Pitztal und Kaunertal: Neue Seilbahnen auf Tiroler Gletschern? | BR24
Die Betreiber der Pitztaler und Kaunertaler Gletscherbahnen haben Pläne für neue Lifte eingereicht.
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Die Betreiber der Pitztaler und Kaunertaler Gletscherbahnen haben Pläne für neue Lifte eingereicht.

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Pitztal und Kaunertal: Neue Seilbahnen auf Tiroler Gletschern?

Vor einem halben Jahr wurde die umstrittene "Gletscher-Ehe" zwischen den Skigebieten Pitztal und Ötztal gekippt. Nun haben die Betreiber der Pitztaler und Kaunertaler Gletscherbahnen Pläne für neue Lifte eingereicht. Alpenvereine protestieren.

Die "neuen Ausbaupläne im Pitztal sind zynisch", schimpft der Deutsche Alpenverein in einer ersten Stellungnahme. Gerade in einem Winter wie diesem, "der uns den Klimawandel so deutlich vor Augen führt", seien Pläne für Neuerschließungen "wirklich zynisch".

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Vor einer Woche hatten die Pitztaler und Kaunertaler Gletscherbahnen in einer lokalen Pressekonferenz überraschend neue Erschließungsprojekte präsentiert, die sie zuvor, am 15. Februar, bei der Tiroler Landesregierung eingereicht hatten. Auch eine Sprecherin des Österreichischen Alpenvereins zeigte sich "überrascht und überrumpelt" von diesem Vorgehen.

Neuerschließung unter der Wildspitze

Besonders markant ist der Plan einer 1,7 Kilometer langen Bahn über den Mittelbergferner unter Nordtirols höchstem Berg, der Wildspitze. Die "Fernerjochbahn" soll ein Joch, 100 Meter unter dem Gipfel des 3.270 Meter hohen Linken Fernerkogels erschließen. Der Berg stand jahrelang im medialen Kreuzfeuer, weil bei der ursprünglich geplanten Skigebiets-"Ehe" zum Ötztal ein 40 Meter hoher Vorgipfel für die geplante Bergstation beseitigt werden sollte.

Da die neue Planung sogar auf nur 100 Meter an den Bergkamm zum Ötztaler Skigebiet heranrückt, sprechen Kritiker von einer scheibchenweisen Umsetzung der einstigen "Gletscher-Ehe".

Ein Dreitausender als neues Skigebiet?

Die vom Fernerjoch herabziehenden Gletscher würden als neues Pistengelände genutzt. Die am Europäischen Fernwanderweg E5, der beliebtesten Alpenüberquerung für Wanderer stehende Braunschweiger Hütte wäre dann auf drei Seiten von Skigebieten umgeben. Die Gletscherbahnen betonen, dass sich die Neuerschließungspläne im "gewidmeten Skinutzungsraum" befinden.

Im jahrelangen Verfahren um die geplante "Gletscherehe" waren in einer behördlichen Stellungnahme gerade für dieses Gebiet "untragbare" Auswirkungen auf das Landschaftsbild attestiert worden.

Experten der Landesumweltanwaltschaft hatten betont, dass es sich um eine seltene Pionierlandschaft handelt, die vom zurückgehenden Mittelbergferner Stück für Stück freigegeben wird. 2020 hatten die Gletscherbahnen selbst die Verhandlung zur Umweltverträglichkeitsprüfung abgesagt, weil die rasante Gletscherschmelze zahlreiche neue umweltrechtliche Fragen aufgeworfen hatte. Schon seit Jahren müssen etwa die Söldener Bergbahnen die vom auftauenden Rettenbachferner freigegebene Landschaft mit schwerem Gerät bearbeiten, um Lifte und Pisten weiter betreiben zu können.

Erschließungspläne auf die Weißseespitze

Umso überraschender kommen jetzt auch für die Alpenvereine in Österreich und Deutschland die neuen Pläne, zu denen auch die Erschließung der 3.518 Meter hohen Weißseespitze im Kaunertal gehört. Hier haben die Kaunertaler Gletscherbahnen eine zwei Kilometer lange Seilbahn auf das Weißseeköpfl auf 3.450 Meter geplant. Der Gletscherberg ist bisher beliebtes Ziel von Bergsteigern und Skitourengehern.

Das Kaunertal, das zur Hälfte in einem Naturpark liegt, war erst im vergangenen Jahr von der Welttourismusorganisation als eine von weltweit 44 "Best Tourism Villages" für Nachhaltigkeit ausgezeichnet worden.

Die neuen Bahnen seien Teil des Entwicklungsprogramms "für eine ökonomisch, ökologisch und sozial nachhaltige Zukunft", so die Bahnbetreiber. Durch eine "Attraktivierung der Angebote“ soll die Verweildauer der Gäste erhöht werden. Die Erweiterung der bestehenden Photovoltaikanlage auf dem Pitztaler Gletscher und eine neue Anlage im Kaunertaler Skigebiet sollen außerdem die eigene Energieproduktion von derzeit 30 Prozent im Pitztaler Skigebiet erhöhen. Diese Projekte sollen demnächst eingereicht werden.

Ausgang unbestimmt

Bei der Tiroler Landesregierung geht es jetzt in einem sogenannten "Feststellungsverfahren" zunächst darum, die notwendigen Verfahren und Genehmigungspflichten nach dem Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz zu bestimmen. Die Erschließungsvorhaben fallen in eine Wintersaison, in der der Alpinskitourismus so massiv in die Diskussion geraten ist wie nie zuvor.

Eingehende Stellungnahmen von Naturschutzorganisationen wie den Alpenvereinen gibt es bisher nicht, weil "wir die Detailplanungen noch nicht kennen", so der DAV. In Konflikten um den Ausbau von Skigebieten in Österreich sind in den vergangenen Jahren mehrmals entsprechende Vorhaben am Bundesverwaltungsgericht in Wien gescheitert, weil kein ausreichendes öffentliches Interesse vorlag, um die massiven Eingriffe in die Natur zu rechtfertigen.

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