Wir borgen von der Zukunft und geben es doch nie zurück
© Hans-Christoph Neuert (1958 - 2011), deutscher Aphoristiker und Lyriker
Quelle: Neuert, Glücksnatur, 2006
Die Zukunft auf den Müll gekippt verfault im Gift viel mehr als Zeit zu den Träumen in den Abfall werfen wir auch uns selbst mit weg
© Hans-Christoph Neuert (1958 - 2011), deutscher Aphoristiker und Lyriker
Quelle: Neuert, Traumspuren, 1998
Hoffen auf bessere Zeiten (Weihnachten 2002) Ein Mensch ist Möbelspediteur, Doch fällt ihm das zunehmend schwer. Die Kosten treiben ach oh’ Graus Die allerletzten Haare aus. Ob Nebenlohn- und Autokosten, Container die darob verrosten. Ob Schwarzarbeiter beim Kollegen, Der Mensch verzweifelt fast deswegen. Dann noch die Maut und Ökosteuer, Die ganze Arbeit wird so teuer, Dass ihn der Umzugskunde fragt, Woher das alles kommen mag. Der Mensch erklärt und protestiert, Lässt Leute geh’n – subventioniert – Die Arbeit von dem hart Ersparten Und hofft – worauf wir alle warten, Dass sich die Zeiten bessern mögen. Doch was der Mensch denkt ist verwegen. Nichts besser, keine Zeitenwende, Rot-Grün regiert uns an das Ende, Bis keiner mehr von dem was hat, Was er Jahrzehnte angespart. Der Mensch denkt nach, ist gar nicht heiter, So, bitte, geht es doch nicht weiter. Dann schließt die Spedition er zu, Lässt seinen Job für immer ruh’n. Und die Moral von der Geschicht’: Der Mittelstand verträgt es nicht, Wenn ihm der Staat die Luft zum atmen – Mit all den vielen Bürokraten – Auch die noch nimmt und dann verbal Behauptet weil die Welt global, Sei diese Zeit so wie sie ist. Doch selbst der größte Optimist, Glaubt nicht was Politik verspricht. Der Mensch deshalb als Spediteur, Vertraut der Politik nicht mehr. Und ist Vertrauen erst verspielt, Führt jeder gegen jeden Krieg.
© Wolfgang (WoKo) Kownatka (*1938), deutscher Luftwaffen-Offizier, NATO-Pressestabsoffizier, Bankkaufmann, freier Journalist und Aphoristiker
Quelle: Kownatka, Heiteres und Nachdenkliches über Mensch und Zukunft. Gedichte und Aphorismen, 2. Auflage 2006 (EA: 2005)
Rückblick nach vorn Ein Mensch bedenkt in dieser Zeit: Wie war das Jahr, das nun schon weit, Auf seinem Weg nach Gestern ging. War es ein Jahr, das froh ihn stimmte? Das ihn im Rückblick gar ergrimmte? Der Mensch mit sich um Antwort ringt. Da trifft er auf dem Weg nach Gestern, Den Unmensch, und er fragt am besten, Ob dieser nicht die Antwort weiß. Und diese ihn dann überrascht, Das hätte selbst er nicht gedacht, Wie ihn der Unmensch barsch belehrt. Die Zukunft liegt vor Deinen Füßen. Nicht rückwärts schau’n, sonst wirst Du’s büßen; Denn diese Welt, da sei gewiss, Blickt nur nach vorn, gleich wie sie ist. Wer rückwärts schaut, hat angefangen, Für sich das Gestern zu verlangen, Er übersieht dabei das Morgen, Dort gilt es, alles zu besorgen, Was unser Leben so bestimmt. Der Mensch sich das zu Herzen nimmt. Er dankt dem Unmensch und beginnt, Den Weg nach Morgen zu beschreiten, Sich auf die Zukunft vorbereitend.
© Wolfgang (WoKo) Kownatka (*1938), deutscher Luftwaffen-Offizier, NATO-Pressestabsoffizier, Bankkaufmann, freier Journalist und Aphoristiker
Quelle: Kownatka, Heiteres und Nachdenkliches über Mensch und Zukunft. Gedichte und Aphorismen, 2. Auflage 2006 (EA: 2005)
Wer nur für die Zukunft lebt, versäumt die Gegenwart. Wer nur für die Gegenwart lebt, verbaut sich die Zukunft. Wer nur von der Vergangenheit träumt, ist in der Zukunft nicht gegenwärtig.
© Hermann Lahm (*1948), Texte in Gedichtform, Prosa, Aphorismen
Zukunft – Dein Lieblingswort. Was tun wir morgen. Wie leben wir morgen. Du planst. Zukunft – ich denke viel daran, aber wirklich wichtig und wirklich schön ist dieser Augenblick.
© Claudia Malzahn (*1969), deutsche Dichterin und Lyrikerin, in: »Herzknistern«, Peter Hohl Verlag, Ingelheim, ISBN 3-922746-12-8
Was gewesen: In Büchern kannst du es nachlesen. Was ist: Durch Lieben und Leiden mußt du es erfahren. Was sein wird: Als Ahnung wirst du es im Herzen tragen.
© Carl Peter Fröhling (*1933), Dr. phil., deutscher Germanist, Philosoph und Aphoristiker
Zukunftstheorie Die Welt wird sich verändern, in der Zukunft ganz bestimmt. Das Erbaute in die Lüfte ragen, hoch empor, Wissenschaft wird kommen - dem Tod zuvor. Ein Flug zum Mond, bald ein jeder nimmt. Die Welt wird sich verändern, in der Zukunft ganz bestimmt. Luft vergiftet, kaum zum Atmen gut, Katastrophen, Seuchen reichlich und genug. Hektik, Streß, - das Leben in der Hand wegrinnt. Thesen, Behauptungen, aus verschiednen Sichten, wird man hegen, pflegen, neu entdecken, oder vor keiner Vernichtung zurückschrecken? Theorien, Gedanken zu Haufe vorhanden, doch werden sie nie völlig verstanden, bis die Zukunft es wird schließlich lichten.
© Rita Lickteig (*1986)
Wenn die Offenheit vor Blindheit warnt Und die Klugheit die Verlegenheit umarmt Wenn die Mehrheit über Verschlagenheit flucht Und Verliebtheit nach Gelegenheit sucht Wenn die Weisheit über Borniertheit klagt Und die Minderheit nach Gelassenheit fragt Wenn die Krankheit um Vergessenheit fleht Und die Menschheit nach Zufriedenheit strebt Wenn die Einheit vor Zerrissenheit flieht Und Bescheidenheit über Vermessenheit siegt Wenn die Wahrheit die Verlogenheit verdrängt Und die Dunkelheit dir Geborgenheit schenkt Wenn Vollkommenheit Gesundheit verleiht Und eine Gottheit deine Torheit verzeiht Dann hat die Gegenwart noch Zukunft
© Jutta Schulte (*1961), deutsche Dichterin und Aphoristikerin
Zukunftssorgen Korf, den Ahnung leicht erschreckt, sieht den Himmel schon bedeckt von Ballonen jeder Größe und verfertigt ganze Stöße von Entwürfen zu Statuten eines Klubs zur resoluten Wahrung der gedachten Zone vor der Willkür der Ballone. Doch er ahnt schon, ach, beim Schreiben seinen Klub im Rückstand bleiben: dämmrig, dünkt ihn, wird die Luft und die Landschaft Grab und Gruft. Er begibt sich drum der Feder, steckt das Licht an (wie dann jeder), tritt damit bei Palmström ein, und so sitzen sie zu zwein. Endlich, nach vier langen Stunden, ist der Albdruck überwunden. Palmström bricht zuerst den Bann: Korf, so spricht er, sei ein Mann! Du vergreifst dich im Jahrzehnt: Noch wird all das erst ersehnt, was, vom Geist dir vorgegaukelt, heut dein Haupt schon überschaukelt. Korf entrafft sich dem Gesicht. Niemand fliegt im goldnen Licht! Er verlöscht die Kerze schweigend. Doch dann, auf die Sonne zeigend, spricht er: Wenn nicht jetzt, so einst – kommt es, daß du nicht mehr scheinst, wenigstens nicht uns, den – grausend sag ich's –: Unteren Zehntausend! ... Wieder sitzt v. Korf danach stumm in seinem Schreibgemach und entwirft Statuten eines Klubs zum Schutz des Sonnenscheines.
Christian Morgenstern (1871 - 1914), deutscher Schriftsteller, Dramaturg, Journalist und Übersetzer
Quelle: Morgenstern, C., Gedichte. Palmström