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Zum Tod von Roman Herzog: "Es ist ein Verlust für Deutschland"

Seine "Ruck-Rede" bleibt in Erinnerung. Alt-Bundespräsident Roman Herzog ist mit 82 Jahren gestorben. Politiker würdigen den Staatsmann.

Bundespräsident Joachim Gauck würdigte seinen Vorgänger Roman Herzog
Bundespräsident Joachim Gauck würdigte seinen Vorgänger Roman Herzog (Foto: dpa) Foto: mkx wie

Bundespräsident Joachim Gauck würdigte seinen Amtsvorgänger als „freiheitsliebenden kritischen Geist und Mann der klaren Worte”. „Roman Herzog hat Reformbereitschaft angemahnt, als die Bundesrepublik dieser Mahnung in besonderer Weise bedurfte”, sagte Gauck. „Wie notwendig Veränderungen sind, um Wohlstand und soziale Sicherheit zu gewährleisten, hat er uns immer wieder vor Augen geführt.”

Als freiheitsliebender kritischer Geist und als Mann der klaren Worte habe Herzog viel zur Verständigung zwischen Bürgern und Politik beigetragen, sagte Gauck weiter. „Er genoss Vertrauen, weil er eine klare und menschliche Art zu denken hatte und weil er aus tiefster Überzeugung sich für dieses Land und Europa einsetzte – und auch weil er seinen Mitmenschen mit Takt und Umsicht begegnete.”

Kanzlerin Angela Merkel (CDU) betonte: „Seine unverwechselbare kluge Stimme und seine Fähigkeit, Probleme offen zu benennen und dabei Mut zu machen, wird mir und wird uns allen fehlen.” Herzog habe das höchste Staatsamt in seinem „eigenen unnachahmlichen Stil” ausgefüllt. „Er pflegte das offene Wort, war unprätentiös, humorvoll und durchaus selbstironisch”, betonte die Kanzlerin. Unvergessen bleibe seine Berliner „Ruck-Rede” 1997, in der er zu umfassenden Reformen in Deutschland aufgerufen habe.

Kanzlerin Angela Merkel und Roman Herzog bei einer Veranstaltung im März 2012
Kanzlerin Angela Merkel und Roman Herzog bei einer Veranstaltung im März 2012 (Foto: dpa) Foto: fpt jai

Der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel erinnerte daran, dass Herzog sich „mit deutlichen Worten für Integration und gegen jede Form von Ausländerfeindlichkeit und Rechtsextremismus eingesetzt” habe.

Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) hat Herzog als „scharfsinnigen Analysten und großen Demokraten” gewürdigt. „Sein entschiedenes Eintreten für einen Gedenktag für die Opfer des Nationalsozialismus ist ein bleibendes Verdienst von Roman Herzog um unser demokratisches Deutschland”, sagte Woidke in Potsdam. Der Gedenktag am 27. Jamuar sei Erinnerung und Mahnung, jeder Form von Gewalt und Rassismus entschieden entgegen zu treten. „Auch sein Credo, wonach sich Deutschland immer wieder neuen Herausforderungen stellen und dabei verändern muss, prägt unser Land bis heute”, meinte Woidke. Dafür stehe Herzogs berühmte „Ruck-Rede”.

Der frühere CSU-Chef Edmund Stoiber hat die politische Leistung von Herzog gelobt. „Roman Herzog war ein Vordenker der Freiheit und des Fortschritts. Er war ein Mutmacher und Motivator, der nicht zuletzt mit seiner berühmten „Ruck-Rede” den Boden für weitreichende Reformen in Deutschland bereitet hat”, sagte der ehemalige bayerische Ministerpräsident. Als gebürtiger Landshuter sei Herzog mit seinem Herzen immer ein Bayer geblieben. „Seine Orientierung gebende, kritische Stimme wird uns fehlen.”

Die Deutschlandflagge und die Fahne der EU wehen vor dem Schloss Bellevue nach dem Tod von Altbundespräsident Roman Herzog auf Halbmast
Die Deutschlandflagge und die Fahne der EU wehen vor dem Schloss Bellevue nach dem Tod von Altbundespräsident Roman Herzog auf Halbmast (Foto: dpa) Foto: mkx fdt

Nordrhein-Westfalens Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) hat die sogenannte Ruck-Rede des früheren Bundespräsidenten in Erinnerung gerufen. „Roman Herzogs Tod ist ein Verlust für Deutschland, er ist ein Streiter für die parlamentarische Demokratie gewesen in all seinen Ämtern”, sagte Kraft in Düsseldorf. „In Erinnerung wird uns immer bleiben die berühmte Ruck-Rede”, sagte Kraft nach Angaben der Staatskanzlei. „Ich glaube, er hat uns allen ein Vermächtnis hinterlassen.”

Der Zentralrat der Juden in Deutschland hat zum Tod von Alt-Bundespräsident Roman Herzog dessen Engagement für Versöhnung gewürdigt. „Das friedliche Zusammenleben unterschiedlicher Kulturen und Religionen war ihm immer ein Herzensanliegen”, sagte Ratspräsident Josef Schuster. „Alt-Bundespräsident Herzog hat mit seiner klaren Haltung und seinem Engagement viel zur Versöhnung zwischen der deutschen Mehrheitsgesellschaft und der jüdischen Gemeinschaft sowie zwischen Deutschland und Israel beigetragen.” 1998 hatte Herzog für sein Engagement den Leo-Baeck-Preis des Zentralrats der Juden erhalten.

Frankreichs Außenminister Jean-Marc Ayrault hat Herzog als „einen Freund Frankreichs und einen großen Europäer” gewürdigt. Er habe sein Mandat mit Überzeugung und Autorität ausgeübt, „immer bedacht, die humanistischen Werte zu fördern”, teilte Ayrault in Paris mit. „Mit seinem Tod verliert Deutschland einen der großen Architekten seiner Einheit.”

Roman Herzog war ein Mann mahnender und auch markiger Worte.

Einige Zitate aus seinem politischen Leben

ÜBER DEUTSCHLAND

„Durch Deutschland muss ein Ruck gehen. (…) Alle sind angesprochen, alle müssen Opfer bringen, alle müssen mitmachen.”

(Berliner Rede am 26. April 1997)

„Die ganze Gesellschaft leidet bei uns an eingeschlafenen Füßen, die allerdings bis ans Hirn führen.”

(Oktober 2004 bei der Verleihung des Leibniz-Rings in Hannover)

„Das Volk bewegt sich nicht.”

(15. April 2008 im Interview mit der BILD)

„Wir brauchen nicht alles Bewährte über Bord zu werfen. Aber Erneuerung tut Not, schon um das Bewährte für die Zukunft zu sichern.”

(April 1996, Rede über Stiftungsarbeit)

„Frei können wir nur gemeinsam sein. Freiheit funktioniert nicht, wenn der Einzelne immer nur Rechte für sich in Anspruch nimmt und immer mehr Verantwortung den anderen aufbürdet.”

(24. Mai 1999 in Berlin beim Staatsakt zum 50-jährigen Jubiläum der Bundesrepublik)

ÜBER POLITIK

„90 Prozent tragen Bedenken, 10 Prozent Verantwortung.”

(1994 beim Freundschaftsbesuch in Ungarn über Wissenschaftler und Politiker)

„Wir brauchen eine Außenpolitik ohne Zähnefletschen und Tschingdarassabum, aber auch ohne Verkrampfungen.”

(März 1995 in Bonn zu Auslandseinsätzen der Bundeswehr)

„Ich jedenfalls kann unser Steuersystem nicht mehr verstehen, obwohl ich mich zehn Jahre mit Steuern in Karlsruhe (als Bundesverfassungsrichter) befasst habe.”

(August 1994 im Interview mit der „Bild am Sonntag”)

ÜBER DAS BUNDESPRÄSIDENTENAMT

„Immer freuen sich alle, wenn man kommt. Das ist das Schöne am Amt des Bundespräsidenten: Man muss nie jemandem wehtun.”

(28. August 1997 bei einem Besuch in Rüsselsheim)

„Das Fragenstellen ist das schärfste Schwert, das der Bundespräsident hat. Denn Fragen kann man nicht verbieten.”

(11. Dezember 1996 in Hamburg vor Offizieren der Führungsakademie der Bundeswehr)

„Im Grunde war der Reichspräsident der Weimarer Republik ein vom Volk gewählter Kaiser. Dafür eigne ich mich nicht. Ich heiße auch nur Herzog.”

(Februar 1995 auf die Anregung eines Anrufers in einer Fragestunde, der Bundespräsident solle mehr Macht haben)

„Es müssen nicht alle die gleichen Dummheiten machen.”

(April 1997 über eine zweite Amtszeit)

„Das, was im Amt möglich ist, habe ich bis zur Grenze ausgeschöpft. Dabei ist mir die große Mehrheit der Bürger gefolgt.”

(Kurz vor Ende der Amtszeit 1999)

„Sie tun so, als wenn ich jetzt sterben müsste, aber ich freue mich auf die Zeit danach.”

(22. Mai 1999 am Vortag der Wahl seines Nachfolgers Johannes Rau)

Themen: Bundespräsident Nachrichten