liberal
GrammatikAdjektiv · Komparativ: liberaler · Superlativ: am liberalsten
Aussprache [libeˈʀaːl]
Worttrennung li-be-ral
Wortbildung
mit ›liberal‹ als Erstglied:
liberal-konservativ
· Liberaldemokrat · liberalisieren · Liberalismus · liberalistisch · liberalkonservativ
· mit ›liberal‹ als Letztglied: antiliberal · illiberal · linksliberal · nationalliberal · neoliberal · rechtsliberal · scheißliberal · sozial-liberal · sozialliberal · wirtschaftsliberal
· mit ›liberal‹ als Grundform: Liberale · Liberalität
· mit ›liberal‹ als Letztglied: antiliberal · illiberal · linksliberal · nationalliberal · neoliberal · rechtsliberal · scheißliberal · sozial-liberal · sozialliberal · wirtschaftsliberal
· mit ›liberal‹ als Grundform: Liberale · Liberalität
Herkunft zu līberālislat
‘die Freiheit betreffend, edel, vornehm, anständig, gütig, freigebig’, zu līberlat
‘bürgerlich frei, unabhängig, ungehindert, zwanglos, freimütig, offen, ungebunden’
Dieses Stichwort finden Sie im DWDS-Themenglossar zur Bundestagswahl 2021. |
Bedeutungsübersicht
- 1. auf den Prinzipien des (politischen, wirtschaftlichen) Liberalismus beruhend, von diesen geprägt, diese vertretend
- 2. einer an liberalen Werten orientierten Partei angehörend
- 3. in gesellschaftlichen Fragen oder Angelegenheiten freizügiges Handeln befürwortend, eine tolerante Einstellung zeigend
- 4. [Religion] offen für eine Anpassung religiöser Normen an sich verändernde gesellschaftliche Wertvorstellungen
DWDS-Vollartikel
Bedeutungen
1.
auf den Prinzipien des (politischen, wirtschaftlichen) Liberalismus beruhend, von diesen geprägt, diese vertretend
Grammatik: ohne Steigerung
Kollokationen:
als Adjektivattribut: die liberale Demokratie; eine liberale Partei, Wirtschaftspolitik, Zeitung; der liberale Rechtsstaat; das liberale Bürgertum; ein liberaler Politiker; die liberale Presse
als Prädikativ: das Land, die Gesellschaft ist liberal
mit Adverbialbestimmung: gemäßigt, verhältnismäßig liberal
in Koordination: liberal und bürgerlich, demokratisch; liberal oder konservativ
Beispiele:
Eine tief ausdifferenzierte arbeitsteilige
Gesellschaft sei zu komplex, als dass ein Master Mind
[sic!]
planen könnte, was die Menschen brauchen, so argumentierten
liberale Ökonomen seinerzeit. Der Markt sei
intelligenter. [Debatte – Amazon auf human, 29.06.2021, aufgerufen am 29.06.2021]
Seit seiner Gründung beim »Colloque Walter Lippmann« im Jahr 1938 in
Paris vertrat der Neoliberalismus die Auffassung, der Glaube an sich selbst
regulierende Märkte sei ein Irrweg des klassischen Liberalismus im 19.
Jahrhundert. Also das exakte Gegenteil dessen, was ihm heute unterstellt
wird. Die sich in Paris versammelnden liberalen
Intellektuellen waren tief besorgt um den Fortbestand des Liberalismus als
gesellschaftliche Leitidee. [Neue Zürcher Zeitung, 05.06.2021]
Es gehe, sagte Fertsch, um »die Erziehung des deutschen Bürgers zu
liberaler Weltanschauung und demokratischer
Staatsgesinnung, zum Gedanken der freien verantwortungsbewussten
Persönlichkeit, zur Bekämpfung jeder Diktatur, zur Toleranz auf geistigem
und religiösem Gebiet und zur Achtung vor dem Eigenleben jedes
Menschen«. [Frankfurter Rundschau, 07.01.2006]
Für mich – und damit stehe ich nicht allein – bedeutet es,
liberal zu sein, zuvörderst eine Haltung zu
haben, die den Menschen und seine individuelle Freiheit in den Vordergrund
stellt. [Frankfurter Allgemeine Zeitung, 25.01.1995]
2.
einer an liberalen Werten orientierten Partei angehörend
Grammatik: ohne Steigerung
Kollokationen:
als Adjektivattribut: ein liberaler Abgeordneter, Politiker
Beispiele:
Es gibt seit letztem Frühjahr wieder
liberale Minister in Deutschland – in
Rheinland‑Pfalz regiert die FDP in einer Ampelkoalition mit SPD und Grünen. [Berliner Morgenpost, 04.01.2017]
»Ich bin stolz, dass es mir gelungen ist, im EU‑Parlament eine
Mehrheit zu versammeln«, sagt der französische
liberale Abgeordnete Pascal Canfin, der den
Antrag eingebracht hatte. [Süddeutsche Zeitung, 29.11.2019]
Der liberale Bundestagskandidat Jimmy Schulz
sicherte sich in der reichen Isartalgemeinde 16,7 Prozent der Erststimmen
und seiner Partei 27,5 Prozent der Zweitstimmen. [Münchner Merkur, 26.09.2017]
Der FDP‑Bundesvorsitzende
[Christian Lindner] war der Star des Abends, der
liberalen Parteimitgliedern und
Kommunalpolitikern aus der Region, aber auch anderen Zuhörern wie Landrat
Sven Hinterseh (CDU) sowie Politikinteressierten ausdrucksstark und
humorvoll seine Redner‑Qualitäten bewies. [Südkurier, 19.01.2016]
Der nordrhein‑westfälische FDP‑Vorsitzende Jürgen Möllemann ist
überzeugt, dass der Bundesparteitag im Mai mit satter Mehrheit dafür stimmen
wird, dass bei der Bundestagswahl 2002 ein liberaler
Kanzlerkandidat antritt. [Berliner Morgenpost, 05.04.2001]
3.
in gesellschaftlichen Fragen oder Angelegenheiten freizügiges Handeln befürwortend, eine tolerante Einstellung zeigend
Kollokationen:
als Adjektivattribut: ein liberaler Geist
als Prädikativ: ihre Einstellung ist liberal; die Gesellschaft, die Erziehung ist liberal
als Adverbialbestimmung: liberal denkend, eingestellt, gesinnt
in Koordination: liberal und offen, tolerant
Beispiele:
Anhänger einer liberaleren
Drogenpolitik diskutieren […] Modelle, in denen
der Konsum für über 25‑Jährige freigeben wird. [Frankfurter Rundschau, 06.11.2019]
Die auf Wunsch Kinderlosen attestierten sich im Vergleich zu den
Eltern liberalere Einstellungen. [Kinderwunsch: Auch ohne Nachwuchs glücklich, 22.06.2021, aufgerufen am 23.06.2021]
[Das]
Aids[-Virus] hat dazu beigetragen, dass
sich der Lebensstil verändert hat: Waren die 70er Jahre sexuell freizügiger
und Lebensentwürfe liberaler, setzte in den 80er
Jahren eine konservative Gegenbewegung ein, die sich noch heute auswirkt. [Allgemeine Zeitung, 01.09.2018]
Kosmopolitische Überzeugungen gibt es nicht nur im Norden. Die
Bevölkerungen des globalen Südens schätzen den Freihandel mehr als jene im
Norden; sie haben auch liberalere Einstellungen zu
Migrationsfragen. [Der Tagesspiegel, 30.12.2016]
1900 und 1901 veröffentlichte sie ihre Bestseller Das
Geschlechtsleben des Weibes und Die Frau
als Hausärztin, mit denen
[die Ärztin Anna] Fischer‑Dückelmann sich
zwar viele Leser, aber auch Gegner einbrachte – vor allem wegen ihrer
liberalen Einstellung zu Sexualität und
Verhütung. [Der Standard, 29.03.2015]
4.
Religion offen für eine Anpassung religiöser Normen an sich verändernde gesellschaftliche Wertvorstellungen
in gegensätzlicher Bedeutung zu orthodox (2)
Beispiele:
Hamburgs liberale Juden nannten die Synagoge
»Tempel«, grenzten sich gegen die orthodoxen Juden mit Predigten in
deutscher Sprache, Orgelmusik und deutschen Chorälen ab. Wichtig war ihnen
die Gleichberechtigung von Mann und Frau. »Sie wollten ihr Judentum
bewahren, indem sie es mit den Anforderungen der modernen, säkularen
Gesellschaft zu einer liberalen Einheit
verschmolzen«, so die »Jüdische Allgemeine«. [Hamburger Abendblatt, 29.11.2019]
Der LIB (= Liberal-Islamischer Bund) ist eine muslimische Religionsgemeinschaft, gegründet 2010 in Köln, mit Gemeinden unter anderem in Frankfurt am Main, Hamburg und Berlin. Seine Mitglieder vertreten einen liberalen Islam. Konkret bedeutet das: Beim LIB beten auch Frauen vor, es gibt interreligiöse Eheschließungen, Eheschließungen zwischen homosexuellen Paaren, gemischtgeschlechtliche Gebete. [Süddeutsche Zeitung, 15.05.2021]
Ich bin unter anderem im Vorstand der Union
progressiver Juden in Deutschland, einem Dachverband der
liberalen jüdischen Gemeinden. [Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde im Kreis Unna spricht über
Antisemitismus, 30.06.2021, aufgerufen am 30.06.2021]
I[…] sagt: »Ich bin Alevit, das ist eine
liberale und gemäßigte Richtung im Islam, die den
christlichen Werten sehr ähnelt.« [Badische Zeitung, 06.03.2020]
»Von der Orthodoxie unterscheidet das liberale
und konservative Judentum die Überzeugung, dass die Offenbarung Gottes nicht
abgeschlossen ist«, erklärt H[…]. Immer wieder
neue Deutungen der heiligen Texte seien in der jüdischen Tradition angelegt. [Saarbrücker Zeitung, 14.09.2006]
»Wir haben der Welt heute nichts Dringlicheres zu bezeugen als den
Tod und die Auferstehung Jesu Christi«, sagte [Erzbischof Ludwig] Averkamp am Sonnabend in seiner Osterpredigt.
Christen hätten der Welt kein »verwässertes und verdünntes Christentum«
anzubieten. »Das mag niemand, das können wir uns und der Welt ersparen«,
sagte der Erzbischof. Mit einem sogenannten liberalen
Christentum nach Art des Zeitgeistes sei nichts gewonnen. [Welt am Sonntag, 30.03.1997]
letzte Änderung:
Etymologisches Wörterbuch (Wolfgang Pfeifer)
Etymologie
Etymologisches Wörterbuch (Wolfgang Pfeifer)
liberal · Liberaler · liberalisieren · Liberalismus · liberalistisch · Liberalität · Libero
liberal Adj. ‘freiheitlich, nach unbeschränkter Entwicklung des individuellen Lebens strebend, großzügig, den Liberalismus betreffend’, entlehnt (16. Jh.) in der heute unüblichen Bedeutung ‘freigebig, hochherzig, großzügig’ aus lat. līberālis ‘die Freiheit betreffend, edel, vornehm, anständig (von Art oder Gesinnung), gütig, freigebig’, zu lat. līber ‘bürgerlich frei, unabhängig, ungehindert, zwanglos, freimütig, offen, ungebunden’. In der 2. Hälfte des 18. Jhs., besonders im Zusammenhang mit der französischen Revolution, erfolgt eine Entlehnung von frz. libéral im Sinne von ‘vorurteilslos (in politischer und religiöser Beziehung), freiheitlich (gesinnt)’; vgl. die als politisches Schlagwort gebrauchte Fügung liberale Ideen (um 1800). – Liberaler m. ‘Anhänger einer liberalen Richtung bzw. Partei’ (Görres 1819). liberalisieren Vb. ‘freier, großzügiger gestalten, von Einschränkungen befreien’ (19. Jh.), speziell ‘Beschränkungen im (Außen)handel aufheben’ (20. Jh.); frz. libéraliser ‘freisinniger machen, freier gestalten’. Liberalismus m. antifeudale bürgerliche politische Richtung mit dem Ziel der freien Entfaltung des wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und individuellen Lebens (um 1820, etwa gleichzeitig mit frz. libéralisme, engl. liberalism). liberalistisch Adj. ‘den Liberalismus betreffend, auf ihm beruhend’ (Goethe 1807). Liberalität f. ‘Freigebigkeit, Hochherzigkeit, Großzügigkeit’ (Mitte 16. Jh.), vgl. lat. līberālitās (Genitiv līberālitātis) ‘freisinnige Denk- und Handlungsart, edle Gesinnung, Güte, Freigebigkeit’; dann auch ‘Vorurteilslosigkeit, liberales Wesen, liberale Gesinnung’ (Anfang 19. Jh.). Libero m. Spieler einer Mannschaft, der je nach Situation („frei“) in Abwehr oder Angriff agiert, Übernahme (20. Jh.) von gleichbed. ital. libero, eigentlich ‘der Freie’, einer Substantivierung von ital. libero ‘frei’, aus lat. līber (s. oben).
Bedeutungsverwandte Ausdrücke
Assoziationen |
|
Antonyme |
liberal ·
vorurteilsfrei ·
vorurteilslos
Typische Verbindungen zu ›liberal‹ (berechnet)
Detailliertere Informationen bietet das DWDS-Wortprofil zu ›liberal‹.
Abgeordnete
Bürgertum
Demokratie
Flügel
Fraktion
Geist
Gesellschaft
Haltung
Judentum
Koalitionspartner
Opposition
Partei
Politik
Politiker
Presse
Rechtsstaat
Tageszeitung
Wirtschaftspolitik
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fortschrittlich
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konservativ
orthodox
progressiv
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