1 Einleitung

Die gegenwärtig prominente Denkweise, Kinder als Akteure zu definieren, ist theoretisch, konzeptionell und empirisch maßgeblich mit dem soziologischen Begriff agency verknüpft. Zunächst im Zuge der childhood studies eingeführt, avancierte agency in diversen, (sub)disziplinären Bezugnahmen auf Kinder und Kindheiten zu der Chiffre für kindliche Akteurschaft schlechthin. Ausgehend von der Prämisse, Kindheit als soziale Konstruktion zu begreifen, verweisen die childhood studies, konzeptionell durchaus spannungsreich, sowohl auf eine generationale Ordnung, über die Akteure in Kinder und Erwachsene unterschieden und gesellschaftlich entsprechend ungleich positioniert werden (s. Bühler-Niederberger i. d. B.), als auch auf agency im Sinne eines grundsätzlichen Handlungsvermögens von Kindern, diese Ordnung herauszufordern und zu verändern. Der Prominenz der Chiffre zum Trotz lassen sich in erziehungswissenschaftlich-pädagogischen Diskursen schon sehr viel früher – im Prinzip seit Jean-Jacques Rousseaus Diktum einer negativen Erziehung (vgl. Rousseau 1998) – ähnliche Lesarten zum Kind als Akteur identifizieren (vgl. Baader 2018). Insbesondere Ansätze, die Kinder als ‚Selbst-Sozialisierende‘ oder ‚Selbst-Bildende‘ ermächtigen, sind hierbei auch als Antworten zu sehen, um auf die Begrenzungen und Unzulänglichkeiten einer für Kinder konzipierten Pädagogik zu reagieren. Während kindheitssoziologische Zugänge gesellschaftliche Vorstellungen von und Verhältnissetzungen zu Kindern und Kindheiten anvisieren, beziehen sich erziehungswissenschaftlich-pädagogische Zugänge auf die Verwiesenheit von Kindern auf Angebote der Bildung, Erziehung und Fürsorge. Unter der Chiffre agency werden somit unterschiedliche (sub)disziplinäre und gegenstandstheoretische Bezüge sichtbar. Daher werden nachfolgend soziologische (2), kindheitssoziologische (3) sowie erziehungswissenschaftlich-pädagogische Zugänge (4) skizziert und eingeordnet. Anschließend werden knapp epistemologische und empirische Problemstellungen einer agency-bezogenen Forschung erörtert (5) und ein Resümee gezogen (6).

2 Agency soziologisch

So wie sich die Soziologie für gesellschaftliche Transformationsprozesse in ihrer Verzahnung mit der Frage nach individuellen Handlungsspielräumen interessiert, kommt sie nicht umhin, das Verhältnis von gesellschaftlicher Struktur (structure) und handelndem Subjekt (agency) zum zentralen Bezugspunkt ihrer Auseinandersetzung zu machen. Der Agency-Begriff versammelt hierbei konzeptionell heterogene Vorstellungen von Handlungsmacht, -fähigkeit oder auch -befähigung (vgl. Raithelhuber 2008, S. 18), welche zur Erklärung menschlicher Akteurschaft herangezogen werden und dabei auf unterschiedlichen Subjekt- und Sozialtheorien bzw. Handlungs- und Strukturtheorien aufbauen. So reicht die Begriffsverwendung von Theorien eines starken Subjektes – etwa in rational-choice-Modellen und weiteren individuumszentrierten Ansätzen –, welche agency als Entscheidungsfreiheit oder Kosten-Nutzen-Kalkül des einzelnen Subjektes betrachten, über duale und dialektische Modelle, welche agency in unterschiedlichen Gewichtungen als Resultat einer Interdependenz von Handlung und Struktur verstehen, bis hin zu relationalen Perspektiven, die mit einem Fokus auf ein ebenfalls interdependentes, aber stärker verflüssigtes Zusammenspiel unterschiedlicher Akteure und Kontexte in Form von Netzwerken, Praktiken oder sozialen Figurationen versuchen, ein dualistisches Denken von Handeln und Struktur zu überwinden (vgl. Helfferich 2012, S. 17 ff.). Diese semantische Vielfalt korrespondiert mit tieferliegenden Unterscheidungen, die die Reichweiten von agency ebenso betreffen wie ihren ontologischen Status, sodass zu fragen ist, was eigentlich gemeint ist:

„Agency als faktisches Handeln mit oder unabhängig von feststellbaren Wirkungen bzw. Wirksamkeiten, Agency als beobachtbare Aktion, als individuelle Eigenschaft von Menschen oder von Strukturen (oder vielleicht auch von unbelebten Dingen), als interaktiv hervorgebrachte Handlungsermächtigung oder als subjektive Deutung? Sollen die Fähigkeiten oder die Möglichkeiten [Herv. i. O.] zum Handeln in den Vordergrund gestellt werden oder gar die Macht(beziehungen)“ (ebd., S. 9)?

Zentraler Ausgangspunkt der soziologischen Agency-Debatte ist die Strukturierungstheorie von Antony Giddens (1984). Ebenjene versucht die Kluft zu überwinden, die sich „zwischen den Positionen des Strukturalismus und Funktionalismus auf der einen Seite und der Hermeneutik sowie anderen Formen der interpretativen Soziologie auf der anderen aufgetan“ (Raithelhuber 2008, S. 22) hat. Hauptanliegen ist hierbei, „den Dualismus von Handlung und Struktur aufzulösen und in eine Dualität zu überführen“ (Loewenstein 2016, S. 159). In einer Art Dialektik werden einerseits Strukturen als Bedingung der Möglichkeit menschlicher Handlungsfähigkeit betrachtet, während andererseits Strukturen – Einschränkungen und Begrenzungen miteingeschlossen – ebenfalls das Vorhandensein von agency voraussetzen (vgl. Raithelhuber 2008, S. 26). Diese für Strukturierungstheorien zentrale Denkfigur der Rekursivität sozialen Handelns erlaubt es erst, Handeln und Struktur wechselseitig aufeinander zu beziehen. Demnach handeln Akteure in gewohnheitsmäßigen Routinen, d. h. auf der Grundlage eines praktischen und diskursiven (Un-)Bewusstseins (vgl. Loewenstein 2016, S. 159), sodass sich agency nicht auf Intentionen oder Motivationen bezieht, sondern lediglich auf das bloße Vermögen, einen Unterschied zu machen und auch anders handeln zu können. Denn als knowledgeable agent (vgl. Giddens 1984, S. 288), also als kompetenter Akteur, ist der Mensch dazu in der Lage, mitunter aus dem Strom der Routinen auszubrechen und dem fortlaufenden Vollzug alltäglicher Handlungsroutinen eine Richtung zu geben (vgl. Raithelhuber 2008, S. 23 ff.). Agency ist folglich zwar nicht als individualistisch und rational-kognitivistisch zu verstehen. Dennoch ist eine individuumsbezogene Auslegung von agency möglich, indem den Akteuren die Möglichkeit der Reflexion und damit der Kontrolle über ihr Handeln inklusive der Möglichkeit der Veränderung zugesprochen wird.

Jüngere Agency-Modelle heben die Relationalität hervor, die bereits in der wechselseitigen Bezugnahme von agency und structure bei Giddens angelegt ist (vertiefend hierzu Raithelhuber 2008): Harrison White etwa fasst agency insofern relational, als sich der Grad an Handlungsfähigkeit über die Position bestimmt, die Einzelne – z. B. Kinder auf einem Spielplatz – in einem Netzwerk einnehmen (vgl. White 2008, S. 55 ff.; Loewenstein 2016, S. 161), während Barry Barnes die Möglichkeit von agency interaktionistisch an ein „being with others“ (Barnes 2000, S. X) des Menschen bindet: „Menschen handeln kollektiv, weil sie sich permanent gegenseitig beeinflussen, indem sie im Alltag so tun, als ob jeder alleine handeln könnte“ (Raithelhuber 2008, S. 29). Barnes zufolge liegt die Pointe eines solchen interaktionistisch-relationalen Agency-Entwurfes darin, dass die Handlungsfähigkeit, die sich aus dem kollektiven Handeln entwickelt, von den jeweiligen Akteuren als Resultat individueller Entscheidungen missinterpretiert wird, was wiederum erst das Zuschreiben individueller Verantwortlichkeit ermöglicht (vgl. Barnes 2000, S. 65 ff.; Raithelhuber 2008, S. 29 ff.). Mustafa Emirbayer und Ann Mische (1998) wiederum legen ein breit rezipiertes, interaktionistisch-relational ausgerichtetes Konzept vor, bei dem agency als „ein zeitlich eingebetteter Prozess sozialen Engagements“ (ebd., S. 963; eigene Übersetzung) verstanden wird. Dieser ist sowohl habituell von der Vergangenheit geprägt, als auch auf die Zukunft ausgerichtet, in der Fähigkeit, sich alternative Möglichkeiten vorzustellen. Indem vergangene Gewohnheiten und künftige Projekte innerhalb der Kontingenzen des Augenblicks miteinander relationiert werden, gestaltet er die Gegenwart mit. Relationiert werden demnach „vielfältige, überlappende Möglichkeiten der Zeiteinteilungen, auf die soziale Akteure gleichzeitig unterschiedliche Handlungsorientierungen einnehmen können“ (ebd.; eigene Übersetzung). Relationale Perspektiven umschreiben mit agency insgesamt eine „sozial bedingte, aber sozial nicht determinierte Qualität individueller und kollektiver Akteure“ (Scherr 2013, S. 236).

3 Agency kindheitssoziologisch

Die soziologisch-sozialwissenschaftlich ausgerichteten childhood studies setzen sich in den 1980ern von bislang dominanten anthropologisch-psychologischen Strömungen einer Kinderforschung ab. In ihrem Zentrum stehen Analysen der Vergesellschaftung von Kindern, konkret z. B., welche sozialen Positionen Kindern in der Gesellschaft zugewiesen werden und welche Spielräume sie selbst wiederum darin nutzen. Dabei ist agency für die childhood studies und ihre wissenschaftliche Auseinandersetzung mit Kindern und Kindheiten als children’s agency (deutlich seltener im Gebrauch: childhood agency) eines ihrer maßgeblichen Schlüsselkonzepte (vgl. Esser et al. 2016b, S. 1 f.). Die im Kontext von children’s agency betonte Selbstorganisation und Wirkmächtigkeit von Kindern konterkariert entwicklungspsychologische, sozialisationstheoretische und anthropologisch-pädagogische Vorstellungen von Kindheit als einer Übergangsphase innerhalb des Lebenslaufs bzw. eines pädagogisch bespielbaren Schutzraums (Moratorium). Vorstellungen dieser Art laufen pädagogisierend und zukunftsfixiert Gefahr, Gegenwart und Alltag des Kindes zu vernachlässigen (vgl. Esser et al. 2016b, S. 2 f.; Oswell 2016, S. 21). Zugleich kann diese Betonung auch als Gegenreaktion auf die Gefährdungs- und Risikodiskurse der 1980er und 1990er Jahre interpretiert werden, die ihrerseits Kinder als passive Gesellschaftsteilnehmende bzw. als schutzbedürftige Objekte ausweisen. Demgegenüber wird das wissenschaftliche Verständnis der childhood studies, Kinder als kompetente soziale Akteure zu begreifen, im Rückgriff auf agency konzeptionell zu fassen versucht: Kindheit wird als eine soziale Konstruktion gedacht, innerhalb der Kinder (als Kinder) mit und gegen die sozialen Strukturen agieren, sodass ihnen in Abhängigkeit zu ihren Erfahrungen, zu den Möglichkeiten von Partizipation sowie zu den Ungleichheiten produzierenden Strukturen Handlungsfähigkeit zu- und aberkannt werden kann (vgl. Oswell 2016, S. 21). Exemplarisch fassen Alan Prout und Allison James (1990) diese programmatische Position des ‚neuen‘ Kindheitsverständnisses zusammen:

„Kinder sind und müssen in der Konstruktion und Bestimmung ihres eigenen sozialen Lebens, des Lebens der Menschen um sie herum und das der Gesellschaften, in denen sie leben, als aktive gesehen werden. Kinder sind nicht nur die passiven Subjekte sozialer Strukturen und Prozesse“ (ebd., S. 8; eigene Übersetzung).

Insgesamt lässt sich die vorliegend skizzierte gegenstandsbezogene Transformation des Agency-Konzepts, flankiert von der theoretischen Folie generationaler Ordnung, zu einer Kernfrage der childhood studies verdichten, nämlich zu der Frage danach, inwieweit „der Umstand, Kind oder Erwachsener zu sein“ (Eßer 2008, S. 141), „Auswirkungen auf die konkreten Handlungsspielräume von Subjekten hat“ (ebd.). In der Auseinandersetzung mit dieser Frage dominieren anfänglich zunächst substantialistische Verständnisse von agency, während sich im Laufe der 2000er Jahre im deutschsprachigen Diskurs ein relationales Verständnis durchsetzt.

3.1 Substantialistische Zugänge

Das Postulat der childhood studies, Kinder als soziale kompetente Akteure zu betrachten, bezieht sich, explizit in Rekurs auf Giddens, auf eine individuumsbezogene Auslegung von agency mit dem Effekt, children’s agency mitunter ontologisch vorauszusetzen oder auch in einer ethischen Emphase politisch einzufordern (vgl. Oswell 2016, S. 21 f.; Raithelhuber 2016, S. 93 ff.). Letzteres erfolgt im Verständnis einer politisch motivierten Agenda, welche Kinder als benachteiligte Minderheit in einer Erwachsenengesellschaft wahrnimmt und für Emanzipation und Partizipation von Kindern eintritt. Kernbotschaft des politischen Anliegens ist es, den Kindern ‚eine Stimme zu geben‘ (Esser et al. 2016b, S. 3 ff.; vgl. Oswell 2016, S. 21 f.). Ontologisch vorausgesetzt, bindet agency die mehr oder weniger vorhandenen Handlungsfähigkeiten und -möglichkeiten an das Kind als Person. Indem agency personal gebunden ist, lässt diese sich empirisch in einem Kontinuum von ‚thin agency‘ und ‚thick agency‘ analytisch ausdifferenzieren. Dieses gesellschaftlich (re)produzierte Kontinuum wird bspw. als ein Spektrum von Komplizenschaft und Widerstand (vgl. Bühler-Niederberger und Schwittek 2014; Bühler-Niederberger 2020) oder als ein Spannungsfeld von Vulnerabilität und Kompetenz (vgl. Tisdall und Punch 2012) beschrieben. Kindern wird somit ein prinzipielles Vermögen zugeschrieben, kompetent bzw. selbstwirksam und -reflexiv zu handeln (vgl. Oswell 2016, S. 21). Zugespitzt gesprochen, wird hierbei die soziale Konstruktion Kindheit eingeklammert, um darüber letztlich eine ‚eigentliche‘ Handlungsmacht von Kindern erkennen und anvisieren zu können.

Diese Perspektive auf Kinder als a priori handlungsfähige Akteure, die sich auch gegenüber den existierenden sozialen Strukturen ermächtigen und jene hierdurch verändern (vgl. Esser 2016, S. 48), setzt sich von einer Vielzahl von klassischen Erziehungs-, Entwicklungs- und Sozialisationstheorien ab, die auf die Internalisierung von Werten und Normen abzielen. Des Weiteren argumentiert sie gegen ein Verständnis von Handlungsfähigkeit, in welchem Kinder erst bestimmte Fähigkeiten entwickeln müssen, die erforderlich sind, um agency innerhalb der Gesellschaft zu erlangen.

So wie der Status von Kindern als sozial kompetente Akteure ontologisierend und quasi-anthropologisch zugeschrieben wird, evoziert ein solches substantialistisches Verständnis kindlicher agency eine Vielzahl kritischer Fragen: Entstanden die childhood studies selbst als Abgrenzung zu den Kinder ontologisierenden Perspektiven des Sozialisationskonzeptes sowie des Entwicklungsparadigmas, so tragen sie nun paradoxerweise in Teilen selbst zu einer Ontologisierung von Kindern bei, dadurch dass sie Kinder per se als handlungsfähig definieren (vgl. Wihstutz 2016, S. 62). Weiterhin wird kritisiert, dass ein solches Agency-Verständnis lediglich dann proklamiert werden könne, wenn kindliche Handlungsfähigkeit die bestehenden Strukturen herausfordere oder gar verändere. Demgegenüber zeigen empirische Studien jedoch auf, dass auch eine Stabilisierung von Strukturen und Ordnungen auf kindliche Handlungsfähigkeit zurückgeführt werden kann (vgl. Bühler-Niederberger und Schwittek 2014). Auch ist ein solches substantialistisches, personales Verständnis von agency als ‚global-westliches‘ und essentialistisches Modell kritisiert worden (vgl. Eßer 2014b). Insgesamt kann es nicht begründen, worauf die Akteurschaft von Kindern zurückzuführen ist, wodurch also agency erzeugt wird – somit die Entstehung von etwas Neuem (vgl. Graßhoff 2014, S. 440; Raithelhuber 2016, S. 91).

3.2 Relationale Zugänge

In den 2000er Jahren verschob sich diese Debatte zunehmend hin zu einem relationalen Verständnis (vgl. Esser et al. 2016c), welches die Beziehung zwischen Kindern und anderen Akteuren seiner Netzwerke, wie etwa Familie und Peers, aber auch Kindertageseinrichtung und Schule betont, und agency immer schon als sozial hervorgebracht und zwischen den Akteuren zirkulierend betrachtet (vgl. Esser 2016, S. 49 ff.).

„Für die Kindheitsforschung resultiert hieraus, dass Kinder – ebenso wie andere Subjekte – Agency nicht einfach ‚haben‘, sondern dass Agency in jeweils unterschiedlich gelagerten sozialen Beziehungen entsteht – in die auch Erwachsene eingebunden sein können“ (Eßer und Sitter 2018, S. 4).

Dies hat auch Konsequenzen im Hinblick auf das Verständnis von Akteurschaft und damit ebenso auf den Status, der Kindern zugesprochen wird: Indem Kinder nicht länger als Akteure mit geschlossenen Identitäten verstanden werden, sondern als Knotenpunkte sozialer Beziehungen (vgl. Esser 2016, S. 51), gründet agency weniger in Unabhängigkeit als vielmehr in Korrelation und wechselseitiger Abhängigkeit (vgl. Esser 2016, S. 58). Akteure einer solchen Agency-Perspektive

„sind also nicht autonome Subjekte (agents), deren Handlungsfähigkeit als gegebene Eigenschaft vorausgesetzt wird, sondern Individuen und soziale Gruppen, deren Identitäten Moment bestimmter sozialer Konstellationen sind, woraus je spezifische Ermöglichungen und Begrenzungen ihrer Handlungsfähigkeit resultieren“ (Scherr 2013, S. 233).

Konkret bezogen auf die Vorstellung, Kinder als Akteure zu denken, lässt sich somit eine Tendenz der Relativierung beobachten. Dabei verweisen relationale Ansätze vermehrt auf poststrukturalistische, neo-materialistische und netzwerktheoretische Erkenntniseinstellungen: Statt Kindheit in letztlich geisteswissenschaftlich-philosophischen Überlegungen mit der modernen Vorstellung und starken Ontologie eines substantialistischen Subjektes zu verbinden, leiten diese gegenwärtig diskutierten Erkenntniseinstellungen über Bezugnahmen auf Relationalität, Performativität sowie mitunter Arbitrarität in das Paradigma einer schwachen Ontologie über (vgl. Oswell 2016, S. 22 ff.). Indem etwa sozial-materiale Verschränkungen fokussiert werden (vgl. Bollig 2020, S. 25), verflüssigen sich Strukturen zu Netzwerken, Praktiken und Figurationen, in denen die Handlungsfähigkeit von Kindern erst im Zusammenspiel heterogener Entitäten hervorgebracht wird (vgl. Oswell 2016, S. 20). Über diese Blickrichtung wird versucht, den zwischen Menschen und Dingen „offenen und unvorhersehbaren ‚dance of agency‘ […], in welchem sich die Akteurschaft je konkret zwischen humans und non-humans verteilt und relational ausbildet“ (Bollig 2020, S. 25), analytisch einzufangen. Auch weisen einige praxeologische Ansätze den Akteursbegriff explizit zurück, indem stattdessen von ‚Partizipand:innen an einer Praxis‘ gesprochen wird (vgl. Bollig und Kelle 2014, 2016). Insgesamt wird der Akteursbegriff abgeschwächt, etwa indem agency gleichermaßen auf menschliche Akteure und nicht-menschliche Aktanten verteilt wird oder aber indem mit geschlossenen Identitätskonzepten gebrochen und stattdessen auf das performative und diskursive Zusammenspiel fragiler und fluider Subjektpositionen rekurriert wird (vgl. Eßer 2014b; Farrenberg 2019).

Eine Pointe kann hierbei darin gesehen werden, dass relationale Agency-Konzepte letztlich insofern wieder etwas näher an Vorstellungen von Ordnungen und Struktur heranrücken, als sie auf das Soziale, und damit – wenn auch verteilt, verflüssigt oder interaktionistisch angelegt – letztlich auf ein Jenseits des Subjektes abstellen. Dies gilt einmal mehr, wenn analog zu den hier beschriebenen Zugängen zu agency, Ordnungen – etwa als ‚generationales Ordnen‘ (vgl. Bühler-Niederberger 2020) oder als ‚generationale Ordnungsbildungen‘ (vgl. Farrenberg 2018) – ebenfalls relational, prozessual oder praxeologisch entfaltet werden.

4 Das Kind als Akteur erziehungswissenschaftlich-pädagogisch

4.1 ‚Pädagogik vom Kinde aus‘

Das Aufrufen kindlicher Akteurschaft findet in erziehungswissenschaftlich-pädagogischen Debatten bereits lange vor sowie in Teilen jenseits der zuvor beschriebenen, gegenwärtigen sozialwissenschaftlichen Fokussierung auf agency statt: Historisch betrachtet setzt die Auffassung vom Kind als Akteur spätestens mit dem Beginn der Romantik und der zentralen Rolle des Kindes als Hoffnungsträger einer aufkommenden bürgerlichen Gesellschaft ein (vgl. Baader 1996). So fungiert das Kind „als Inbegriff der ambivalenten Moderne: Es vermochte sowohl Hoffnungen auf eine bessere Zukunft zu wecken als auch Sorgen um die zukünftige gesellschaftliche Entwicklung heraufzubeschwören“ (Balcar 2018, S. 66). Weiterhin findet die Auffassung ihren Niederschlag in der Reformpädagogik der ersten Moderne. Als eine wichtige „Stichwortgeberin der […] reformpädagogischen Bewegungen“ sowie zentrale Impulsgeberin „einer entwicklungsoptimistischen […] ‚Pädagogik vom Kinde aus‘“ (Raithel et al. 2009, S. 139) gilt Ellen Key (1902). Sie formuliert den Kerngedanken, dass Kinder nicht lediglich als ‚Noch-nicht-Erwachsene‘ zu betrachten sind, sondern eine eigenständige Personengruppe bilden. Daraus ergibt sich, dass Kinder Erwachsenen prinzipiell fremd sind, da sie unterschiedlich fühlen, denken und handeln.

Neben diesen reformpädagogischen Bewegungen fokussierte die Ende des 19. Jahrhunderts aufkommende empirische Kinderforschung als primär naturwissenschaftlich orientierte Wissenschaft das einzelne, potentiell gefährdete Kind (vgl. Eßer 2014a; Balcar 2018): Im Verbund mit der internationalen child study-Bewegung steht deren spezifische Form der empirischen Beforschung von Kindern um die Jahrhundertwende auch im engen Zusammenhang mit der disziplinären Ausbildung einer Entwicklungspsychologie, die sich mehrheitlich durch experimentelle, empirisch-standardisierte Zugänge profilierte. Insbesondere für pädagogisch-praktische, häufig pathologisierende Problemstellungen wie z. B. Bindung, Schulfähigkeit oder Delinquenz ist ein solches individualisierendes Verständnis in Teilen bis heute äußerst anschlussfähig, während sozialisationstheoretische Konzepte wie bspw. ‚Selbstsozialisation‘ der Kinder (Zinnecker 2000), Kinder als ‚produktiv realitätsverarbeitende Subjekte‘ (Hurrelmann 1983), Prozesse einer ‚interpretative reproduction‘ im kindlichen Handeln (Corsaro 1985) oder die kulturtheoretische Figur einer ‚Kinderkultur‘ (vgl. Schmidt und Schulz 2022) erst zögerlich auf Aufmerksamkeit in der Pädagogik stoßen.

4.2 Soziale Arbeit

Nahezu emphatisch lässt sich agency in Verbindung bringen mit der Vermittlungstätigkeit zwischen Individuum und Gesellschaft, die gemeinhin als gesellschaftliche Funktion Sozialer Arbeit beschrieben wird (vgl. zusammenfassend Farrenberg und Schulz 2020, S. 45 ff.). In der sozialpädagogischen Diskussion verbindet sich mit dem Agency-Begriff das Potential einer Erweiterung des sozialpädagogischen Blickes dahingehend, etwa Kinder nicht primär als Adressat:innen von spezifischen sozialen Dienstleistungen zu betrachten, sondern sie umfassender als soziale Akteure wahrzunehmen und die Möglichkeit ihrer Handlungsfähigkeit zu analysieren. Diese Akteursperspektive greift unmittelbar Fragen von Partizipation auf (vgl. Homfeldt et al. 2008, S. 7 f.). So leistet der Agency-Begriff bezogen auf die Arbeit mit Heranwachsenden eine Stärkung von Handlungsfähigkeit in sozialen Prozessen, die über eine exemplarische Gestaltung und Mitbestimmung im ‚Erprobungsraum Kindheit‘ hinausgeht (vgl. Böhnisch und Schröer 2008, S. 56).

Epistemisch transportieren gerade relationale Agency-Konzepte die Möglichkeit, „die Scheinalternative zwischen einem Verständnis ihrer Adressaten als autonome Subjekte ihrer Lebenspraxis oder als passive Opfer der Verhältnisse endgültig zu verabschieden“ (Scherr 2013, S. 241). Dennoch lässt sich insgesamt ein eher punktueller Einsatz der Chiffre agency feststellen, demgegenüber überwiegen nach wie vor Bezugnahmen auf das sozialpädagogische Kernprinzip der Partizipation, welche zudem als grundlegende sozialpädagogische Arbeitsform im SGB VIII rechtlich kodifiziert ist (vgl. Farrenberg und Schulz 2022, S. 138).

Besondere Relevanz kommt der Agency-Perspektive vor dem Hintergrund zu, dass sich sozialpädagogische Tätigkeitsfelder wie die der Kinder- und Jugendhilfe im Zuge einer ihnen zugeschriebenen Bildungsbedeutsamkeit gegenwärtig sowohl humankapitalistischen Zugriffen ausgesetzt sehen als auch Pädagogik zunehmend mit Verhaltens(um)steuerung gleichgesetzt wird, sodass ein Fokussieren der Akteursperspektive des Kindes in alternative Formen von Professionalität überzuleiten vermag (vgl. Eßer 2008, S. 135 f.). Kritisch kann jedoch markiert werden, dass im Speziellen die Gidden’sche Konzeption von agency eine große Nähe zum sozialstaatlichen Paradigma des aktivierenden bzw. sozialinvestiven Staates unterhält, deren geistiger Vater im Verständnis einer ‚befähigungsorientierten Sozialpolitik‘ eben u. a. Giddens ist: Die prinzipielle Unterstellung einer ontologischen agency des Menschen bildet dann ein Einfallstor für neosoziale Verantwortungszuschreibungen und Aktivierungsbemühungen (vgl. Graßhoff 2014, S. 439; Scherr 2013, S. 239 f.; Ziegler 2008, S. 90 ff.), welche auch gerade jene Menschen adressieren, um deren gesellschaftliche Teilhabe sich Soziale Arbeit bemüht (vgl. hierzu im Überblick Kessl 2013). Noch einmal breiter und gouvernementalitätstheoretisch perspektiviert, gerät im Anschluss an Michel Foucault zudem die selbstkritische Frage in den Blick, welchen Rationalitäten agency in den jeweiligen sozialen Konfigurationen eigentlich folgt: So kann sich Handlungsfähigkeit beispielsweise sowohl mit dem Ziel der Herstellung von work- bzw. employability als auch in einem Zurückweisen dieses Teilhabeversprechens zeigen (vgl. Karl 2008, S. 72 ff.).

4.3 Kindheits- und Grundschulpädagogik

Gegenüber der Sozialpädagogik hält eine explizite Bezugnahme auf agency in den Subdisziplinen, die sich auf ‚Kindheitsinstitutionen‘ wie Kindertageseinrichtung und Schule fokussieren, mit einer deutlichen zeitlichen Verzögerung und inhaltlichen Verschiebung Einzug: Anschlussfähig an aktuelle Bildungspolitiken, die kindliche Bildung abstrakt und prozessual konzipieren, ist ein zentraler Bezugspunkt der Ausbau von öffentlicher Ganztagsbetreuung in der frühen und mittleren Kindheit mit dem Fokus auf die (erfolgreiche) Co-Produktion dieser institutionellen Alltage durch Kinder. Begründen lässt sich dies, da die pädagogischen Institutionen in dem Spannungsverhältnis stehen, ein angemessenes Angebot für eine heterogene Gruppe von Kindern zu sein und zugleich die Förderung von Bildung und Entwicklung zu individualisieren. Ein weiterer Bezugspunkt ist die Durchsetzung und der Ausbau von Kinderrechten auf allen Ebenen, u. a. der Stärkung von Partizipationsrechten und -möglichkeiten über die Novellierung des SGB VIII. Kindliche Handlungsfähigkeit wird substanziell im Alltag der Institutionen verortet – mit deren empirischer Beobachtung werden Möglichkeiten geschaffen, Kindern eine Stimme zu geben, um ihnen öffentlich Gehör zu verschaffen (‚voicing‘). Dies unterliegt auch der Vorstellung, dass die Perspektive von Kindern in Diskurse eingespeist werden kann, zu denen Kinder selbst nicht unmittelbar Zutritt haben. Mit dem Fokus auf die Förderung von individuellem Lernen in öffentlichen Institutionen soll mitunter auch dem well-being und den Handlungsfähigkeiten und -möglichkeiten von Kindern Aufmerksamkeit geschenkt werden mit dem Ziel, deren agency zu erhöhen. An diesem funktionalistischen Agency-Verständnis lässt sich kritisieren, dass es die Reproduktion von sozialer Ungleichheit vorantreiben kann, indem strukturelle Barrieren öffentlicher Institutionen ausgeblendet werden und sich stattdessen naturalisierende Zuschreibungen und Individualisierungen weiter verfestigen (vgl. Eckermann und Heinzel 2015). Zugleich wird mit dieser spezifischen Deutung von children‘s agency ein disziplinäres Problem aufgerufen, sind doch psychologische, erziehungswissenschaftliche und soziologische Annahmen über Kinder und Kindheit mit dieser kaum vereinbar (vgl. ex. hierzu Drieschner und Smidt 2023).

5 Agency als Forschungszugang

Wie bereits angedeutet, finden sich Bezugnahmen auf agency in einer Vielzahl empirischer Studien und Forschungszugänge wieder. Vor allem die Frage, ob unter agency etwas verstanden wird, das „aus qualitativen Daten empirisch rekonstruiert“ (Helfferich 2012, S. 10) oder aber „theoretisch als Handlungsmächtigkeit hergeleitet und definiert wird“ (ebd.), stellt hierbei ein wesentliches Kriterium der Unterscheidung dar. Denn in diese Frage spielt zum einen hinein, zu welchem Zeitpunkt innerhalb des Forschungsprozesses Bezugnahmen auf agency erfolgen, sprich ob jene vor oder nach der Erhebung und Analyse der empirischen Daten einsetzen und die Forschung damit strukturieren. Zum anderen lenkt die Frage den Blick auf den epistemologischen Status, der agency beigemessen wird, wenn Kinder als Akteure be- oder erforscht werden: So kann agency entweder deduktiv vorausgesetzt werden, abduktiv als ein sensibilisierendes Konzept fungieren, mit dem das empirische Datum aufgeschlossen werden soll, oder aber induktiv erst aus dem empirischen Datum erschlossen werden (vgl. ebd., S. 29 ff.). Mit Blick auf aktuelle Studien zeigt sich, dass die theoretisch-konzeptionelle Weiterentwicklung von substantialistischen Zugängen hin zu relationalen Agency-Perspektiven in empirischen Analysen bislang kaum eingelöst wurde.

Zudem kann unterschieden werden, ob es Forschungsziel ist, children’s agency empirisch zu erforschen oder aber jene über partizipative Forschung mit Kindern sicherzustellen: Exemplarisch für die Erforschung kindlicher Handlungsfähigkeit stehen Studien, die Lebenswelten und peer cultures von Kindern untersuchen (vgl. im Überblick Schmidt und Schulz 2022) sowie institutionelle Settings erkunden, in die Kinder eingebunden sind (vgl. ex. Farrenberg 2018). In diesem Sinne sind bspw. kindheits- und grundschulpädagogische Forschungen zu verstehen, die Kinder als Co-Produzierende konzipieren, die maßgeblich an der Herstellung von Einrichtungsqualität von Kindertageseinrichtung (vgl. ex. Nentwig-Gesemann et al. 2017) oder Grundschule (vgl. ex. Fischer et al. 2022) beteiligt sind, bzw. maßgeblich an Prozessen der institutionellen Bildung (vgl. ex. Schulz 2016) oder an der Tagesstrukturierung von Kindertageseinrichtung mitwirken (vgl. ex. Schlattmeier 2022). In ihren Ergebnissen verweisen sie teils implizit, teils explizit auf agency, bis hin zu Versuchen, über den Ausweis kindlicher Handlungsfähigkeit die kindheitssoziologische Prämisse einer Konstruiertheit von Kindheit zu belegen (vgl. Raithelhuber 2016, S. 89 f.). Seit den 1990er Jahren gewinnen zudem partizipativ angelegte Forschungen zunehmend an Bedeutung (s. Eßer i. d. B.), welche „explizit nach ‚der Perspektive der Kinder‘ [.] fragen und Forschung nicht als eine über Kinder, sondern mit Kindern“ (Mey und Schwentesius 2019, S. 4) gestalten. Kinder sind darin nicht länger Forschungsgegenstand, sondern werden nun selbst zu (Co-)Forscher:innen (vgl. Eßer und Sitter 2018; Wöhrer et al. 2017). Selbst in der groß angelegten und indikatorengestützten, internationalen Sozialberichterstattung über child well-being wird das Einbeziehen des Akteurs Kind als relevant betrachtet (vgl. Fegter i. d. B.; Betz 2018, S. 53; Fattore et al. 2012).

Unabhängig davon, ob children’s agency nur erforscht oder zudem auch im Forschungsprozess gewährleistet werden soll, schreibt sich die generationale Differenz unhintergehbar in den Prozess und in die Ergebnisse der Forschung mit ein (vgl. Mey und Schwentesius 2019, S. 33). Kindzentrierte Methoden zu entwickeln und auf die ‚besondere‘ Positioniertheit von Kindern als Forscher:innen dezidiert einzugehen, kann sich als ebenso adultistisch erweisen wie eine Nivellierung der generationalen Differenz (vgl. Eßer und Sitter 2018, S. 5). Gerade im Kontext von Forschung und im Ineinanderwirken von agency und generationaler Positioniertheit ist die Reflexion dessen unabdingbar (vgl. Mey und Schwentesius 2019, S. 34).

6 Resümee

Historisch betrachtet, wird die Folie Kinder als Akteure gerade in pädagogischen Zusammenhängen schon lange aufgerufen und gängigen Rationalisierungen von Unmündigkeit sowie einer Aufforderung zur Erziehung antithetisch gegenübergestellt. Ungeachtet dessen werden tradierte ‚taken-for-granted‘-Vorstellungen von Kindern und Kindheit, wie sie bspw. über das Entwicklungsparadigma und Konzepte von Erziehung und Sozialisation transportiert werden, in der gegenwärtigen Fokussierung der sozialwissenschaftlichen Chiffre agency produktiv irritiert und zurückgewiesen. Gleichzeitig finden sich unter dieser Chiffre zahlreiche, mitunter inkommensurable Perspektiven und Zugänge versammelt, die einer begrifflichen Eindeutigkeit ebenso entgegenstehen wie sie auch bereits für sich genommen kritische Fragen hervorrufen: So muten substantialistische Ansätze, die agency ontologisierend im grundsätzlichen Vermögen des Kindes verorten, ebenso theoretisch naiv und erklärungsbedürftig an wie relationale Ansätze, welche die Hervorbringung von agency verteilt in Netzwerken, Beziehungen und Akteurskonstellationen verorten, Gefahr laufen, letztlich relativistisch zu werden und den originären Begriff des Handelns ad absurdum zu führen. Provokant gefragt: Was ist letztlich an differenzierter Erkenntnis gewonnen, wenn sich vormals dualistisch und substantialistisch entworfene, voneinander unterscheidbare Konzepte bzw. Entitäten nun allesamt im Verständnis von Relationen in der Mitte schwacher Ontologien wieder treffen?

Indes liegt ein politisch-konzeptioneller Vorteil dessen, agency relational zu denken, darin, dass responsibilisierende und individualisierende Zuschreibungen, welche der Akteurschaft von Kindern anhaften, obsolet werden. Auch dürften relationale Perspektiven der Komplexität sozialer Wirklichkeit zusammengenommen noch am ehesten gerecht werden, indem die „unendliche Geschichte“ (Raithelhuber 2008, S. 36) um die „Frage, ob menschliches Handeln sozial determiniert, oder aber ein Handeln autonomer Subjekte ist“ (Scherr 2013, S. 231) durch sie zu der Frage hin verschoben wird, wie „individuelle und kollektive Handlungsfähigkeit sozial ermöglicht, begrenzt und formiert wird“ (ebd., S. 232). Für die forscherische Inblicknahme von Kindern und Kindheiten rückt damit in den Vordergrund, unter welchen Bedingungen Kindern als Kindern Handlungsfähigkeit zugeschrieben wird und welche Subjektpositionen ihnen zugesprochen werden. Eben hierfür ist ein Absolut-Setzen von agency jedoch wenig hilfreich (vgl. Esser et al. 2016a, S. 290 f.): Analytisch produktiv scheint es vielmehr, die Konzepte generationaler Ordnung und agency weniger isoliert und stärker in ihrer interdependenten Verwobenheit zu betrachten. Statt Kinder reflexhaft als handlungsfähige Akteure zu bestimmen, können Reichweiten und Grenzen kindlicher Akteurschaft somit empirisch aufgeschlossen werden.