Rumpelstilzchen - Text und Interpretation des M�rchens
Die geistige Botschaft unserer alten M�rchen

Rumpelstilzchen

M�rchentext der Gebr�der Grimm [1857]
Interpretation von Undine & Jens in Gr�n [2018]

Es war einmal ein M�ller, der war arm, aber er hatte eine sch�ne Tochter. Nun traf es sich, da� er mit dem K�nig zu sprechen kam, und um sich ein Ansehen zu geben, sagte er zu ihm: �Ich habe eine Tochter, die kann Stroh zu Gold spinnen.� Der K�nig sprach zum M�ller: �Das ist eine Kunst, die mir wohl gef�llt, wenn deine Tochter so geschickt ist, wie du sagst, so bring sie morgen in mein Schlo�, da will ich sie auf die Probe stellen.� Als nun das M�dchen zu ihm gebracht ward, f�hrte er es in eine Kammer, die ganz voll Stroh lag, gab ihr Rad und Haspel und sprach: �Jetzt mache dich an die Arbeit, und wenn du diese Nacht durch bis morgen fr�h dieses Stroh nicht zu Gold versponnen hast, so mu�t du sterben.� Darauf schlo� er die Kammer selbst zu, und sie blieb allein darin.

Die �bliche Deutung dieses M�rchens ist der Sieg der jungen M�llerin auf der ganzen Linie: sie rettet ihr Leben, wird K�nigin, bekommt ein Kind und kann das Rumpelstilzchen austricksen, um alles Erworbene zu behalten. Doch mittlerweile sind wir uns bei dieser Auslegung nicht mehr so sicher... Es beginnt - und damit wie oft auch in der Entwicklung eines Menschen - mit einer prek�ren Notlage. Da gibt es eine M�hle, die an das M�hlrad des Lebens erinnert, das unabl�ssig angetrieben wird und sich endlos im Kreis dreht. Wozu? Sie mahlt und wandelt das Grobe ins Feine. Der M�ller in dieser M�hle behauptet nun von seiner Tochter, sie k�nne Stroh zu Gold spinnen. Ob er das wortw�rtlich gemeint hat oder eher ausdr�cken wollte, da� sie goldene H�nde h�tte, also sehr geschickt w�re, sei dahingestellt. Seine Absicht war auf jeden Fall das Prahlen vor dem K�nig, der Reichtum und Ansehen bedeutet. Sein Motiv ist nicht allzu l�blich, und so kann die Wirkung erstmal kaum gute Fr�chte tragen. Der K�nig scheint nun die Worte des M�llers wortw�rtlich zu nehmen und droht dem M�dchen sogar mit dem Tod, wenn sie nicht das kann, was ihr Vater behauptet hat.

Doch was bedeutet eigentlich, Stroh zu Gold spinnen? Stroh und Gold sind zwei Extreme, die auf den ersten Blick �hnlich aussehen. Doch das Eine war damals, als die Getreidehalme noch nicht zu Zwergen umgez�chtet waren, einer der Sch�tze der Bauern. Das Stroh diente als Schlafst�tte f�r Mensch und Vieh, als billiges Baumaterial oder wurde zum Flechten von Matten, Schuhen, Sandalen, H�ten, K�rben und sch�nem Schmuck verwendet. Gut getrocknetes Stroh hat eine goldene Farbe, ist aber innerlich hohl und besitzt wenig nahrhafte Substanz. Das andere war der Reichtum der Reichen. Aus Gold wurden Geldm�nzen und kostbarer Schmuck gemacht. Das Spinnen kann man in zweierlei Hinsicht deuten. Zum einen l��t sich durch flei�ige Arbeit alles in Gold verwandeln, und zum anderen kann man durch Hirngespinste sogar buntbedruckte Papierscheine zu wertvollem Geld machen. Was wirklich wertvoll im Leben ist oder nicht, ist eine Frage der Mode, also der geistigen Bildung oder Einbildung. Hier spricht man oft von Spinnerei. Zumindest geht es am Ende darum, etwas vermeintlich Niederes in das Wertvollste zu verwandeln, was die Menschen kennen. Diese Verwandlung in Gold war auch in der Alchemie das gro�e Ziel und ging gew�hnlich nicht ohne Zauber ab, der ja oft in M�rchen vorkommt. Doch meist bedeutet Magie ein geistiger Proze�, also eine geistige Entwicklung vom Niederen zum H�heren.

Gold steht f�r sowohl Reichtum und Langlebigkeit, als auch Licht, Weisheit und damit eine reine, also goldene Seele. Wie gelangt man vom Stroh des Lebens zu einer reinen Seele ohne Habgier und Zorn? Man ben�tigt die innere Erkenntnis, wie man im Einklang mit der Natur lebt. Achtet und liebt man die Natur nicht, oder meint man sogar, man w�re nur von leblosen Dingen umgeben, die man beliebig zwingen kann, dann schwingt man sich zum tyrannischen Herrscher auf. Ein Tyrann kann morden und qu�len, weil er sich getrennt von anderen sieht und kein Mitgef�hl mehr hat. Er mag denken: Was geht mich das Elend anderer an?! Doch wer kein Mitgef�hl hat, der ist innerlich kalt und tot.

Nun, die M�llerstochter wei� nicht mehr, wie man mit der Kraft der Natur Stroh zu Gold spinnt. Und wenn sie das nicht kann, mu� sie sterben, zumindest auf geistige Weise, weil sie die Verbindung zur lebendigen Natur verloren hat. So k�nnte man die erste Drohung durch den K�nig deuten. �ber die Motivation des K�nigs kann man streiten, ob er nur gierig auf Gold aus ist, oder ob er f�r die m�nnliche Kraft steht, die das Weibliche herausfordert, sich zu entwickeln.

Da sa� nun die arme M�llerstochter und wu�te um ihr Leben keinen Rat: sie verstand gar nichts davon, wie man Stroh zu Gold spinnen konnte, und ihre Angst ward immer gr��er, da� sie endlich zu weinen anfing. Da ging auf einmal die T�re auf, und trat ein kleines M�nnchen herein und sprach: �Guten Abend, Jungfer M�llerin, warum weint Sie so sehr?�

�Ach,� antwortete das M�dchen, �ich soll Stroh zu Gold spinnen und verstehe das nicht.� Sprach das M�nnchen: �Was gibst du mir, wenn ich dirs spinne?� - �Mein Halsband,� sagte das M�dchen. Das M�nnchen nahm das Halsband, setzte sich vor das R�dchen, und schnurr, schnurr, schnurr, dreimal gezogen, war die Spule voll. Dann steckte es eine andere auf, und schnurr, schnurr, schnurr, dreimal gezogen, war auch die zweite voll: und so gings fort bis zum Morgen, da war alles Stroh versponnen, und alle Spulen waren voll Gold.

Wenn alles ausweglos erscheint, wer kommt zu Hilfe, auch wenn er gar nicht gerufen wurde? Die Natur selbst, hier als unscheinbares M�nnlein, welches willig das Halsband als Gegenleistung annimmt. Eine Kette steht symbolisch f�r ganz unterschiedliche Dinge: f�r Verbundenheit ebenso wie f�r Abh�ngigkeit, f�r Gefangenschaft und Unterdr�ckung und gleichfalls f�r ein ehrbares Amt in allen W�rden. Da das M�nnlein die Kette gern akzeptiert, k�nnte gemeint sein, da� die M�llerstochter den Helfer ehren und ihre Verbundenheit mit der Natur wieder herstellen will. Auf jeden Fall will sie sich aus der erdr�ckenden Situation befreien, in der sie um ihr Leben f�rchtet.

Bei Sonnenaufgang kam schon der K�nig, und als er das Gold erblickte, erstaunte er und freute sich, aber sein Herz ward nicht ges�ttigt vom Golde. Er lie� die M�llerstochter in eine andere Kammer voll Stroh bringen, die noch viel gr��er war, und befahl ihr, das auch in einer Nacht zu spinnen, wenn ihr das Leben lieb w�re. Das M�dchen wu�te sich nicht zu helfen und weinte, da ging abermals die T�re auf, und das kleine M�nnchen erschien und sprach: �Was gibst du mir, wenn ich dir das Stroh zu Gold spinne?�

�Meinen Ring von dem Finger,� antwortete das M�dchen. Das M�nnchen nahm den Ring, fing wieder an zu schnurren mit dem Rade und hatte bis zum Morgen alles Stroh zu gl�nzendem Gold gesponnen.

Ein Ring ist ein magisches Ding. In vollkommener Harmonie ist er in sich geschlossen und steht f�r Ewigkeit, Einheit, Festigkeit und Treue. Das M�dchen gibt ihn gern, um sich zu retten, doch hat sie gelernt, was es bedeutet, sich in Liebe und Respekt mit der Natur zu verbinden? Wir Menschen sagen zwar gern, ich z�chte Obst und schmiede Eisen, und meinen damit, naturverbunden zu sein. Doch wer l��t denn im Grunde s�mtliche Nahrung wachsen und die Elemente sich f�gen? Es ist die Natur, die wirkt, und wir Menschen k�nnen uns nur einf�gen in die Prozesse und nutzen, was sie zu geben bereit ist. Sicher haben wir im Laufe der Generationen gelernt, einige Naturprozesse zu optimieren oder zu ver�ndern. Und dann denken wir, wir haben alles im Griff und verstanden. Doch selten kennen wir die Langzeitfolgen und k�mpfen oft genug mit unangenehmen Nebenwirkungen, die wir vorher nicht hatten. Wir wollen nicht mehr sehen, was das M�dchen direkt vor Augen hat: das M�nnlein spinnt f�r sie das Gold, weil sie f�r die Hilfe etwas zur�ckgeben m�chte.

Der K�nig freute sich �ber die Ma�en bei dem Anblick, war aber noch immer nicht des Goldes satt, sondern lie� die M�llerstochter in eine noch gr��ere Kammer voll Stroh bringen und sprach: �Die mu�t du noch in dieser Nacht verspinnen: gelingt dir�s aber, so sollst du meine Gemahlin werden.� Dabei dachte er: �Wenn�s auch eine M�llerstochter ist, eine reichere Frau finde ich in der ganzen Welt nicht.�

Es stellt sich die Frage: Ist der K�nig nun wirklich so geldgierig? Warum bietet er dem M�dchen sogar die Heirat, eine eigentlich heilige Verbindung an, wenn es doch nur um Geld geht? Dann k�nnte er doch einfach weiter pressen und mit Strafe drohen. Auch geh�rt ihm doch schon alles Gold, warum also die Verbindung mit einer nicht standesgem��en Frau? Vielleicht geht es ihm ja um das innere Gold, den wahren Schatz, n�mlich die liebevolle Verbindung zur Natur. Und mit der dritten Kammer hat das M�dchen f�r ihn eine innere Reife erlangt, mit der er sich gern verbinden m�chte.

Als das M�dchen allein war, kam das M�nnlein zum drittenmal wieder und sprach: �Was gibst du mir, wenn ich dir noch diesmal das Stroh spinne?� - �Ich habe nichts mehr, das ich geben k�nnte,� antwortete das M�dchen. �So versprich mir, wenn du K�nigin wirst, dein erstes Kind.� - �Wer wei�, wie das noch geht,� dachte die M�llerstochter und wu�te sich auch in der Not nicht anders zu helfen; sie versprach also dem M�nnchen, was es verlangte, und das M�nnchen spann daf�r noch einmal das Stroh zu Gold. Und als am Morgen der K�nig kam und alles fand, wie er gew�nscht hatte, so hielt er Hochzeit mit ihr, und die sch�ne M�llerstochter ward eine K�nigin. �ber ein Jahr brachte sie ein sch�nes Kind zur Welt und dachte gar nicht mehr an das M�nnchen: da trat es pl�tzlich in ihre Kammer und sprach: �Nun gib mir, was du versprochen hast.� Die K�nigin erschrak und bot dem M�nnchen alle Reicht�mer des K�nigreichs an, wenn es ihr das Kind lassen wollte: aber das M�nnchen sprach: �Nein, etwas Lebendes ist mir lieber als alle Sch�tze der Welt.�

Die Bitte des M�nnleins scheint grausam zu sein. Der Mutter das Kind wegnehmen, wo gibt�s denn so was? Sollte man das w�rtlich nehmen? Zumal nicht erw�hnt wird, was das M�nnlein mit dem Kinde vorhat. Wieder haben wir ein Symbol, �ber das es sich lohnt nachzudenken. Die Natur ist ewiges Werden und Vergehen. Und das ist es, was Leben bedeutet � Werden und Vergehen und sich entwickeln. Daher braucht das M�nnlein etwas Lebendiges, denn mit toten, also materiellen Sch�tzen allein gibt es keine Entwicklung. Die Verbindung zur Natur mu� mit Leben erf�llt und nicht nur als gewinnbringendes Gesch�ft um jeden Preis verstanden werden.

Vor noch nicht allzu langer Zeit war es den Menschen Gewi�heit, da� alles aus dem Scho� der Mutter Erde kommt, alles Leben, alle Nahrung, alle Sch�tze. Diese eine Quelle des Lebens, die Mutterg�ttin oder auch Mutter Natur, wurde verehrt und geachtet, indem man opferte. Der Opferritus ist Ausdruck daf�r, da� die Menschen anerkannten, da� ihnen nichts Lebendes je geh�ren kann, denn alles Lebendige, die Tiere, Pflanzen und Kinder kommen von Mutter Natur allein und geh�ren zu ihr. Unser Leben und unsere Nahrung ist nur f�r eine gewisse Zeitspanne geliehen und geht dann wieder in die Mutter zur�ck. Opfern bedeutet, symbolisch der Mutter das zur�ckzugeben, was ihr bereits geh�rt. Es war z.B. �blich, die ersten Fr�chte des Feldes zu opfern und damit f�r den Rest zu danken, den man f�rs �berleben ben�tigt und beh�lt. Im Erntedankfest finden sich heute noch die �berbleibsel dieser spirituellen Achtung vor der Natur, vor der Kraft des G�ttlichen. Es war auch nicht n�tig, Leben zu nehmen f�r diesen Ritus, aber die Bereitschaft war wichtig, innerlich das neugeborene Leben nicht als Eigentum zu betrachten, sondern als Teil der Gro�z�gigkeit von Mutter Natur. Es gibt in der Bibel das ber�hmte Beispiel, da� Gott von Abraham seinen Sohn Isaak fordert [Bibel, 1.Moses 22]. War das ein Zeichen daf�r, da� Gott grausam ist? Ist das Rumpelstilzchen grausam? In der Bibel mu�te das Opfer nicht wortw�rtlich vollzogen werden, denn es geht um die geistige Haltung. Es geht darum, das eigene Kind und damit auch das eigene Leben nicht als egoistischen Besitz zu betrachten und damit beides nicht eigensinnigen W�nschen untertan zu machen. Es geht darum, dem Leben den Vorrang zu geben und nicht dem Eigentum.

Es hei�t, das M�dchen willigt aus Not ein. Doch was ist die Not der M�llerstochter in der dritten Nacht? Schlie�lich droht ihr der K�nig nicht mehr mit dem Tod, sondern bietet ihr verlockenden Gewinn. Sie k�nnte einfach gehen und sagen: �Nein, ich gebe mein Kind nicht weg und verzichte auf die Heirat mit dem K�nig.� Das tut sie nicht. Sie ist wohl nun gierig auf die treffliche Stellung als K�nigin, und Gier bringt einen wahrlich auch in Not. Zwar hat sie eine gewisse Verbindung zur Natur, denn sie kommt ihr immer noch zu Hilfe, aber die geforderte Gegenleistung nimmt sie wohl nicht allzu ernst. Tats�chlich gibt sie ihr Versprechen, ohne viel zu �berlegen oder zu verstehen, und vergi�t schon bald die ganze Sache. Wie kann man denn vergessen, da� man f�r die eigene Entwicklung und den damit verbundenen geistigen Gewinn eine Gegenleistung bringen mu�?

Da fing die K�nigin so an zu jammern und zu weinen, da� das M�nnchen Mitleiden mit ihr hatte: �Drei Tage will ich dir Zeit lassen,� sprach er, �wenn du bis dahin meinen Namen wei�t, so sollst du dein Kind behalten.�

Den Namen eines Gottes, Geisterwesens oder Menschen zu kennen, war fr�her wesentlich, um zum anderen Zugang oder sogar Macht �ber ihn zu bekommen, denn der Name stand f�r das Wesen desjenigen, der ihn trug. Mit dem Wissen um den Namen hatte man also zwei M�glichkeiten: den Zugang zum Wesen des anderen zum Guten zu nutzen oder ihn zum �blen zu mi�brauchen. Zum Guten bedeutet, die Kraft der Natur anerkennen und ehren, und sich mit ihrer G�ttlichkeit verbinden. Zum B�sen verleitet uns der Eigensinn: Ich will f�r mich haben und behalten und gewinnen! Damit trennen wir uns von der Mutter Natur und zerrei�en uns und alles, was wir im Licht des Egoismus betrachten. Wir trennen es in n�tzlich und feindlich, in angenehm und unangenehm f�r mich. Damit machen wir das Leben und die Dinge, die uns umgeben, zu Mitteln zum Zweck. Sind sie uns angenehm, wollen wir sie haben. Wenn nicht, lehnen wir sie ab. Wir degradieren Menschen, Tiere und Pflanzen zu Werkzeugen, die man beliebig nutzen oder auch wegschmei�en kann. Im Lichte der Einheit betrachtet, ist die Natur weder b�se noch gut. Sie ist, wie sie ist. Und vor allem lebendig.

Doch zur�ck zur Handlung: Eigentlich war der Handel klar und damit fair gewesen. Das M�dchen hat ein Versprechen gegeben, was die K�nigin nicht halten will. Und doch bietet das M�nnlein der K�nigin eine zweite Chance. Doch welche? Vielleicht wollte das M�nnlein, da� die K�nigin sich ihrer lebendigen Verbindung zur Natur wieder bewu�t wird, nachdem sie nach ihrer Heirat und in ihrem neuen Status schon alles wieder vergessen hatte. Doch will die Natur irgendetwas? Nun, die Natur fordert uns st�ndig heraus und will uns Chancen zur Entwicklung geben. Wie wir sie nutzen, bleibt uns �berlassen.

Nun besann sich die K�nigin die ganze Nacht �ber auf alle Namen, die sie jemals geh�rt hatte, und schickte einen Boten �ber Land, der sollte sich erkundigen weit und breit, was es sonst noch f�r Namen g�be. Als am andern Tag das M�nnchen kam, fing sie an mit Kaspar, Melchior, Balzer, und sagte alle Namen, die sie wu�te, nach der Reihe her, aber bei jedem sprach das M�nnlein: �So hei� ich nicht.� Den zweiten Tag lie� sie in der Nachbarschaft herumfragen, wie die Leute da genannt w�rden, und sagte dem M�nnlein die ungew�hnlichsten und seltsamsten Namen vor �Hei�t du vielleicht Rippenbiest oder Hammelswade oder Schn�rbein?� Aber es antwortete immer: �So hei� ich nicht.�

Ihre eigenen Anstrengungen helfen der K�nigin, Frau und Mutter wenig. Zwar sinnt sie des Nachts, also in innerer Dunkelheit, auch Unwissenheit genannt, doch sie bekommt keinen Zugang zum M�nnlein, zur Natur. Warum hilft ihr die innerliche Schau nicht? Vielleicht, weil sie nach etwas �u�erem sucht.

Den dritten Tag kam der Bote wieder zur�ck und erz�hlte: �Neue Namen habe ich keinen einzigen finden k�nnen, aber wie ich an einen hohen Berg um die Waldecke kam, wo Fuchs und Has sich gute Nacht sagen, so sah ich da ein kleines Haus, und vor dem Haus brannte ein Feuer, und um das Feuer sprang ein gar zu l�cherliches M�nnchen, h�pfte auf einem Bein und schrie:

�Heute back ich,
Morgen brau ich,
�bermorgen hol ich der K�nigin ihr Kind;
Ach, wie gut ist, da� niemand wei�,
da� ich Rumpelstilzchen hei�!�

Da k�nnt ihr denken, wie die K�nigin froh war, als sie den Namen h�rte, und als bald hernach das M�nnlein hereintrat und fragte: �Nun, Frau K�nigin, wie hei� ich?� fragte sie erst: �Hei�est du Kunz?� - �Nein.� - �Hei�est du Heinz?� - �Nein.� - �Hei�t du etwa Rumpelstilzchen?� - �Das hat dir der Teufel gesagt, das hat dir der Teufel gesagt,� schrie das M�nnlein und stie� mit dem rechten Fu� vor Zorn so tief in die Erde, da� es bis an den Leib hineinfuhr, dann packte es in seiner Wut den linken Fu� mit beiden H�nden und ri� sich selbst mitten entzwei.

Es ist der Bote, der inmitten der Einsamkeit des Waldes das M�nnlein findet, an einem Ort, wo sich Fuchs und Hase, zwei eigentlich geschworene Feinde, Gute Nacht sagen. Ein Ort der Zeitlosigkeit und damit Harmonie, wo �u�ere Gegens�tze und Rollenverhalten nichtig sind. An solch einem Ort sagt das M�nnlein: �Ich backe! Ich braue!� � denn wie schon erw�hnt, alles kommt von der Natur. Es ist die Natur, die im Grunde alles transformiert und erschafft. Der Mensch kann sich nur ins lebendige Wirken der Natur einf�gen und seinen Anteil leisten. Doch bei der K�nigin kommt nicht der tiefere Sinn der Rede, sondern nur die Nachricht an, wie sie ihre versprochene Gegenleistung nicht einzuhalten braucht, denn sie m�chte ihr Kind f�r sich behalten. Ein Kind, das es ohne das M�nnlein gar nicht g�be. Sie will und kann nicht anerkennen, da� jedes Leben der Natur angeh�rt. Und so mag sie nicht den n�chsten Schritt in ihrer geistigen Entwicklung gehen und die Natur mit Leben, n�mlich dem eigenen, erf�llen. Sie sieht sich nicht verbunden mit dem M�nnlein, sondern f�r sie ist es der Feind, der ihr pers�nlich etwas wegnehmen will. Wen wundert es, da� sich die Natur daraufhin betrogen f�hlt und zornig wird? Wer nicht erkennen und sich weiterentwickeln m�chte, und dabei so eigenn�tzig denkt, sollte lieber nicht die Namen der Naturgeister kennen, damit er sie nicht mi�brauchen kann. Das erinnert auch an unsere moderne Wissenschaft, die ebenfalls versucht, die Natur mit Bezeichnungen und Kategorien zu begreifen, um sie zu beherrschen. Nun, das geht nicht immer gut.

Die Reaktion des M�nnleins ist dementsprechend: Die Natur kann zornige Kr�fte entfalten, und menschlicher Egoismus, einer der Teufel dieser Welt, rei�t entzwei, was eine harmonische und sich erg�nzende Einheit sein k�nnte.

Ein M�rchen endet gew�hnlich mit dem Sieg des Guten. Oberfl�chlich k�nnte man sagen, die K�nigin hat gewonnen. Aus Sicht des M�nnleins, ist die Natur f�r eigensinnige Zwecke benutzt worden. Und jeder, der �ber dieses M�rchen nachdenkt, zieht sicherlich andere Schl�sse. Doch wenn man �berhaupt versucht, �ber den tieferen Sinn einer Geschichte nachzudenken, dann hat das M�rchen ganz sicher ein gutes Ende.


Einleitung
Jorinde und Joringel - (Thema: Die Macht wahrer Liebe)
Der Eisenhans - (Thema: Die Natur zum Feind machen)
Die Alte im Wald - (Thema: Wandlung in der Natur)
H�nsel und Gretel - (Thema: Ego und Begierde besiegen)
Rumpelstilzchen (Thema: Das Wesen der Natur und ihr Geist)
Frau Holle - (Thema: Das Wesen der Natur)
Von einem, der auszog, das F�rchten zu lernen - (Thema: Das Wesen der Angst)
Rotk�ppchen - (Thema: Das Wesen der Begierde)
Hans im Gl�ck - (Thema: Der Weg zum wahren Gl�ck)
Der Gevatter Tod - (Thema: Das Wesen von Tod und Wirklichkeit)
... Inhaltsverzeichnis aller M�rchen-Interpretationen ...

[1857] Jacob und Wilhelm Grimm: Kinder- und Hausm�rchen, 7. Auflage, Berlin 1857
[Bibel] Luther Bibel, 1912
[2018] Text und Bilder von Undine & Jens / www.pushpak.de