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„Es gibt keinen Ersatz für den Sieg“ – Als die „Reagan Revolution“ begann

Am 4. November 1980 errang Ronald Reagan einen deutlichen Sieg über Amtsinhaber Jimmy Carter. Der „Great Communicator“ gilt bis heute als einer der größten US-Präsidenten. Doch die Grundlage seiner Erfolge als Staatschef war eine bittere Niederlage.
Managing Editor Geschichte
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1976 gewann Gerald Ford (r.) die republikanische Nominierung, aber der ihm unterlegene Ronald Reagan gewann die Herzen der Delegierten – und 1980 die Wahl
Quelle: picture alliance / Everett Collection

Große Erfolge entstehen selten über Nacht. Zumeist haben sie eine längere Vorgeschichte, reich an Rückschlägen und Unwägbarkeiten, was im Nachhinein aber oft kaum in Erinnerung bleibt. Ein Beispiel dafür ist die Präsidentschaft von Ronald Reagan.

Regelmäßig befindet sich der 40. US-Staatschef bei Abstimmungen über die größten Präsidenten Amerikas in den Top Zehn, in einer Reihe mit George Washington, Abraham Lincoln , Thomas Jefferson, Harry Truman und John F. Kennedy. Historiker haben konstatiert, dass kein Präsident seit Franklin D. Roosevelt derart umfangreiche Veränderungen in der US-Politik durchgesetzt hat wie er.

Hervorgehoben werden dabei immer das humorvolle Charisma und das Redetalent des „Great Communicators“ – sowie seine klare Haltung und daraus resultierend seine bedeutenden politischen Erfolge. Darunter die Ankurbelung der bei seinem Amtsantritt rezessionsgeplagten Wirtschaft durch die „Reaganomics“: angebotsorientierte, neoliberale Reformen. Und sein robuster Antikommunismus, der dazu führte, dass der Westen als Sieger aus dem Kalten Krieg hervorging und das im Wettrüsten überforderte „Reich des Bösen“, wie Reagan die UdSSR nannte, schließlich implodierte.

Wird die Frage gestellt, wann diese siegreiche konservative Wende in den USA, die „Reagan Revolution“, ihren Anfang nahm, liegt als Antwort nahe, auf Reagans klaren Wahlsieg vom 4. November 1980 zu verweisen. An diesem Tag errang der republikanische Herausforderer 489 der Wahlmännerstimmen, während der glücklose demokratische Amtsinhaber Jimmy Carter nur auf 49 Stimmen kam. Insgesamt sprachen sich 51 Prozent aller Wähler für Reagan aus, für Carter nur 41 Prozent. Von da an machte sich Reagan als Präsident daran, seinen Wahlkampf-Slogan in die Tat umzusetzen: „Let’s make America great again“ – eine Parole, die Donald Trump Jahrzehnte später bekanntlich wiederverwerten und auf seine politischen Ideen und Methoden ummünzen sollte.

Ronald Reagan
Wahlkampf-Button mit Reagan vor seinem Wahlspruch, den später Trump recycelte
Quelle: Getty Images/MPI

Doch das Fundament für die „Reagan Revolution“ wurde bereits früher gelegt: Eher in Vergessenheit geraten ist heute, dass der Wahltriumph von 1980 bereits der zweite Versuch von Reagan war, die Präsidentschaft zu erlangen. Vier Jahre zuvor hatte der damalige Ex-Gouverneur von Kalifornien versucht, die republikanische Nominierung gegen den amtierenden Präsidenten Gerald Ford zu erlangen und war auf einem dramatischen Parteikonvent knapp gescheitert.

Eine bittere Niederlage für Reagan, nach der die meisten Politikberater und Medienvertreter den damals 65-Jährigen als potenziellen künftigen Präsidentschaftskandidaten abschrieben: Er sei zu alt, zu radikal und stünde trotz seiner Schar von glühenden jungen Anhängern eben doch für die Vergangenheit. Tatsächlich war 1976 für Reagan aber nicht der Anfang vom Ende – sondern das Ende des Anfangs, wie es der Reagan-Biograf Craig Shirley formuliert. Er verortet den Beginn der „Reagan Revolution“ daher an dieser Stelle: Hier wurde eine Saat gelegt, die vier Jahre später aufging. Ohne 1976 wäre 1980 nicht möglich gewesen.

Kritikern blieb der Ex-Schauspieler stets suspekt

Die Medien und das (Partei-)Establishment hatten Reagan nach seiner Niederlage gegen Ford unterschätzt, und das nicht zum ersten Mal. Dass Reagan vor seiner politischen Laufbahn seit den 1930er-Jahren eine jahrzehntelange Karriere als Schauspieler in Hollywood betrieben hatte, ließ ihn in den Augen seiner Kritiker stets suspekt erscheinen. Er spiele ja nur eine weitere Rolle, sagten sie, und nahmen ihn nicht ernst, belächelten seine Ambitionen. Geflissentlich übersahen sie dabei, dass sich Reagan bereits in seiner Zeit als Entertainer auch als Gewerkschaftsfunktionär und seit 1947 als Präsident der Filmschauspieler-Gewerkschaft engagiert hatte.

Seine Anhänger wusste Reagan indes zu begeistern, denn seine Rhetorik beruhte auf echten, fundamentalen Überzeugungen. Sie kamen aus tiefstem Herzen, und die Emotionen, die ihn bei manch flammender Rede überkamen, wirkten authentisch. Da war nichts gespielt, davon waren seine Zuhörer überzeugt, im Gegensatz zu manchen Kommentatoren und Parteifunktionären.

Ursprünglich verstand sich Reagan als Roosevelt-Demokrat, wechselte 1962 aber offiziell seine Parteizugehörigkeit und wurde Republikaner. Schnell hingen ihm dort Label wie „Rechtsaußen“ oder „Hardliner“ an. Denn der Konservative schreckte vor klaren Worten nicht zurück: Reagan diagnostizierte dem Linksliberalismus einen vollkommenen Bankrott und erklärte, der Staat sei nicht die Lösung von Problemen – sondern sei vielmehr selbst das Problem: zu ausufernd, zu übergriffig. Weniger Staat, weniger Regulierung, weniger Steuern seien die Antwort. Auch vertrat Reagan eine Rückbesinnung auf klassische sozialmoralische Werte wie Familie, Glaube, Individualismus, Freiheit und Optimismus; verbunden mit einer Politik der Stärke, um diese uramerikanischen Ideale gegen innere und äußere Feinde zu verteidigen.

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1967 wurde Reagan kalifornischer Gouverneur, und während seiner acht Amtsjahre blieb er diesen Prinzipien treu, verstand es gleichzeitig aber, in Streitfällen pragmatisch vorzugehen, sich nicht in Einzelheiten seiner Verwaltung einzumischen oder in Details zu verheddern. Und er war fähig, Kompromisse zu schließen. Dadurch fand er Mehrheiten, war erfolgreich – und wusste sein Geschick als volksnaher Medienprofi zu nutzen, um den Bürgern seine Politik zu vermitteln. Eigenschaften, die auch seine spätere Präsidentschaft prägen sollten. Diese hoffte er, im Jahr 1976 zu erlangen.

Unzufrieden mit der moderaten Politik des amtierenden Präsidenten Ford, der als Vize Richard Nixons durch dessen Rücktritt nach der Watergate-Affäre 1974 ins Amt gerückt war, entschloss sich Reagan, Ford (und damit das gemäßigte Partei-Establishment) herauszufordern. Er verkündete am 20. November 1975 seine Kandidatur für die republikanische Nominierung, als dezidiert konservative Alternative zu Ford.

In den darauffolgenden Monaten kämpften die beiden Kandidaten mit rhetorisch harten Bandagen, griffen einander in diversen Reden an. Insbesondere das Ford-Lager schreckte dabei vor derben persönlichen Attacken nicht zurück. Reagan gewann einige Vorwahlen, aber als es vom 16. bis 19. August 1976 auf der Republican National Convention in Kansas City, Missouri, schließlich zum Showdown kam, lag Ford vorne.

Reagan wurde gedrängt, vorzeitig aufzugeben, weigerte sich jedoch – und seine Fans erst recht. Die Stimmung während des Parteikonvents in der Kemper Arena war aufgeheizt, Reagans Anhänger traten sehr lautstark auf und machten mit Plastiktrompeten und Sprechchören so viel Lärm, als handele es sich um eine Sportveranstaltung. Am Ende kam Ford am Abend des 18. August auf 1187 Stimmen, während Reagan 1070 Delegierte auf sich vereinen konnte. Ein knappes Ergebnis, und doch hatte es nicht gereicht.

Eine schwere Stunde für Reagan. Doch in der Krise zeigt sich der Charakter – und die Art und Weise, wie Reagan mit seiner Wahlschlappe umging, beeindruckte seine Gegner und ließ seine Anhänger umso mehr an ihn glauben. Er war sichtlich angefasst, aber weder verbittert noch zornig. Im Gegenteil rief er seine Helfer dazu auf, jetzt nicht zynisch zu werden und weiter an ihre Mission zu glauben, als er sein Team am Morgen des 19. August ein vorerst letztes Mal versammelte. Reagan-typisch begann er humorvoll, doch schnell wurde er emotional, seine Stimme brüchig. Ehefrau Nancy musste weinen, sie wandte sich vom Publikum ab. Am Ende hatte fast jeder im Saal Tränen in den Augen.

Die legendäre Rede in der Kemper Arena

Doch die weitaus wichtigere Szene ereignete sich am Abend: Auf der Tribüne der Kemper Arena stand der siegreiche Ford und signalisierte Reagan im Publikum, auch auf die Bühne zu kommen, um ein paar Worte zu sagen – was im Ablaufplan nicht vorgesehen war. Nicht ohne Hintergedanken: Einige aus dem Ford-Team hofften, dass sich Reagan bei einer spontanen, improvisierten Rede verhaspeln, mäandern, sich endlich entzaubern würde – während Ford seine zuvor gehaltene Siegesrede minutiös vorbereitet und geprobt hatte. Ford würde dann umso gestärkter aus dem Parteitag gehen.

Das Gegenteil trat ein: Aus dem Stegreif hielt Reagan eine eloquente Rede, die das Publikum mitriss und einer der wichtigsten Momente seiner Laufbahn werden sollte. Er zollte Ford Respekt und führte aus, was aus seiner Sicht bei den aktuellen innenpolitischen Problemen auf dem Spiel stand und was in globaler Hinsicht: die Gefahr eines atomaren Dritten Weltkriegs, also nicht weniger als der Fortbestand der Menschheit. Er schloss mit den Sätzen: „Wir müssen von hier ab vereint vorangehen, entschlossen. Und es stimmt, was ein großer General vor einigen Jahren gesagt hat: Es gibt keinen Ersatz für den Sieg.“

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Reagans Worte überstrahlten jene des wenig charismatischen amtierenden Präsidenten um ein Vielfaches. Ford habe an diesem Abend zwar die Nominierung gewonnen, aber Reagan die Herzen, schrieben Kommentatoren. Vielen, die nicht für Reagan gestimmt hatten, dämmerte jetzt, dass sie den falschen Mann nominiert hatten. Das Wahlergebnis vom 2. November 1976 bestätigte dies: Ford verlor gegen Carter und musste das Oval Office räumen. Während dessen Präsidentschaft profilierte sich Reagan als Carters schärfster Kritiker, und er baute auf seinen 1976 etablierten Netzwerken auf, um 1980 nach einem furiosen Wahlkampf das Weiße Haus zu übernehmen.

1984 wurde Reagan mit großer Mehrheit wiedergewählt. In seiner Präsidentschaft gelang ihm vieles, aber nicht alles. Doch selbst Misserfolge wie das in seiner Amtszeit enorm gewachsene Haushaltsdefizit, Kontroversen oder gar Skandale (Stichwort: Iran-Contra-Affäre) schmälerten seine hohen Beliebtheitswerte nicht, sondern schienen förmlich an ihm abzuperlen – weshalb Kommentatoren ihm halb höhnisch, halb bewundernd den Titel „Teflon Ron“ gaben.

Auf seinen Beinamen „Great Communicator“ kam Reagan in seiner Abschiedsrede im Oval Office am 11. Januar 1989 zu sprechen: „Ich war nie der Meinung, dass mein Stil oder meine Worte etwas vorangebracht haben: Es war der Inhalt. Ich war kein großer Kommunikator, sondern ich habe großartige Dinge kommuniziert, und diese habe ich mir nicht ausgedacht, sondern sie kamen aus dem Herzen einer großartigen Nation.“

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