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Zum Tod des Ex-Bundespräsidenten

Walter Scheel: Vor neuen Wegen war es ihm niemals bange

Altbundespräsident Walter Scheel, der am Mittwoch hochbetagt starb, prägte die Republik in entscheidenden Jahren.

Vielleicht war Walter Scheel, der am Mittwoch mit 97 Jahren nach langer Krankheit in Bad Krozingen (Baden-Württemberg) starb, das einzige Staatsoberhaupt der Welt, das sich mit einem Lied im Gedächtnis seiner Nation verewigte. Die Schallplatte mit dem Volkslied „Hoch auf dem gelben Wagen“, die er 1973 aufnahm, verkaufte sich Hunderttausende Male. Seinen Auftritt im ZDF verfolgten damals Millionen.

Walter Scheel (1919-2016) war seit 1946 Mitglied der FDP
Walter Scheel (1919-2016) war seit 1946 Mitglied der FDP (Foto: picture-alliance / Sven Simon) Foto: SVEN SIMON
Während eines Staatsbesuchs 1978 besichtigte Scheel mit Queen Elisabeth II. die königliche Yacht „Britannia“
Während eines Staatsbesuchs 1978 besichtigte Scheel mit Queen Elisabeth II. die königliche Yacht „Britannia“ (Foto: Tim Graham Photo Library/Getty Images) Foto: AON

Walter Scheel war mutig, ging neue Wege

Diese Episode ist mehr als eine Fußnote im Leben des großen Liberalen, der Entwicklungsminister (1961-1966) und Bundesaußenminister (1969-1974) war, bevor er von 1974 bis 1979 das höchste Amt im Staate innehatte. Denn sie zeigt, dass er den Mut besaß, neue, unkonventionelle Wege zu gehen, um Ziele zu erreichen. Viele hatten ihm von der Plattenaufnahme abgeraten. Doch er setzte sich darüber hinweg – um Geld für die Hilfsorganisation „Aktion Sorgenkind“ einzuspielen.

„Liberal sein bedeutet, immer auch offen sein für Veränderungen“

Wagemutig und umstritten war auch die sozialliberale Koalition mit der SPD, die der damalige FDP-Vorsitzende mit vorangetrieben hatte, um unter Willy Brandt (SPD) 1969 Außenminister und Vizekanzler zu werden. „Liberal sein bedeutet, immer auch offen sein für Veränderungen“, hatte er einmal geschrieben. Er gehörte zu den Autoren der Freiburger Thesen, mit denen die FDP die Wende vom Wirtschaftsliberalismus zum sozialen Liberalismus vollzog.

Seite an Seite mit Willy Brandt setze er in jenen Jahren die neue Ost- und Entspannungspolitik durch. Als erster deutscher Außenminister besuchte er 1970 Israel.

Alt-Bundespräsident Hans-Dietrich Genscher (FDP, re.) feierte mit Scheel 92. Geburtstag (Foto: picture alliance / dpa)
Alt-Bundespräsident Hans-Dietrich Genscher (FDP, re.) feierte mit Scheel 92. Geburtstag (Foto: picture alliance / dpa) Foto: pse wst tig

1974-1979 war Scheel Bundespräsident

Von 1974 bis 1979 repräsentierte er die Bundesrepublik in einer der bewegendsten Phasen der Bonner Republik: In der Hochzeit des RAF-Terrorismus setzte er sich maßgeblich dafür ein, „dass Rechtsstaat und freiheitliche Demokratie nicht vor ihren Gegnern kapitulierten“, wie es Bundespräsident Joachim Gauck am Mittwoch in seiner Würdigung betonte. In diese Zeit fielen allerdings auch Berichte, nach denen Scheel Mitglied der NSDAP gewesen sei.

Am 15. Mai 1974 wurde der FDP-Politiker zum Bundespräsidenten gewählt
Am 15. Mai 1974 wurde der FDP-Politiker zum Bundespräsidenten gewählt (Foto: picture alliance / Gerhard Rauch) Foto: dha

Scheels Zeit als Bundespräsident war auch durch seine zweite Frau Mildred (1931-1985) geprägt, der Gründerin der Deutschen Krebshilfe. Nach Ende seiner Amtszeit engagierte sich der FDP-Politiker für die Kunst und für die Europäische Bewegung. Die letzten Jahre lebte er in einem Pflegeheim, er litt an schwerer Demenz.

Scheel 1972 mit seiner zweiten Frau Mildred und ihren Kindern Simon-Martin und Andrea Gwendolyn
Scheel 1972 mit seiner zweiten Frau Mildred und ihren Kindern Simon-Martin und Andrea Gwendolyn (Foto: action press) Foto: STEFFEN,DIETER

Staatsakt für Walter Scheel

„Mit seiner Ost- und Europapolitik hat er sich bleibende Verdienste für die Verständigung und Versöhnung auf unserem Kontinent erworben“, erklärte Gauck am Mittwoch nach der Todesnachricht. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) würdigte ihn als „überaus populären Bundespräsidenten, der viele Menschen beeindruckt hat“. „Sein Name bleibt verbunden mit der Aufnahme der Bundesrepublik Deutschland in die Gemeinschaft der Vereinten Nationen“, erinnerte FDP-Chef Christian Lindner.

Zwei Alt-Bundespräsidenten: Scheel mit Richard von Weizsäcker (CDU, li.) (Foto: Getty Images .)
Zwei Alt-Bundespräsidenten: Scheel mit Richard von Weizsäcker (CDU, li.) (Foto: Getty Images .) Foto: ar/oc .

Noch am Mittwoch bestätigte Bundespräsident Joachim Gauck, dass es einen Staatsakt für Walter Scheel geben wird.