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„Herzog ließ aus allem Aufgeblasenem die Luft raus“

Stv. Chefredakteur
Staatsakt für verstorbenen Bundespräsidenten Roman Herzog

Mit einem Staatsakt ist im Berliner Dom des früheren Bundespräsident Roman Herzog gedacht worden. Herzog war im Alter von 82 Jahren gestorben. Von 1994 bis 1999 war er Staatsoberhaupt.

Quelle: N24

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Beim Staatsakt für Roman Herzog würdigen die Redner ihn als Staatsmann, der sich nicht den Sprachregelungen des Zeitgeistes unterwarf. Persönlich wurde es, als Schäuble über seinen Freund sprach.

Kurz nach elf Uhr morgens im Berliner Dom, der Trauergottesdienst für Roman Herzog ist gerade in einen anschließenden Staatsakt übergegangen, muss Wolfgang Schäuble (CDU) lachen. Bundespräsident Joachim Gauck, der die erste Trauerrede hält, hat gerade von der „unbändigen Spottlust“ seines Vorgängers erzählt und festgestellt: „Er konnte einfach nicht anders, als aus allem allzu Aufgeblasenen die Luft rauszulassen.“ Da nickt Schäuble spontan zustimmend, lächelt und lacht sogar still.

Früherer Bundespräsident Roman Herzog
Roman Herzog war Bundespräsident von 1994 bis 1999
Quelle: dpa/AFP/Archiv

Später wird Schäuble selbst sprechen, aber nicht als Finanzminister, sondern als politischer Wegbegleiter Herzogs und Freund seiner Familie. Seine Worte werden der Höhepunkt dieses würdigen Gedenkmorgens. Die Spitzen der Republik nehmen Abschied von Roman Herzog. Ganz vorn, neben dessen Witwe, Alexandra Freifrau von Berlichingen. Sie war immer schon eine Freundin der Familie: Nach dem Tod von Christiane Herzog, der ehemaligen First Lady, wurde sie Herzogs Partnerin.

Auf der anderen Seite des Ganges, ebenfalls in der ersten Reihe: Norbert Lammert, der Bundestagspräsident, und Angela Merkel, die Bundeskanzlerin, die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer als Präsidentin des Bundesrates und daneben ein Sitzriese: Andreas Voßkuhle, der Präsident des Bundesverfassungsgerichts. Der hochgewachsene Mann ist Herzogs Nachfolger als wichtigster deutscher Richter. Er hätte auch sein Nachfolger als Bundespräsident werden können.

Er konnte seine Rollen gut trennen

Merkel hatte ihn vor sieben Jahren gefragt und im vergangenen Jahr erneut – doch Voßkuhle lehnte ab. In seiner Ansprache an die Trauergemeinde wird er sagen, schon Herzog habe sich gegen die Kritik gewehrt, das Verfassungsgericht schwinge sich zum Ersatzgesetzgeber auf. Viele, die hier versammelt sind, meinen hingegen, Herzog sei in seinem Leben Politiker, Verfassungsrichter und Bundespräsident gewesen, aber nicht gleichzeitig. Er habe diese Rollen sehr gut trennen können.

Bundesverfassungsgericht verkündet Urteil im NPD-Verbotsverfahren
Der Bundesverfassungsrichter Andreas Voßkuhle (M.) lehnte es ab, als Bundespräsident zu kandidieren
Quelle: dpa/REUTERS POOL

Horst Köhler und Christian Wulff sitzen ebenfalls in der ersten Reihe. Sie gehören unzweifelhaft dazu, aber erinnern doch daran, in welche Krise das höchste Amt im Staat geraten war, bevor Gauck es wieder aufrichtete. „Es nimmt dem Amt, so konnte man es bei Roman Herzog sehen, nicht, wenn man es mit Distanz, mit Selbstironie ausübt“, hatte Gauck gelobt. Sein noch nicht gewählter, aber längst von den Parteivorsitzenden ausgemachter Nachfolger Frank-Walter Steinmeier sitzt noch in der zweiten Reihe. Welchen Ton wird er bald anschlagen?

Gauck lobt an Herzog, dass er „unverkrampft“ war, und erinnert daran, dass man ihm genau aus diesem Wort unmittelbar nach seiner Wahl einen Strick drehen wollte. Als habe er dazu aufgerufen, sich nicht mehr der deutschen Geschichte zu stellen! Gauck lobt die „unverkrampfte innere Souveränität“, und fast ist es, als rate er seinem Nachfolger: „Im Zweifelfall einmal ein Wortspiel benutzten, dass vielleicht nicht völlig korrekt ist, aber den Kern der Sache trifft.“

Tusk nennt Herzogs Rede historisch

Nach Gauck und Voßkohle spricht Donald Tusk, der Präsident des EU-Rates und früherer Ministerpräsident von Polen. Er nennt die Warschauer Rede, in der sich Herzog gleich zu Beginn seiner Amtszeit unmissverständlich zur deutschen Schuld bekannte, „historisch“. Tusk erinnert viel stärker als seine deutschen Vorredner daran, dass Herzog ein Präsident wahr, der Reformen angemahnt, der über Erstarrungen in der Gesellschaft betrübt war.

Mit Sorge hätte der überzeugte Europäer Herzog auch auf den Zustand der Staatengemeinschaft geblickt, meint Tusk. Das deutsche Wort „Angst“ sei längst in viele Sprachen eingewandert. Tusk schließt, indem er den bekanntesten Satz Herzogs aufgreift: „Ja, auch durch Europa muss ein Ruck gehen!“

Dann spricht Schäuble. „Wir haben einen großen Staatsmann verloren und einen außergewöhnlichen Politiker.“ Herzog habe sich durch „uneitle Klugheit und Effizienz“ ausgezeichnet. Er erinnert daran, dass Herzog schon 1976, nach dem legendären Beschluss von Kreuth, als CDU und CSU fast auseinandergegangen wären, eine gute Rolle gespielt habe.

Schäuble erinnert auch an die Konflikte

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In Baden-Württemberg, als Landespolitiker, sei Herzog „als Konservativer kritisiert“ worden, das „lag in jenen Jahren quer zur politischen Korrektheit“, greift er das Motiv des Bundespräsidenten auf. Herzog habe für einen „zugleich freiheitlichen als auch starken Staat plädiert“.

Alle Vorredner hatten auf Herzogs Verbundenheit mit der evangelischen Kirche hingewiesen. Schäuble erinnert auch an die Konflikte. Beim Ringen um den Nato-Doppelbeschluss habe sich Herzog bitter beklagt, dass „dem politischen Gegner mit scheintheologischen Argumenten die Legitimation abgesprochen wird“. Gegen „gesinnungsethische Parolen“ habe Herzog immer auf verantwortungsethische Lösungen gesetzt.

Auch als Bildungsminister sei seine Politik sehr umstritten, aber hoch erfolgreich gewesen. Als Minister, erinnert Schäuble, habe Herzog einmal eine Latein-Abiturklausur mitgeschrieben: „Nach 15 Minuten abgegeben, eins.“ Bevor der Staatsakt mit der Nationalhymne ausklingt, verabschiedet Schäuble seinen Freund. Fast ist es, als spräche er im Namen der ganzen Republik: „Wer mit ihm zusammen sein, zusammen arbeiten durfte, auch dafür bleiben wir dankbar.“

Joachim Gaucks Appell für die Zukunft

Joachim Gauck hat seine letzte Rede als Bundespräsident gehalten. Einerseits betonte er seine Zufriedenheit mit dem Zustand der Demokratie in Deutschland, verwies andererseits aber auch auf die lauernden Gefahren.

Quelle: Die Welt/Harriet von Waldenfels

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