Serap Güler über Clankriminalität. „Wir reden nicht über Gelegenheitsdiebstahl“
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Serap Güler über Fehler in der Migrationspolitik: „Wir hatten noch Türken-Klassen“

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Serap Güler ist Tochter türkischer Einwanderer und hat als CDU-Bundestagsabgeordnete die Integrationspolitik im Blick. Dabei sieht sie vor allem ein Problem.

Berlin – Serap Güler weiß, wie Brennpunkte aussehen können. Die CDU-Bundestagsabgeordnete ist als Tochter türkischer Einwanderer im Ruhrgebiet in NRW groß geworden, ihr Vater hat als Bergmann gearbeitet. Wer tief im Westen aufwächst, kennt auch die Probleme dort. Kennt Stadtteile wie Duisburg-Marxloh oder Essen-Altenessen, die als strukturschwach gelten. So wie Berlin-Neukölln am anderen Ende der Republik. Oder Bremen-Nord.

Serap Güler
Serap Güler (CDU) ist seit 2021 Bundestagsabgeordnete. © Peter Sieben

CDU-Politikerin Serap Güler: „Wenn man keine Chance auf einen Job hat, dann macht das was mit einem“

Es sind allesamt Einwanderungsregionen, Menschen aus unterschiedlichen Nationen leben dort nebeneinander. Viele haben türkische oder arabische Wurzeln. Und seit langem gibt es dort soziale Verwerfungen. Serap Güler macht dafür auch politische Entscheidungen verantwortlich. „Natürlich sind in der Migrationspolitik in den letzten Jahrzehnten Fehler gemacht worden“, so Serap Güler im Interview mit IPPEN.MEDIA. „Wir hatten in den 80er-Jahren noch Türken-Klassen im Ruhrgebiet. Da wurden alle türkischen Kinder in eine Klasse gesteckt, in denen nur Türkisch gesprochen wurde.“ Man habe gedacht, die Familien würden wieder zurückgehen und müssten kein Deutsch lernen.

„Anderes Beispiel: Ein Kommilitone von mir stammte aus der libanesischen Community in Essen, in der viele immer noch nur einen Duldungsstatus haben. Ich hatte nach dem Studium schnell die ersten Vorstellungsgespräche, er gar keine“, erzählt Serap Güler. „Das hatte nichts damit zu tun, dass er schlechter war. Der einzige Unterschied war, dass er eben nur geduldet war. Wenn man nicht mal eine Chance bekommt, obwohl man erfolgreich ein Studium zu Ende gebracht hat, dann macht das was mit einem.“

Arabisch-libanesische Community: Viele verleugnen ihre Herkunft

Diese Chancenungleichheit schlägt sich bis heute im Alltag nieder. Menschen aus der arabisch-libanesischen Community berichten immer wieder davon, dass sie Schwierigkeiten haben, Wohnungen zu bekommen. Oder einen Job. Selbst, wenn sie längst einen Aufenthaltstitel haben. Ahmad Omeirat kennt solche Erfahrungen nur zu gut, wie er jüngst im Gespräch mit IPPEN.MEDIA erzählte. Er war selbst in den 1980ern als Flüchtlingskind aus dem Libanon nach Deutschland gekommen. „Wenn Menschen aus der libanesischen Community in eine Polizeikontrolle kommen und die Polizisten ihre Namen sehen, wird der Ton direkt rau: ‚Steigen Sie sofort aus!‘“, so der Lokalpolitiker, der für die Grünen im Essener Stadtrat sitzt. Viele würden ihre Herkunft verleugnen, aus Angst vor solchen Situationen: „Ich kenne eine Zahnarthelferin, die trägt ihr Namensschild in der Praxis nicht.“

Sogenannte „Clankriminalität“: „Wir sprechen von Zwangsprostitution, Drogenhandel, Schutzgeld-Erpressung“

Experten sehen in der Tatsache, dass viele Familien mit arabisch-libanesischem Hintergrund bis heute einen Duldungsstatus haben, einen Grund dafür, dass sich im Laufe der Zeit aus einer Perspektivlosigkeit heraus kriminelle Netzwerke innerhalb von Großfamilien gebildet haben. Denn: Menschen mit Duldungsstatus dürfen in der Regel nicht arbeiten, auch eine Ausbildung ist nur auf Antrag möglich. Zusammengefasst wird das oft unter dem umstrittenen Begriff „Clankriminalität“.  

Der Begriff Clankriminalität

► Wenn die Rede von kriminellen Clans ist, sind in Deutschland oft kriminelle Mitglieder von Großfamilien mit kurdisch-libanesischen Wurzeln gemeint. Die meisten Menschen aus diesen Familien sind nicht kriminell. Wenige Subclans aber haben sich zu Gruppierungen zusammengeschlossen, die Straftaten im Bereich der organisierten Kriminalität begehen.

► Viele gehören den sogenannten Mhallami an, einer arabischstämmigen Volksgruppe. Ihre Vorfahren wurden nach dem Ersten Weltkrieg aus der Türkei vertrieben, kamen dann in den Libanon. Als dort Bürgerkrieg herrschte (1975 bis 1990), flohen viele der Familien nach Deutschland.

► Als Staatenlose erhielten viele den Duldungsstatus, konnten keiner geregelten Arbeit nachgehen. Denn für Asylbewerber und Geduldete gilt in Deutschland grundsätzlich ein Arbeitsverbot.

CDU-Politikerin Güler lässt diese These nur bedingt gelten: „Es gibt sehr viele Menschen, die Probleme alleine lösen müssen und trotzdem nicht kriminell werden. Bei den Clans sprechen wir auch nicht von Gelegenheitsdiebstählen, sondern von Zwangsprostitution, Drogenhandel, Schutzgeld-Erpressung, also wirklich harten Formen der organisierten Kriminalität.“

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