Botswana gegen Umweltministerin Lemke: Was wirklich hinter dem Streit um 20.000 Elefanten steckt

Botswana gegen Steffi Lemke: Was wirklich hinter dem Streit um 20.000 Elefanten steckt

Afrikanische Politiker werfen der grünen Umweltministerin neokoloniale Einmischung vor. Womit hat der afrikanische Naturschutz wirklich zu kämpfen?

Auge in Auge mit einem Elefanten
Auge in Auge mit einem ElefantenPond5 Images/Imago

Verkehrte Welt: Die Politik unserer Umweltministerin Steffi Lemke (Grüne) soll „rassistisch“ und „neokolonialistisch“ sein – das sehen zumindest Lemkes Amtskollegen Pohamba Shifeta aus Namibia und Dumezdweni Mthimkhulu aus Botswana so. Auslöser der deftigen, letzte Woche auf einer Pressekonferenz in Berlin vorgebrachten Vorwürfe ist ein von Lemkes Ministerium vorbereitetes Verbot der Einfuhr von Jagdtrophäen.

Die Anschuldigungen treffen ausgerechnet grüne Politik, deren politische Erbmasse doch die kleinsten Spurenelemente rassistischer und kolonialer Ideen ausschließen sollte. Eigentlich eine sichere Bank, so dachte man wahrscheinlich in Lemkes Ministerium bei der Vorbereitung des Verbotes. Was kann schon schiefgehen? Typische Trophäenjäger sind mit hoher Wahrscheinlichkeit alte weiße Männer mit zu viel Geld und großen Häusern und dicken Autos, also die erklärten Endgegner der Grünen. Warum also nicht Gratis-Lorbeeren bei der eigenen Klientel einheimsen und den Jägern das Leben ein wenig schwerer machen. Der Erhaltung der bedrohten Tierarten diene es allemal, so dachte man wahrscheinlich. Wenn weniger Elefanten und Löwen abgeschossen würden, so müsste das doch gut sein, überlegte man wohl hinter Berliner Schreibtischen.

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Lemkes Verbotsentwurf ist nicht aus dem Blauen heraus entstanden. Auch Non-Profit-Organisationen wie Pro Wildlife behaupten, dass die legale, also regulierte Jagd Ursache für das Artensterben sei. Eine Petition für ein Einfuhrverbot von Trophäen wurde von über 86.000 Unterstützern unterschrieben. Im Jahr 2023 seien, so Pro Wildlife, 569 Jagdtrophäen nach Deutschland eingeführt worden.

Trophäenverbot hilft dem Artenschutz nicht

Doch so einfach ist die Angelegenheit nicht. Artenschutz ist nämlich viel mehr als das bloße „Verbieten“ des Tötens seltener Tiere. Das versucht jetzt sogar Botswanas Präsident Mokgweetsi Masisi der deutschen Umweltministerin deutlich zu machen. Er unterbreitet Lemke das Angebot, dass Deutschland doch 20.000 Elefanten aufnehmen könne, wenn man mit dem in seinem Land praktizierten Abschuss von Elefanten nicht einverstanden sei. Botswana leidet – wie andere Länder des südlichen Afrika auch – seit Jahren unter einer massiven Überpopulation von Elefanten.

Jagdtrophäen in Nairobi
Jagdtrophäen in NairobiArdea/Imago

Das sicherlich nicht ganz ernst gemeinte Angebot Masisis hält den deutschen Grünen auf augenzwinkernde Weise den Spiegel vor. In Botswana schüttelt man darüber den Kopf.

Denn in Afrika gibt es seit Jahren mit großer praktischer Expertise aufgebaute Artenschutzprogramme und Wildlife-Management-Pläne. Sie sind vielleicht nicht immer perfekt, aber im Großen und Ganzen doch in vielen Ländern recht erfolgreich. So haben sich die Populationen vieler Arten in den vergangenen Jahren stabilisiert oder sogar übermäßig ausgeweitet. Und zu diesen Artenschutzprogrammen gehört auch die kontrollierte Bejagung verschiedener Spezies, so auch von Großwild. Hierfür gibt es ganz rationale Gründe.

Beim kontrollierten Abschuss eines Tieres, sagen wir eines Löwen, geht es etwa um die gezielte Entnahme alter männlicher Tiere. Man erweitert so den Genpool der verbleibenden Tiere und ihrer Nachkommen. In Löwenrudeln gibt es jeweils ein dominantes Männchen, welches seine Gene weitergibt, solange es im Revierkampf nicht unterliegt. Ein menschliches Eingreifen sorgt hier für die genetische Vielfalt und Stabilität der verschiedenen Rudel.

Auch Elefanten kann man jagen, man muss es sogar. Die Elefantenpopulation ist beispielsweise im auch vielen deutschen Touristen bekannten, riesigen Krüger-Nationalpark, der sich über Teile Südafrikas, Mosambiks und Simbabwes erstreckt, derart hoch, dass man teilweise mehrere Hundert Elefanten schießen muss.

Dies klingt für europäische Ohren selbsternannter Tierschützer vielleicht grausam und falsch. Es ist aber angesichts des großen Appetits auf Gras, Büsche und Bäume, den Elefanten haben, eine Möglichkeit, die Artenvielfalt und ökologische Balance des Krüger-Parks zu erhalten. Denn in von Elefanten gründlich abgefressenen Landstrichen wird das Gleichgewicht zwischen Kleintieren, Vögeln, Insekten, Antilopen und Reptilien empfindlich gestört. Dies wiederum hat negative Auswirkungen auf die Anzahl anderer großer und kleiner Tiere und damit auf das gesamte Ökosystem.

Die extrem hohen Preise, die für solche Abschüsse eben von Trophäenjägern gezahlt werden, fließen u.a. in die Monatslöhne der Tausenden Ranger, die in afrikanischen Wildschutzgebieten gegen die illegale Wilderei vorgehen. Und illegale Wilderei greift viel stärker – und unreguliert – in die Wildtierpopulationen, besonders die der begehrten und sehr seltenen Nashörner, ein.

Gezielte Jagd gehört zum Naturschutz und Tourismus

Afrikanische Länder haben riesige Landstriche zu Nationalparks erklärt, in Botswana ist fast die Hälfte der Landfläche dem „Wildlife“ gewidmet. Man darf nicht vergessen: Die afrikanischen Herkunftsländer von Wildtrophäen haben ein vitales Interesse daran, ihre wertvolle Ressource „Wildlife“ dauerhaft und nachhaltig zu erhalten. Der Tourismus ist für immer mehr afrikanische Länder ein wichtiger Wirtschaftssektor und er funktioniert nur mit intakter Natur und gesunden Tierpopulationen.

Ein Jäger in Simbabwe
Ein Jäger in SimbabweZUMA Press/Imago

Afrikanische Länder managen daher die natürlichen Lebensräume mit viel Aufwand und sehr erfolgreich, inklusive der Jagd. Lemkes Ministerium wollte sich nun in dieses in Afrika seit Jahren erfolgreich erprobte Arrangement einmischen, indem es deutschen Jägern unmöglich macht, ihre Trophäe mit nach Hause zu nehmen. Man kann natürlich darüber unterschiedlicher Auffassung sein, ob es schön ist, sein Haus mit einem präparierten Zebrakopf oder einem Löwenfell zu „verschönern“.

Fakt ist jedoch, dass man dem Art­­enschutz in Afrika einen gewaltigen Bärendienst erweist, wenn man ideologisch Verbote erlässt. Man muss afrikanischen Regierungen auch zutrauen, in dieser Hinsicht das Richtige zu tun, auch wenn europäische Bürokraten anderer Meinung sind. Wenn man etwa einzelne Löwen oder Elefanten nicht in Dollars ummünzen kann, sinkt das Interesse, effektiv gegen illegale Wilderer vorzugehen. Die Anti-Wilderer-Trupps sind ohnehin schon in einer prekären Situation.

Man darf sich hier nichts vormachen: Wilderei ist ein riesiges Problem in Afrika. Einerseits spielen soziale Aspekte eine Rolle: Buschfleisch, d.h. Zebra, Antilope, teilweise auch Primaten, Nager und Reptilien sind für viele Arme und Mittellose eine willkommene zusätzliche Proteinquelle. In den zu Tausenden ausgelegten Schlingen, mit denen man eine Antilope fangen möchte, kommen aber eben auch Löwen, Nashörner und Elefanten um.

Viel schwerwiegender ist allerdings die Wilderei durch bezahlte Profis, die den asiatischen Markt bedienen und es gezielt auf Hörner von Nashörnern, Löwentatzen (und -köpfe) und Elfenbein abgesehen haben. Ein einzelnes Horn eines Nashorns bringt auf dem Schwarzmarkt viel mehr, als viele Afrikaner durch ehrliche Arbeit in Jahren verdienen können. Und den riesigen Nachfragemarkt in Asien trocknet man sicherlich nicht durch das Einfuhrverbot von (harmlosen) Trophäen nach Deutschland aus.

Auch hier darf man sich keinen Illusionen hingeben: Die Verhinderung von Wilderei ist ein teures und in vielen Fällen unschönes Business. Finden Patrouillen gewilderte Tiere, so läuft eine quasi-militärische Aktion an. Es werden Drohnen eingesetzt. Bewaffnete Truppen, oft aus ehemaligen Soldaten bestehend, kommen zum Einsatz. Regelmäßig gibt es in diesen Fällen Tote (die möglichst auch nicht in Medien auftauchen und Touristen verschrecken sollen). Denn Wilderer sind bestrebt, sich keinesfalls für viele Jahre in afrikanische Gefängnisse stecken zu lassen. Sie wehren sich mit allen Mitteln – auch mit Gewehren und Maschinenpistolen. Zimperlich agieren beide Seiten jedenfalls nicht!

Und leider ziehen die Anti-Wilderer-Teams oft den Kürzeren, denn das Geschäft mit Nashornpulver und Löwenknochen boomt derart, dass die Wilderer inzwischen oft recht professionell mit Waffen und Elektronik ausgerüstet sind. So werden beispielsweise die in von Touristen in sozialen Medien veröffentlichten Fotos von Nashörnern zu einer lebensbedrohlichen Gefahr für die Vierbeiner, weil die Wilderer die Geodaten der Posts auswerten und die Nashörner so leicht aufspüren können.

Die Wildhütertruppen sind hingegen oft zu klein und nicht immer gut ausgerüstet. Wir sprechen im Falle von Nationalparks im südlichen Afrika über Landstriche, die größer sind als manches europäische Land. So etwas überwacht man nicht mit 20 Mann und einem Landrover.

Safari-Guide auf der Suche nach Tieren
Safari-Guide auf der Suche nach TierenPond5 Images/Imago

Gespräche mit Partnern in Afrika statt neokolonialer Einmischung

Schon seit vielen Jahren wird beispielsweise in afrikanischen Wildschutzorganisationen eine Legalisierung und Regulierung des Handels mit Nashorn-Horn diskutiert. Die Grundidee ist, den Wert des lebenden Nashorns zu steigern, dessen Horn regelmäßig bei betäubten Tieren abgesägt werden kann (es wächst wieder nach!). Bleibt der Handel illegal, sterben die Nashörner, denn Wilderer gehen nicht mit Betäubungsgewehr und Tierarzt los und sägen das Horn schonend ab.

Ein ähnlicher Ansatz wurde ebenfalls stark diskutiert: Südafrika dachte regelmäßig darüber nach, ob man die Märkte für Elfenbein und insbesondere Nashorn-Horn nicht fluten solle, indem man mehrere Tonnen Nashorn-Horn von natürlich gestorbenen Tieren aus den Depots der geschützten Nationalparks, zu denen die Wilderer keinen Zugang haben, auf den Markt wirft. Ziel: die hohen Preise der Wilderer kaputt machen.

All dies hätten Lemkes Mitarbeiter in eine geplante Gesetzgebung einfließen lassen müssen. Sie hätten nicht nur besser recherchieren müssen, sondern sich mit den Partnern in Afrika und anderswo austauschen müssen. Wäre dies geschehen, hätte es nicht einen derart naiven Vorschlag aus ihrem Hause gegeben, der von den betroffenen Ländern zu Recht als neokoloniale Einmischung betrachtet werden kann.

Der Autor ist promovierter Sozialwissenschaftler und hat mehrere Jahre im südlichen Afrika gelebt und geforscht, wo er auch eine Field-Guide-Ausbildung absolviert hat.

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