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Abschied von einer First Lady

"Gut, dass Deutschland eine solche Freundin hatte": Berlin trägt Rut Brandt zu Grabe.

Es fällt ihr nicht leicht, hier zu sprechen, aber nun redet Christiane Arlt doch. Sie kann nicht anders, und sei es unter Tränen. Die Pflegerin hat Rut Brandt in den letzten Jahren begleitet, hat miterlebt, wie sie das neue Berlin mit "wenig Wehmut, dafür umso größerem Staunen" wahrgenommen hat. Es ist, hier in der "Fischerhütte", bei dem fast melancholischen Beisammensein der Familie, der Freunde und Weggefährten im Anschluss an den Trauergottesdienst und das Begräbnis auf dem Waldfriedhof in Zehlendorf ein sehr persönlicher Abschied, ein Abschied für die Pflegerin zumindest von "einem unglaublich sturen norwegischen Steinbock".

Schon während des Gottesdienstes in der Johanneskirche in Schlachtensee überwogen die fast intimen Erinnerungen an Rut Brandt. Die Familie hatte sich gewünscht, dass kein Politiker das Wort ergreift, und so war es an Friedrich Schorlemmer, ein Bild der Verstorbenen zu zeichnen. Er tat es mit preußischer Traurigkeit und menschlichem Witz. Zuvor hatte Peter Brandt nüchtern die Vita seiner Mutter vorgetragenen und dabei die einfachen Verhältnisse ins Gedächtnis gerufen, aus denen seine Mutter stammte. Seine kurze, ernste Rede endete mit dem genauen Todesdatum: "Am 28. Juli um 16.45 Uhr schloss sie für immer die Augen." Im Jahr 2004 war Rut Brandt wieder nach Berlin gezogen, nachdem sie mehr als zwei Jahrzehnte in der Nähe von Bonn und in Norwegen gewohnt hatte.

Schorlemmer rekapitulierte einen Satz von Willy Brandt: Er kümmere sich eben um die "großen Dinge" und seine Frau um "die einzelnen Menschen". Der Pfarrer zählte auf, wie sie das ins Werk gesetzt hat: selbstbewusst, charmant, von umwerfender Lebensklugheit, "mit sprühenden Augen und mit einem unverwechselbaren Lachen". Die Ehrung, man habe sich "um das Vaterland verdient gemacht", steht nur höchsten Würdenträgern des Staates zu, aber was Schorlemmer in der mit rund 200 Trauernden gefüllten Kirche sagte, kam dem doch sehr nahe: "Gut, dass Deutschland eine solche Freundin hatte, und gut, dass Deutschland eine solche Frau in Erinnerung behält."

Unter den Trauergästen waren neben der Familie mit den drei Söhnen Peter, Lars und Matthias, die hier schon konfirmiert bzw. getauft worden sind, viele langjährige Freunde. Klaus Schütz beschrieb Rut Brandt, sichtlich bewegt, als die "liebenswürdigste Frau, die mir je begegnet ist". Egon Bahr sagte, mit ihrem Tod in Berlin habe sich ihr Leben "zu einem Kreis geschlossen". Klaus Wowereit erklärte, Rut Brandt sei stets "eine gute Repräsentantin Berlins gewesen" und wie sehr er sich darüber "gefreut" habe, dass sie für ihre letzten Lebensjahre wieder zurückgekehrt sei. Einen weiten Blick zurück warf Walter Momper, der betonte, wie wichtig es gewesen sei, dass Rut Brandt an der Seite ihres Mannes "ein Stück Weltläufigkeit in das Nachkriegsberlin gebracht" habe. Auch Kurt Beck, Walter Steinmeier, Manfred Stolpe, Eberhard Diepgen, Hans Modrow fanden den Weg zu dem Gottesdienst. Gesine Schwan bekannte, sie sei "einfach aus Solidarität mir dieser wunderbaren Frau" gekommen.

Der Sarg aus hellem Holz war von unzähligen Kränzen umgeben, auch der Bundespräsident hatte Blumen geschickt. Ein großes Foto zeigte jene anmutige Frau, die den Berlinern in schwerer Zeit Zuversicht zu geben versucht hatte.

Bei der Beerdigung auf dem Waldfriedhof Zehlendorf schlug für Rut Brandt unter Trompetenklängen noch einmal jenes Herz von Berlin, das auch das Herz des alten Westberlins ist, das Herz der persönlichen und politischen Gefährten aus guten und auch schweren Tagen, das Herz, das lange Zeit für den freien Teil der Stadt und im Zweifelsfalle links schlug.

Ein überraschender Gast war Hans Modrow, der Rut Brandt in der norwegischen Botschaft kennengelernt hatte. Besonders beeindruckt hätten ihn ihre Leistungen während der Emigration. Wolfgang Thierse besann sich vor allem auf ihre "vornehme Art der Beurteilung von Menschen". Es gebe "nur wenige alte Damen, die mich derart beeindruckt haben". Dietrich Stobbe nannte sie knapp "eine perfekte First Lady: einfach, bei aller Eleganz, von hohem politischem Verstand und dabei fähig, Dinge ins Heitere zu wenden".

Nun liegt sie in Deutschland begraben und in Berlin, der Stadt, die ihr so nahe war wie kein anderer Ort, einige hundert Meter entfernt von Willy Brandt, mit dem sie 33 Jahre zusammen war, aber doch auf dem selben Gottesacker, dem Waldfriedhof in Zehlendorf

Nun liegt sie in Freundesland.

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