MotrescuAlexandar Tesla
Dr. Kathrin BrennerLeslie Malton

Thriller-Serie „Unbroken“ (ZDFneo): Spannung vom Reißbrett, Wendepunkte nach Lehrbuch

„Unbroken“ ist ein durchkalkulierter Thriller, wie nach Schnittbogen gefertigt. Von jener Art, die sich auch auf dem Buchmarkt einiger Beliebtheit erfreut. Die Eröffnung gerät meist drastisch und zielt unverhohlen auf den Affekt. Die Hauptfigur ist persönlich betroffen und wird aus den gewohnten Lebensumständen gerissen. So auch Alex Enders. Sie entwickelt paranoische Züge, richtet ihren Argwohn gegen alles und jeden, selbst gegen ihren Vorgesetzten und väterlichen Freund Paul Nowak (Özgür Karadeniz). Der wiederum zieht widerstrebend in Betracht, dass Alex Enders einen psychotischen Schub erlitten hat und das Neugeborene getötet hat.

So manches Versatzstück muss herhalten, die Handlung geriet wenig originell, die Wendepunkte werden ganz nach Lehrbuch platziert. Ein Verdächtiger nach dem anderen tritt ins Geschehen ein, der Zufall wirft sich mächtig ins Zeug. Das Verhältnis zur Glaubwürdigkeit gestaltet sich eher elastisch. Nicht immer wird die Klischeefalle umgangen. Und die Figur des Paul Nowak ist inklusive ihres Darstellers sozusagen geborgt: Özgür Karadeniz spielt eine verwandte Rolle in Gestalt des Ömer Kaplan seit 2013 in der ZDF-Reihe „Nachtschicht“.

Das Beste an „Unbroken“ (ZDFneo): Die Hauptdarstellerin

Und doch gibt es einen Grund, einzuschalten: die Hauptdarstellerin Aylin Tezel.

In den sechs Episoden, die jeweils als „Kapitel“ überschrieben sind, durchläuft die von Aylin Tezel verkörperte Hauptfigur Alex Enders eine ungeheure Breite an Gefühlsregungen. Diese Frau zeigt sich selbstsicher, unsentimental, schnoddrig im Ton, bisweilen brüsk. Der Verlust des Babys stürzt sie in eine tiefe Krise. Mal fällt sie schmerzerfüllt zurück in ein kleinkindliches Verhalten, dann wieder reagiert sie apathisch, schließlich kämpferisch.

Zur Sendung

„Unbroken“, Dienstag, 23. Februar, und Mittwoch, 24. Februar 2021, ab 21.45 Uhr je drei Folgen und bereits in der ZDF-Mediathek.

Schauspielerische Ausnahmeklasse in der Thriller-Serie „Unbroken“ (ZDFneo)

Aylin Tezel, noch immer jünger wirkend als sie ist, erfasst die Seelenpein ihrer Figur mit größter Sensibilität. Zugleich meistert die ausgebildete Tänzerin Actionszenen mit bemerkenswertem Aplomb. Alex Enders zieht körperlich überlegenen Gegnern aus dem Stand den Außenrist durchs Gesicht, geht stets mit vollem Einsatz ins Gefecht, ohne Pardon gegen sich selbst. Sie bezieht ordentlich Prügel. Nicht nur in metaphorischem Sinne.

Mit ihrer darstellerischen Leistung hält Aylin Tezel, die auch schon in englischsprachigen Produktionen wie „Homeland“ zu sehen war, das dramaturgisch so klapprige Gefüge zusammen, beweist schauspielerische Ausnahmeklasse. Die in der Vergangenheit mehrfach preisgekrönte Tezel fügt ihrer Vita einen weiteren auszeichnungswürdigen Auftritt hinzu.

Eine Fortsetzung wäre nicht unwillkommen. Mit gleichen Charakteren, aber besseren Drehbüchern. (Harald Keller)

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