Karlheinz Böhm: Meine Lebens-Beichte | Abendzeitung München

Karlheinz Böhm: Meine Lebens-Beichte

Zum 80. spricht der Schauspieler Karlheinz Böhm erstmals auch über seine dunklen Seiten: Über seinen jugendlichen Selbstmordversuch, den Sissi-Komplex und die Entfremdung von seiner Mutter.
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Karlheinz Böhm mit seiner Frau Almaz.
dpa Karlheinz Böhm mit seiner Frau Almaz.

Zum 80. spricht der Schauspieler Karlheinz Böhm erstmals auch über seine dunklen Seiten: Über seinen jugendlichen Selbstmordversuch, den Sissi-Komplex und die Entfremdung von seiner Mutter.

VON RENATE SCHRAMM

Die erste Frage stellt er: „Wie groß sind Sie?“ –

„1,77.“ Er lächelt. „Ich war mal 1,79. Jetzt bin ich kleiner als Sie. Das bringen die Jahre mit sich. Meine Münchner Oma hat immer gesagt: ,Wann ma älter wird, wachst ma wia der Kuhschwoaf in den Boden.’ Karlheinz Böhm schaut sich in der Ludwig-Suite um, die das „Vierjahreszeiten“ fürs Interview zur Verfügung gestellt hat. „Nicht, dass die AZ-Leser glauben, ich wohne hier.“ Schein statt Sein, das ist nicht seine Sache.

AZ: Herr Böhm, kennen Sie Yvonne Catterfeld?

KARLHEINZ BÖHM: Ich bin ihr 2003 bei einer TV-Gala begegnet. Ich erinnere mich, dass sie eine gewisse Ähnlichkeit mit Romy Schneider hat.

Jetzt wird sie Romy im Kino spielen.

Das wusste ich nicht. Sicher eine große Herausforderung.

Wer könnte Ihren damaligen Part als Kaiser Franz Joseph übernehmen?

Vielleicht mein Enkel Florian. Er ist ja Schauspieler.

Beim ersten Film waren Sie 27 und Romy Schneider 16. Wie war Ihr Verhältnis?

Kollegial. Außerhalb der Dreharbeiten haben wir uns nicht gesehen. Erst 1960, als sie in Paris lebte, habe ich sie dort in einem Café getroffen.

Vor der Romy-Sissi haben Sie eine andere Sissi geküsst.

Sissi Placzek, die Hutmachertochter aus Graz, meine erste Schüler-Liebe.

Die fast tragisch geendet hätte.

Ich war abends mit Sissi spazieren, vergaß, dass ich den Hausschlüssel hatte und ließ meine Eltern eine Dreiviertelstunde vor der Tür warten. Als ich mit schlechtem Gewissen ankam, sagte meine Mutter: „Das werden wir dir nie verzeihen.“

Und deshalb haben Sie sich umbringen wollen und mit einer Rasierklinge die Pulsadern aufgeschnitten?

Ich war so verzweifelt. Zum Glück hat mich das Hausmädchen rechtzeitig gefunden.

Haben Sie später mit Ihrer Mutter darüber gesprochen?

Nein, nie.

Hat Sie das entfremdet?

Das nicht, erst die Sache bei den Bayreuther Festspielen.

Was war da?

Das ist jetzt sehr privat: In ihrer 53-jährigen Ehe hatte meine Vater etliche Freundinnen und meine Mutter zwei Freunde. Ich wusste von den beiden, mein Vater aber nicht. Damals in Bayreuth hatte er persönliche Probleme und ich glaubte, dass ich ihm die Wahrheit über meine Mutter sagen müsste. Sie erfuhr es hinterher und hat mir das bis zu ihrem Lebensende nicht verziehen. Was mir sehr weh getan hat.

Mittlerweile haben Sie ein zweites Leben. Die Menschen in Äthiopien verehren Sie wie einen Gott, das sagt sogar der deutsche Botschafter dort.

Damit kann ich mich nicht identifizieren, es nicht gutheißen. Ich bin naturgläubig.

Das heißt?

Es gibt eine Natur, aus der wir kommen und in die wir zurückgehen. Was die Menschen in Äthiopien betrifft, ich versuche nur, ihnen eine bessere Zukunft zu geben.

Das tun Sie seit 27 Jahren. Am 16. März werden Sie 80 – und arbeiten weiter, oder?

Ja, ich mache es wie mein Vater. Er hat bis kurz vor seinem Tod mit 86 dirigiert und mir gesagt: „Wenn du an Ruhestand denkst, kannst du dir gleich einen Sarg bestellen.“

Ihre Frau Almaz ist 44, Aida und Nicolas sind 15 und 17 – halten die drei Sie jung?

Sie geben mir sehr viel Kraft. Auch die Menschen in Äthiopien motivieren mich.

1981 flogen Sie erstmals hin, nach Ihrem legendären Aufruf in „Wetten dass“. Ihr Motiv war Wut. Weil bei uns Millionen für Rüstung ausgegeben wurden, aber kein Geld für die Armen in Afrika.

Die Wut auf diese menschenverachtende Diskrepanz zwischen Arm und Reich treibt mich noch immer. Wir dürfen Afrika nicht als Almosenempfänger abstempeln, sondern müssen es als Wirtschaftspartner akzeptieren.

Schaden Skandale wie zuletzt um Unicef auch dem Image Ihrer Organisation?

Nein, die Spender vertrauen uns – mit Recht. Die Stiftung wird scharf kontrolliert. Wir können genau nachweisen, wohin das Geld gegangen ist.

Können Sie das auch einem AZ-Leser sagen, der 50 Euro spendet?

Nicht im Detail. Abgesehen von Großspenden kommen die Gelder in einen Topf und daraus wird alles finanziert – die Putzfrau, medizinische Geräte oder meine Flüge nach Äthiopien. Alles andere bezahle ich selbst.

Sie sind durch das Erbe Ihrer Eltern finanziell unabhängig. Wofür geben Sie privat gern Geld aus?

Ich brauche nichts mehr. Wozu soll ich mir ein neues Hemd kaufen? Ist doch wurscht, wenn das alte nicht mehr ganz modisch ist.

Kaufen Sie sich CDs?

Da würde ich mich vor mir selber schämen. Ich habe schon eine sehr umfassende Klassik-Sammlung. Früher habe ich jeden Monat zehn Prozent meiner Gagen dafür ausgegeben.

Was hören Sie an grauen Tagen?

Manchmal das Strauss-Lied „Morgen“, gesungen von meiner Mutter Thea Linhard mit ihrer schönen Sopranstimme. Aber sonst spielt Musik keine Rolle mehr in meinem Leben.

Wie ist’s bei Ihren Kindern?

Sie hören nur Pop. Mein Vater, der große Dirigent, wäre entsetzt (er lacht). Ich kann damit überhaupt nichts anfangen und sie daheim nur bitten, ihre Türen zu schließen, damit die Musik nicht so durchs Haus dröhnt.

Neben Ihrem Vater hat auch Rainer Werner Fassbinder eine wichtige Rolle für Sie gespielt.

1972 sah ich ihn in der Bavaria. Ich war beeindruckt, von dem, was er machte, wollte gern mit ihm arbeiten – und sprach ihn an. Er hob noch nicht mal den Kopf. Erst, als ich fertig war, schaute er mich kurz an, brummte etwas. Seine Arroganz ärgerte mich zutiefst.

Tage später schickte er Ihnen sein „Martha“-Drehbuch.

Neben „Peeping Tom“ ist das mein bester Film.

Sie beide verbinden vier Filme und zwei Theaterstücke. Was noch?

Er hat mich politisch geweckt. Seinen Satz: „Ich schaue, wo was faul ist, und dahin schieße ich“, habe ich mir zu eigen gemacht. Und er hat mir meinen Sissi-Komplex ausgeredet.

Sie haben auch gelitten, nicht nur Romy Schneider?

Nicht so heftig wie sie – und vorübergehend.

Vor Fassbinder haben Sie in Hollywood gedreht. Woran erinnern Sie sich lieber – an die Filme oder Ihre Begegnung mit Marilyn Monroe?

Ich habe sie angebetet – wie Millionen Männer damals. Wir trafen uns im Haus ihres Psychoanalytikers, mit dem ich befreundet war. Sie setzte sich wortlos zu uns, trug eine große Sonnenbrille. Erst war ich stumm vor Bewunderung, dann fragte ich, warum sie die Brille nicht absetzte.

Hat sie geantwortet?

Mit schneidender Stimme: „Habe ich Sie gefragt, ob Sie sich ausziehen?“

Wie ging’s weiter?

Wir tanzten. Miss Monroe mit Brille, traumhaft schön.

Amerika, Österreich, Deutschland, Äthiopien – wo ist Ihre Heimat?

Im Erer-Tal, wo ich die Halbnomaden sesshaft gemacht. Sie betrachten mich als einen von Ihnen, trotz meiner Hautfarbe. Das berührt mich sehr.

In dem Tal haben Sie ein kleines Häuschen.

Dort möchte ich mit Almaz, die die Stiftung einmal fortführen wird, meinen Lebensabend verbringen und zurück in die Natur gehen.

Termine zum 80. Geburtstag:

Am 3.März bundesweiter Spenden-Aufruf für die „Menschen“-Stiftung. Die neue Biographie „Mein Leben“ (Collection Rolf Heyne) erscheint am 17. März. Am 23.April würdigt ihn das ZDF mit einer Gala.

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