Bäcker reagieren fassungslos auf Habecks Insolvenz-Aussagen - Top-Ökonom verteidigt ihn
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Bäckerhandwerk reagiert fassungslos auf Habecks Insolvenz-Aussagen – Top-Ökonom verteidigt ihn

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Bundeswirtschaftsminister: Robert Habeck von den Grünen.
Bundeswirtschaftsminister: Robert Habeck von den Grünen. © Kay Nietfeld/dpa

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck sorgt bei „Maischberger“ mit Aussagen über mögliche Insolvenzen von Bäckereien und Blumenläden für reichlich Irritationen.

Update vom 8. September, 7.13 Uhr: Der Ökonom Marcel Fratzscher hat Wirtschaftsminister Robert Habeck gegen den Vorwurf verteidigt, dieser habe sich mit seiner Talkshow-Äußerung zur Insolvenzgefahr in der Energiekrise vergaloppiert. „Ich verstehe die Kritik an den Aussagen von Wirtschaftsminister Habeck zu Insolvenzen nicht, denn sie sind zutreffend“, twitterte der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) am Mittwochabend.

Fratzscher nannte zwei Beispiele, bei denen Unternehmen nicht produzieren können, ohne zwingend insolvent zu werden. „Manche Hotels werden im Winter schließen müssen, weil Kunden ausbleiben (viele Menschen werden weniger reisen, da sie höhere Kosten für ihre Grundversorgung haben) und die Kosten massiv steigen (Beispiel Energie). Temporäre Schließungen sind in der Branche nicht ungewöhnlich“, schrieb er.

Top-Ökonom pflichtet Habeck beim Thema Insolvenzen bei - mit einem Kritikpunkt

Und: „Wenn es zu einer Gasknappheit kommt, dann werden eine Reihe von energieintensiven Unternehmen gezwungen werden, ihre Produktion einzustellen. Dies wird der Staat nur machen können, wenn er die Unternehmen ausreichend kompensiert, so dass diese in Zukunft wieder öffnen können.“

Was Habeck gesagt habe, sei daher richtig. „Man könnte lediglich kritisieren, dass er nicht über die staatlichen Maßnahmen gesprochen hat, die in solchen Fällen greifen. Aber es ist bei dieser gegenwärtigen Unsicherheit eher klug, dies nicht zu tun“, schrieb Fratzscher.

Kritik an Habeck-Aussagen zu Insolvenzen: „Meinen Sie das ernst?“

Erstmeldung vom 7. September: München/Berlin - In der Generaldebatte des Deutschen Bundestages arbeitete sich CDU-Chef Friedrich Merz an diesem Mittwoch an den AKW-Plänen von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Die Grünen) ab.

AKW-Pläne von Habeck polarisieren im Bundestag: CDU-Chef Merz geht auf Vize-Kanzler los

Wäre das weitere Vorgehen der Ampel-Koalition in punkto Atomausstieg nicht schon polarisierend genug, redete sich Habeck zuvor am Dienstagabend (6. September) in der ARD-Sendung „Maischberger“ mit Aussagen über mögliche Insolvenzen von Bäckereien in der Energiekrise regelrecht in einen Shitstorm hinein. Eine Reaktion der Bäcker ließ nicht lange auf sich warten: Der Zentralverband des Deutschen Bäckerhandwerks e.V. reagierte bei Twitter regelrecht fassungslos auf die polarisierenden Aussagen des stellvertretenden Regierungschefs.

Der Reihe nach: Der Vize-Kanzler hatte verkündet, dass von den drei verbliebenen Atomkraftwerken in Deutschland bis Mitte April 2023 noch zwei als Notreserve dienen sollen. Und zwar die Kernkraftwerke Neckarwestheim 2 bei Heilbronn (Baden-Württemberg) und Isar 2 nahe Landshut in Niederbayern. Dabei hat dessen Betreibergesellschaft nach Informationen des Münchner Merkur Zweifel, ob sich das technisch überhaupt umsetzen lässt. Eigentlich würde der komplette Atomausstieg gesetzlich zum 31. Dezember greifen. Angesprochen auf die galoppierenden Energie-Preise leistete sich Habeck am Abend bei „Maischberger“ den Insolvenz-Fauxpas vor Millionenpublikum.

Im Video: CDU-Chef Merz attackiert im Bundestag Bundeswirtschaftsminister Habeck scharf

Der 53-jährige Norddeutsche tat dies in seinen gewohnt komplizierten Schachtelsätzen. Merkur.de bildet deshalb den Wortlaut ab:

Robert Habeck bei „Maischberger“ (ARD) über mögliche Insolvenzen im deutschen Mittelstand:

„Ich kann mir vorstellen, dass bestimmte Branchen einfach erstmal aufhören zu produzieren. Nicht insolvent werden. Aber, ich meine, in dem Moment komme ich nicht mehr dazu, Brötchen einzukaufen oder morgens in Ruhe zu frühstücken. Ich weiß aus alter Welt, dass die Brötchen beim Bäcker ungefähr doppelt so teuer sind als die Brötchen in den Discountern. Und wenn die Preise relativ steigen, dann erhöht sich der Abstand. Und dann werden, das sehen wir jetzt überall, Läden, die darauf angewiesen sind, dass die Menschen Geld ausgeben – Blumenläden, Bioläden, Bäckereien gehören dazu -, dass die wirklich Probleme haben. Weil es eine Kaufzurückhaltung gibt. Und dann sind die nicht insolvent automatisch, aber sie hören vielleicht auf zu verkaufen. (...)

(...) Ich weise darauf hin, dass es nicht automatisch eine Insolvenzwelle geben muss. Aber es kann sein, dass sich bestimmte Geschäfte nicht mehr rentieren und die dann eingestellt werden. Vielleicht werden sie später wieder aufgenommen, das kann ja sein. Das ist ja dann keine klassische Insolvenz. Aber es kann sein, wenn wir keine Abhilfe schaffen, dass Betriebe - Bäckereien, Handwerksbetriebe, Reinigungsfirmen und so weiter -über das Jahr die wirtschaftliche Betätigung einstellen.“

Habecks Insolvenz-Aussagen bei „Maischberger“: Deutliche Kritik im Parlament am Wirtschaftsminister

Merz nahm beides zum Anlass, - die AKW-Pläne und den TV-Fehltritt,- um im Parlament auf Habeck loszugehen. Man könne die Versorgungssicherheit unseres Landes „in einer solchen existenziellen Krise doch nicht allen Ernstes einem Bundeswirtschaftsminister überlassen, der zwar, wie wir immer wieder sehen, gefällig formulieren kann, dem wir immer wieder beim Denken zuschauen dürfen, der aber ganz offensichtlich in seiner Partei und in seinem Apparat von einer Gruppe aus Umweltlobbyisten umgeben ist, die alles zur Strecke bringen“, meinte der Sauerländer.

Direkt an Habeck gerichtet sagte er: „Mit Verlaub: Wie hilflos, Sie, Herr Habeck, in diesen Fragen sind, das konnte man gestern Abend im deutschen Fernsehen beobachten. Man kann nur hoffen, dass ein Großteil der mittelständischen deutschen Unternehmer, vor allem der Bäckerinnen und Bäcker um diese Uhrzeit schon im Bett gelegen haben und geschlafen haben und das nicht mitansehen mussten, was Sie da gestern Abend von sich gegeben haben.“

Habeck bei „Maischberger“ (ARD): Deutsches Bäckerhandwerk reagiert bei Twitter fassungslos

Die Aussagen waren dem ZV Bäckerhandwerk nicht verborgen geblieben. „Herr Minister, meinen Sie das Ernst? Wenn Bäcker nicht mehr produzieren, ruht einfach der Betrieb? Löhne, Verträge laufen weiter, man wischt mal kurz durch, und wenn der Krieg vorüber ist, laufen die Öfen wieder an??“, schrieb der Verband bei Twitter, der die Interessen der deutschen Handwerksbäcker vertritt. Dabei hatte dieser erst am 16. August auf einer Website einen Brandbrief veröffentlicht mit dem Titel: „Die Politik muss jetzt liefern!“

Dem Bäckerhandwerk fehlt bislang effektive Unterstützung.

 ZV Bäckerhandwerk auf seiner Website

Das Bäckerhandwerk stünde vor schwierigen Monaten, heißt es in dem Schreiben: „Die Energie- und Rohstoffpreise sind erheblich gestiegen und die nun bekannt gegebene Gasumlage bereitet den Betrieben reichlich Sorgen. Trotz Versprechen der Bundesregierung, niemanden allein zu lassen, fehlt dem Bäckerhandwerk bislang effektive Unterstützung.“

Energiekrise in Deutschland: Bäckerhandwerk schlägt Alarm

Das Bäckerhandwerk könne „gestiegene Kosten auf Grund der Wettbewerbssituation nur begrenzt an die Kunden weitergeben. Im Gegensatz zu anderen Branchen und Privathaushalten kann das Bäckerhandwerk kaum Energie sparen“, erklärte Hauptgeschäftsführer Daniel Schneider: „Wir fordern daher eindringlich konkrete Hilfen der Bundesregierung – ohne ein Rettungspaket für unsere Betriebe wird es mit der Gasumlage ab Herbst nicht gehen!“ Zumindest in der ARD hatte Robert Habeck keine Lösungen parat. (pm)

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