Der Gangsterboss Al Capone hatte fünf Jahre lang hier verbracht, der Mehrfachmörder Robert „Birdman“ Stroud 17 Jahre, der zeitweilige „Public Enemy No.1“ Alvon Karpis sogar mehr als ein Vierteljahrhundert: Auf der Felseninsel Alcatraz in der Bucht von San Francisco wurden die schlimmsten Verbrecher der USA inhaftiert.
Die letzten 27 Insassen des Hochsicherheitsgefängnisses der US-Bundesgerichtsbarkeit verließen am 21. März 1963 per Boot die „The Rock“ genannte Insel, um auf andere Haftanstalten verteilt zu werden. Die Zeitung „San Francisco Chronicle“ beschrieb sie als „bleiche, schweigsame“ Männer, die in Handschellen und an den Füßen gefesselt mit gesenktem Kopf an Land gingen.
Zu den letzten Gefangenen zählte Darwin Coon, Häftlingsnummer 1422. Er hatte wegen bewaffneten Bankraubes seit 1959 rund vier Jahre hier gesessen; später betätigte er sich als Touristenführer auf Alcatraz und veröffentlichte 2002 ein Buch darüber – „The True End of the Line“. Das Schlimmste, was ihm auf der Gefängnisinsel widerfuhr, seien „29 Tage im Block D, in einer bitter-kalten Dunkelzelle ohne einen Lichtstrahl“ gewesen, berichtete er.
Insgesamt 1576 Männer wurden zwischen dem 11. August 1934, der offiziellen Eröffnung als Hochsicherheitsgefängnis, und dem 21. März 1963 hier weggeschlossen, allerdings nie mehr als 300 gleichzeitig. Ihre Zellen waren nur 1,50 Meter breit, 2,70 Meter lang und 2,1 Meter hoch; alle waren mit Gittertüren verschlossen: Privatsphäre gab es in Alcatraz für Gefangene nicht. Die Hafträume verfügten über eine Pritsche, einen Schreibtisch und ein klappbares Sitzbrett; an der Rückwand befanden sich ein Waschbecken und eine Toilette.
Die gut acht Hektar große, bis zu 500 Meter lange Felseninsel in der Bucht nördlich des Stadtzentrums von San Francisco gehörte seit 1850 der Bundesregierung. Bald entstand hier der erste moderne Leuchtturm an der Westküste, später ein Fort, das aber mangels Feinden aus dem Westen ziemlich nutzlos war und deshalb im Sezessionskrieg für gefangene Südstaatler und anschließend als Strafanstalt des US-Militärs genutzt wurde.
Dafür entstand 1909 bis 1912 ein neuer Zellenblock entsprechend den damals neuesten Vorschriften. Nachdem das US-Justizministerium diesen Bau am 12. Oktober 1933 erworben hatte, um hier ein Hochsicherheitsgefängnis einzurichten, wurde der gerade zwei Jahrzehnte alte Bau leicht modernisiert; die investierte Summe betrug gerade einmal 260.000 Dollar. Nach heutiger Kaufkraft wären das etwa sechs Millionen Dollar – nicht gerade viel für ein 150 Meter langes Gebäude.
Der Zellenbau war in vier Bereiche unterteilt, den A- bis D-Block. In letzterem waren die schlimmsten Insassen eingesperrt. An seinem Ende lagen spezielle Zellen, die unter den Gefangenen den Spitznamen „The Hole“ (zu Deutsch: „Das Loch“) trugen. Renitente Häftlinge mussten dort oft Tage, manchmal Wochen bis Monate verbringen – als Strafe innerhalb des Gefängnisses. Zu „The Hole“ zählte auch die Dunkelzelle, in der Darwin Coon 29 Tage einsaß.
Der Speisesaal und die Küche lagen außerhalb des Zellenblocks. Gefangene und Personal aßen drei Mahlzeiten am Tag – gemeinsam. Die Krankenstation von Alcatraz befand sich über dem Speisesaal. Die meisten Insassen stierten tagein, tagaus vor sich hin, denn Arbeit etwa in der Wäscherei, den Werkstätten für kleinere Reparaturen oder der Küche war in Alcatraz ein Privileg, das nur Häftlinge genossen, die dem Personal keine Schwierigkeiten machten.
Wegen des schlechten Zustandes der Zellen fand 1939/40 eine größere Sanierung statt, bei laufendem Gefängnisbetrieb. Investiert wurden nun 1,1 Millionen Dollar, also immerhin 23,6 Millionen nach heutiger Kaufkraft. Weiterhin aber wurden die Toiletten in den Zellen mit Salzwasser versorgt, das aus der Bucht hochgepumpt wurde. Keine gute Idee, denn das Salz korrodierte die Armierungen der Stahlbetonwände und ließ sie porös werden.
Daraus zogen drei Berufsverbrecher Nutzen: Frank Morris sowie die Brüder John und Clarence Anglin begannen im Dezember 1961, ihre Flucht vorzubereiten. Zuerst erweiterten sie mit Metalllöffeln aus der Kantine und einer selbst gebastelten Bohrmaschine die Lüftungsöffnungen unter ihren Waschbecken; vor die zunehmend größeren Löcher stellten sie passend bemalte Pappe. Sobald die Öffnungen groß genug waren, um in den Lüftungsschacht dahinter zu klettern, stiegen sie in die inzwischen ungenutzte oberste Ebene des Zellenblocks hinauf, wo sie sich eine geheime Werkstatt einrichteten.
Hier nähten sie aus mehr als 50 beiseite geschafften Regenmänteln und weiterem Material sie ein Floß, zwei mal anderthalb Meter groß. Mit heißem Dampf aus der Heizungsanlage vulkanisierten sie die Nähte, sodass sie wasserdicht wurden. Mehrere Paddel bastelten sie aus altem Holz. Schließlich fanden sie einen Weg aufs Dach, ebenfalls durch den Lüftungsschacht – sie mussten nur den Ventilator losschrauben.
Am Abend des 11. Juni 1962 begannen sie ihre Flucht. Die drei kletterten mit ihrem Floß aufs Dach, rutschten 15 Meter an einer Regenrinne zu Boden, überwanden mehrere Zäune um den Zellenblock und eine Mauer. Bald nach 22 Uhr stießen sie von der Nordostecke von Alcatraz „in See“ – vor sich 3,6 Kilometer eisiges Wasser mit tückischen Strömungen.
Morris und die Albin-Brüder wurden nie wieder gesehen. Reste des Floßes fand man zehn Tage später nahe der Golden Gate Bridge. Die US-Behörden gingen davon aus, dass die drei Männer ertrunken und ihre Leichen im Pazifik verschwunden seien. Trotzdem setzten die US Marshals, zuständig für die Suche nach aus Bundesgefängnissen entwichenen Gefangenen, alle drei auf ihre Fahndungsliste.
Die Flucht war der letzte Anstoß für die Schließung von Alcatraz: Ohnehin waren die Betriebskosten zu hoch geworden. Auch alles Trinkwasser und sämtliche Verpflegung mussten auf die Insel gebracht werden. Zudem verfielen in der rauen Seeluft die nun ein halbes Jahrhundert alten Gebäude mehr und mehr. Schließlich galten die Haftbedingungen inzwischen als unmenschlich. Also ordnete Justizminister Robert F. Kennedy die Schließung an, die am 21. März 1963 umgesetzt wurde.
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