CDU-Mann Jens Spahn füttert bei Markus Lanz das Phrasenschwein
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CDU-Mann Spahn füttert bei Markus Lanz das Phrasenschwein

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TV-Talk mit Markus Lanz am 25. April 2024
TV-Talk mit Markus Lanz am 25. April 2024 © Screenshot ZDF

Lohnt sich Arbeit noch? Und vor allem: Wer soll zukünftig in Deutschland arbeiten, gerade in weniger attraktiven Berufen?

Hamburg – Eine Wirtschaftswende fordert Jens Spahn, CDU-Politiker im besten Wahlkampfmodus, anders gesagt: Phrasenmodus. „Unser Land verliert täglich an Wohlstand“, sagte er bei Markus Lanz im ZDF, was selbst die Vertreter der Ampelregierung nicht wirklich abstreiten können. Aber die Frage, was man da tun kann, lässt sich nicht so leicht beantworten.

Aus der sicheren Opposition lässt sich ja bekanntermaßen besonders gut kritisieren, was Spahn dann auch genüsslich tat. Aber auch Anna Lehmann, Leiterin des Parlamentsbüros der „taz“ machte munter mit bei der Kritik an der Politik, vor allem aber an der Kommunikation der Regierung. Was den Zustand der Wirtschaft anging, bediente sich Spahn tatsächlich bei einer der abgehangenen Sportallegorien: „Wir sind von der Champions League auf einen Abstiegsplatz gelandet, es ist Zeit den Trainer, vielleicht sogar die ganze Mannschaft zu wechseln“ wofür er beim Doppelpass sehr viel ins Phrasenschwein einzahlen müsste.

Spahn auch bei der Migration mit Allgemeinplätzen

Auch beim Thema Migration versuchte sich Jens Spahn in Allgemeinplätzen, im Gegensatz zu Lehmann, die darauf hinwies, dass die dringend benötigten Facharbeiter nur durch Zuwanderung gefunden werden können. Was selbst der CDU bewusst zu sein scheint, sie aber dennoch nicht davon abhält, eine deutlich restriktivere Einwanderungspolitik zu fordern.

Wer bleiben darf und wer abgeschoben werden soll, wer wann was arbeiten darf und wer nicht, das ist die Frage, die auch Spahn bei Markus Lanz im ZDF nicht beantworten konnte. In den 2010er Jahren unter der CDU sei es dem Land zuletzt wirklich gut gegangen, behauptete Spahn. Und wurde dann von Lanz darauf hingewiesen, dass es nicht zuletzt die von der Schröder-Regierung eingeleiteten Sozialreformen waren, die Basis für diese Phase des Wachstums waren.

Oft fehlt der Anreiz, mehr zu arbeiten

Auch Marcel Fratzscher, Ökonom und Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, bestätigte den Erfolg der Agenda 2010 und wies ebenfalls auf die Notwendigkeit hin, Flüchtlinge, Migranten schnell und unbürokratischer in den Arbeitsmarkt zu integrieren. „Es reicht nicht, den Flüchtlingen zu sagen: Ihr könnt hier arbeiten, wenn die Gesellschaft nicht mitzieht“ stellte Fratzscher fest. Die Anerkennung von Qualifikationen müsste viel unproblematischer erfolgen, es fehlt an Kinderbetreuung, um etwa Müttern aus der Ukraine zu ermöglichen, zu arbeiten.

Ein weiteres Problem: Der Anreiz, mehr zu arbeiten. Grundsätzlich verdienen Menschen zwar mit Arbeit mehr, als wenn sie nur Bürgergeld beziehen, wie Fratzscher ausführte. Aber wenn eine arbeitende, alleinerziehende Mutter, die ohnehin schon Aufstockungen wie Wohngeld bekommt, würde durch einige Stunden Mehrarbeit am Ende des Monats kaum mehr Geld in der Tasche haben. Das Problem: Mit steigendem Lohn werden auch die Zuschüsse sehr schnell gekürzt und so bleibt am Ende kaum mehr übrig. Ein Anreizproblem, da waren sich ausnahmsweise alle Gäste der Runde einig.

Markus Lanz am 25. AprilDie Gäste der Sendung
Jens SpahnCDU-Politiker
Anna LehmannJournalistin
Mandy ManglerGynäkologin
Marcel FratzscherÖkonom

Auch beim § 218, dem sogenannten Abtreibungsparagraf, war Spahns Position eher schwammig und bemüht auf die entgegenstehenden Grundsätze hinzuweisen: das Recht auf freie Entscheidung der Frauen über ihren Körper, aber auch den Schutz des ungeborenen Lebens. Die Ampel-Koalition möchte den uralten, schon seit 1871 existierenden Paragrafen § 218 reformieren und an moderne europäische Maßstäbe anpassen. Was nicht mehr bedeutet, als Abtreibungen in den ersten 12 Wochen der Schwangerschaft zu legalisieren, aber allein das ist den Kirchen und weiten Teilen der CDU zu viel.

Spiegelt das etwa die Haltung der Gesellschaft wider? Die Zahl der Praxen, die Schwangerschaftsabbrüche durchführen, hat sich in den letzten Jahren halbiert, berichtete die Gynäkologin Mandy Mangler, die zu den immer weniger werdenden Ärztinnen und Ärzte gehört, die noch Schwangerschaftsabbrüche durchführen. Sie forderte bei Markus Lanz die Abschaffung des § 218, denn bislang ist die Abtreibung offiziell illegal. Was bedeutet, dass sich pro Jahr rund einhunderttausend Frauen in Deutschland im Grunde strafbar machen. Eine Straftat, die zwar nicht verfolgt wird, aber allein das Gefühl, etwas Illegales zu tun, kann die Entscheidung beeinflussen. Eine Entscheidung, die in aller Regel ohnehin nicht ganz einfach ist.

Hier soll die Gesetzesänderung Abhilfe schaffen, was, wie Mangler berichtete, eine breite Mehrheit der Gesellschaft befürwortet. Um das ungeborene Leben zu schützen, könnte es helfen, einen Blick in die ehemalige DDR zu werfen, wie Anna Lehmann ausführte. Dort ging nach der Legalisierung der Abtreibung tatsächlich die Geburtenraten hoch, was mit großen Vergünstigungen für Frauen mit mehreren Kindern zu tun hatte. Also genau die Anreize, die im Vereinten Deutschland kaum existieren, von fehlenden Kitaplätzen bis zur Schwierigkeit, nach der Schwangerschaft wieder in den Beruf einzusteigen und vieles mehr.

Die spannende ethische Frage ist letztendlich, ab wann ein wachsender Fötus theoretisch außerhalb der Gebärmutter überlebensfähig wäre. Mit modernster Medizin ist dieser Zeitpunkt immer mehr nach vorne gerutscht, was die Frage, wie lange eine Frau sozusagen die Entscheidung über das in ihrem Körper wachsende Leben haben sollte, kompliziert macht. In anderen Ländern sind auch tief im zweiten Trimester Abtreibungen möglich, was also weit über das hinausgeht, worüber in Deutschland diskutiert wird.

Die Diskussion über Schwangerschaftsabbrüche für den Moment einzustellen, bloß weil es in Deutschland gerade viele anderer Streitpunkte gibt, so wie Jens Spahn es bei Markus Lanz im ZDF forderte, scheint angesichts der Bedeutung der Frage für jedes Jahr eine sechsstellige Zahl von Frauen allerdings wenig sinnvoll. (Michael Meyns)

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