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Schillers Frauendarstellungen

Schillers Frauendarstellungen Überarbeitet/Aktualisiert
Kurs

Examensvorbereitung Germanistik: Drama 2022 (EXGD 2223)

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Akademisches Jahr: 2022/2023
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Schillers Frauendarstellungen  „Du fragst / Nach Dingen, Mädchen, die dir nicht geziemen.“ Diese Zurechtweisung Johannas durch Vater Thibaut in Schillers Die Jungfrau von Orleans verdeutlicht, welche Rolle der Mann der Frau lange Zeit zuwies und kann als Anlass zu Diskussionen dienen, welche Rolle eigentlich der Dichter Schiller selbst der Frau zuerkannte. Es liegt nahe, dieser Fragestellung anhand der Untersuchung von Schillers Werken nachzugehen. Verschiedene Interpretatoren kommen dabei zu verschiedenen Ergebnissen.  Helmut Fuhrmann 1981 in seinem Aufsatz Revision des Parisurteils – ‚Bild’ und ‚Gestalt’ der Frau im Werk Friedrich Schillers seine Ambivalenz-These zur Frau in Schillers Werken. Fuhrmann unterscheidet in dieser These zwischen traditionellem Frauenbild und moderner Frauengestalt.  Lied von der Glocke. Schiller beschreibt dort die traditionellen sozialen Rollen von Mann und Frau – der Mann wird als außerhalb arbeitender Ernährer der Familie dargestellt, während die Frau Haushalt und Kinder zu versorgen hat. „Kaum ein deutscher Dichter hat die Position der patriarchalischen Partei [...] schlagender und einprägsamer formuliert“, stellt Fuhrmann fest. Schiller sehe die Frau in seinem lyrischen Werk „fast ausnahmslos als wesens- und rollenverschieden vom Mann.  die Frau, ist schön, sanft, zart und empfindsam, ihn, den Mann, kennzeichnen Kraft, Härte, Rohheit und Verstand. Die Frau ist in ihrem Wesen ruhig, ausgleichend, einheitlich und harmonisch, der Mann dagegen ruhelos, gespannt, zerrissen und disharmonisch. Die Frau als Empfangende zeigt eine natürliche Vollendung, sie besitzt von Natur aus das Ideal, das der Mann stets angestrengt sucht – kurzum, das Schillersche Geschlechterverhältnis ist komplementär, das heißt Mann und Frau ergänzen sich. Weiterhin „erscheint die Frau stets als bestimmt durch oder bezogen auf den letztlich überlegenen Mann.“ Als Ehefrau, Hausfrau und Mutter ist sie „auf eine dreifach begrenzte soziale Rolle fest[ge]legt, während er [Schiller] dem Mann den unbegrenzten Wirkungskreis der Öffentlichkeit, der Gesellschaft und der Welt [...] vorbehält.“  Schillers Frau ist also - als ein auf das Häusliche beschränktes Lebewesen - ein passiv- emotionaler, der Mann als politisch-gesellschaftliches Wesen ein aktiv-rationaler Charaktertypus. Damit setzt der Dichter den Begriff des Mannes als deckungsgleich mit dem Begriff des Menschen; die Frau wird idealisiert, was ihr Wesen angeht, aber domestiziert, was ihre Rolle in der Gesellschaft betrifft;  Der Mann ist durch Härte, die Frau durch Zartheit charakterisiert.

 Die Frauengestalt in Schillers Dramen zeigt sich im Gegensatz zur Frau in seiner Lyrik respektive Prosa nahezu durchgehend tatkräftig und weltzugewandt, sei es – als Paradebeispiel – die Marina aus dem Demetrius-Fragment, sei es die Maria Stuart aus dem gleichnamigen Stück oder eben die Johanna, Die Jungfrau von Orleans, die in dieser Arbeit näher betrachtet werden soll, da sie von allen Frauengestalten Schillers „am auffälligsten gegen die Topik der schönen Weiblichkeit“ verstoße. Johanna sei eine sprachgewandte Amazone, jedoch kein „geschlechtsloses Monstrum“, da sie sowohl als Frau geliebt werde – nämlich von Dunois, Lionel oder auch La Hire - als auch als Frau – nämlich Lionel – lieben könne. Für die Frauengestalt Schillers muss das für das Frauenbild geltende Schaubild notwendigerweise erweitert werden, weil der Frau im Drama ganz offensichtlich derselbe unbegrenzte Wirkungskreis wie dem Mann zusteht.  Dass Schiller die Frau in seinen Dramen größtenteils emanzipiert und selbstbewusst darstellt, sei vermutlich abermals dem achtjährigen Aufenthalt auf der Carlsschule geschuldet; der junge Schiller habe dort einen Freiheitsdrang entwickelt, der sich später in den Frauengestalten seines dramatischen Werks niedergeschlagen habe. Laut Fuhrmann ist also „Schillers Gespür für den Emanzipationsrückstand und den daraus resultierenden Rollenkonflikt der Frau unter dem Patriarchat“ aus dem eigenen Gefühl der Gefangenschaft heraus entstanden. Der Dichter Schiller dürfe als Dramatiker im Gegensatz zum übrigen Werk also als Feminist verstanden werden – allerdings als ein unbeabsichtigter. Schiller selbst soll die Ambivalenz seiner Frauendarstellungen nicht bewusst gewesen sein.  Auf diversen Ebenen und so auch in seinen Dramen Maria Stuart und Die Jungfrau von Orleans habe Schiller versucht, „die Frau als ‚schönes Eigentum‘ des Mannes zu definieren“, womit einer Angst Rechnung getragen gewesen sei, die er mit einer Großzahl an Männern seiner Zeit teilte: der Angst vor einem Zerfall des patriarchalischen Systems und einer Umkehrung der Rollenverteilung. Gegen Ende des 18. Jahrhunderts nämlich, zur Zeit von Aufklärung und Französischer Revolution, kamen, wenn auch anfänglich vor allem in Frankreich, die ersten Rufe von Frauen nach Gleichberechtigung auf und die Vormachtstellung des Mannes geriet ins Wanken. Schiller und prominente Zeitgenossen wie etwa Kleist beabsichtigten laut Stephan durch ihre Werke, das Patriarchat neu zu legitimieren und zu rechtfertigen, die Bedrohung des Systems durch reale Frauen sollte abgewehrt werden. Sicher erscheine Johanna auf den ersten Blick als kämpferische, zielstrebige Frau; doch der Widerspruch zwischen dieser Darstellung der Johanna und Schillers traditionellem Frauenbild löse sich bei näherer Betrachtung auf. Dies geschehe durch verschiedene Faktoren, die im Folgenden kurz vorgestellt werden.

werden. Eine breite Mehrheit scheint es mit Helmut Fuhrmann zu halten – sie sieht Johanna vielmehr als eine kämpferische Frau, die durchaus amazonische Züge trägt.  Johannas Sieg über ihre Neigung;ist das Zitat eine höhnische Frage der Königin Isabeau angesichts der plötzlichen Machtlosigkeit Johannas den sie fesselnden Soldaten gegenüber und steht im Text in Szene V/5, wo ihm jeglicher Bezug zur Lionel-Szene fehlt. Somit stellt Stephan hier zweifelhafte Zusammenhänge her; sie begründet auch nicht, weshalb genau der Pflicht- Neigungs-Konflikt Johannas Tod herbeiführe. Zum anderen überwiegen in der Forschung die Stimmen, die Johanna einen letztendlichen Sieg über ihre Neigung zuerkennen.  Johannas militärische Heldentaten einem Auftrag Gottes zuzuschreiben, bedeute, ihre Besonderheit zu bestreiten und sie zu einer Marionette zu degradieren. Und Karl S. Guthke, ein Repräsentant der neuesten Forschung, fragt, ob Johannas Morden wirklich mit göttlicher Sendung begründet werden dürfe, schließlich komme diese häufig verwendete Erklärung einer Legitimation ihrer Bluttaten gleich. Vielmehr glaubt Guthke eine „chauvinistische Schlachtfreudigkeit“ der Hauptfigur zu erkennen  Spuren von Selbsterkenntnis bei Johanna; In IV/9 bedauert Johanna, sich „eitel“ über ihre Schwestern erhoben zu haben, indem sie die Familie und das Heimatdorf verließ. Guthke sieht dies als Hinweis darauf, dass Johanna nun selbst glaubt, aus eigenem Antrieb heraus in die Schlacht gezogen zu sein – sonst würde sie das Verlassen der Heimat kaum als „hochmütig“ einstufen.  Damit schenkt Schiller ihr ein glorreicheres Ende als es der historischen Jeanne d’ Arc vergönnt war, deren Leben mit einem schmachvollen Verbrennungstod auf dem Scheiterhaufen endete.  Die Montgomery-Szene; Schiller lässt seine Johanna hier in die Rolle des überlegenen Achill schlüpfen, Montgomery gibt den schwächeren Lykaon, der nach nur kurzem Kampf durch die Hand einer Frau sein Ende findet. Die traditionelle Verteilung der Geschlechterrollen ist damit außer Kraft gesetzt. Obwohl der Widersacher seine Waffen schon hat fallen lassen – „Zu deinen Füßen sink ich wehrlos, flehend hin.“ - zeigt die Heldin dem Gegner mitleidslos sein Schicksal auf:  Dagegen wirkt der wehrlose Montgomery nicht eben wie ein mutiger Krieger, als er in ganz und gar unmännlicher Manier seinen nahenden Tod bejammert: „O schwer ist’s, in der Fremde sterben unbeweint.“  Es finden sich also zahlreiche Belege dafür, dass Johanna aus eigenem Trieb heraus, aus Patriotismus handelt, und weniger aufgrund einer göttlichen Sendung. Sie ist keinesfalls nur ein „blindes Werkzeug“, da sie, wie Benno von Wiese meint, „nicht blind genug, um nicht über die

eigene Blindheit reflektieren zu können“, ist. Die Behauptung Inge Stephans, wonach Johannas amazonisches Handeln nur Schein sei, wird - unter anderen - durch die Montgomery-Szene widerlegt; und auch über ihre Neigung ist Johanna am Ende erhaben. Die Komponenten Patriotismus, Amazonenhaftigkeit sowie Sieg von Pflicht über Neigung stehen im Widerspruch zur Haltung Stephans, Schiller habe eine sich in Konventionen fügende Jungfrau erschaffen. Sie bestätigen vielmehr die Fuhrmann-These, wonach die Frau in Schillers Dramen eine andere sei als die Frau in seiner Lyrik oder in seinen theoretischen Schriften. Die Darstellung als Minerva und die Abweichung von der historischen Vorlage - zu vergleichen ist hier vor allem auch die Art und Weise, wie die reale Jeanne d’ Arc und wie dagegen die Dramenheldin den Tod findet – sprechen ebenfalls dafür, dass Schiller hier durchaus eine starke Frauenfigur entwerfen wollte. Der These der auf göttlicher Schickung beruhenden Macht könnte zudem noch eine andere Beobachtung entgegengehalten werden: Johanna muss schon vor dem angeblichen Auftrag der Heiligen Jungfrau Maria im Besitz einer für eine Frau erstaunlichen Kraft gewesen sein – als sie „den Tigerwolf bezwang“, wie Raimond ihr bescheinigt.  Denn erscheinen einerseits die Frauen stark, selbstbewusst und unabhängig wie die Johanna, so sind andererseits die männlichen Figuren oftmals weiche, sensible Charaktere, wie etwa Montgomery oder der „unkriegerisch gezeugt[e]“ König Karl.

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Helmut Fuhrmann 1981 in seinem Aufsatz Revision des Parisurteils ‚Bild’ und ‚Gestalt’ der
Frau im Werk Friedrich Schillers seine Ambivalenz-These zur Frau in Schillers Werken.
Fuhrmann unterscheidet in dieser These zwischen traditionellem Frauenbild und moderner
Frauengestalt.
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Schiller sehe die Frau in seinem lyrischen Werk „fast ausnahmslos als wesens- und
rollenverschieden vom Mann.
die Frau, ist schön, sanft, zart und empfindsam, ihn, den Mann, kennzeichnen Kraft, Härte,
Rohheit und Verstand. Die Frau ist in ihrem Wesen ruhig, ausgleichend, einheitlich und
harmonisch, der Mann dagegen ruhelos, gespannt, zerrissen und disharmonisch. Die Frau als
Empfangende zeigt eine natürliche Vollendung, sie besitzt von Natur aus das Ideal, das der Mann
stets angestrengt sucht kurzum, das Schillersche Geschlechterverhältnis ist komplementär, das
heißt Mann und Frau ergänzen sich. Weiterhin „erscheint die Frau stets als bestimmt durch oder
bezogen auf den letztlich überlegenen Mann.“ Als Ehefrau, Hausfrau und Mutter ist sie „auf eine
dreifach begrenzte soziale Rolle fest[ge]legt, während er [Schiller] dem Mann den unbegrenzten
Wirkungskreis der Öffentlichkeit, der Gesellschaft und der Welt [...] vorbehält.“
Schillers Frau ist also - als ein auf das Häusliche beschränktes Lebewesen - ein passiv-
emotionaler, der Mann als politisch-gesellschaftliches Wesen ein aktiv-rationaler
Charaktertypus. Damit setzt der Dichter den Begriff des Mannes als deckungsgleich mit dem
Begriff des Menschen; die Frau wird idealisiert, was ihr Wesen angeht, aber domestiziert, was
ihre Rolle in der Gesellschaft betrifft;
Der Mann ist durch Härte, die Frau durch Zartheit charakterisiert.
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