Theater in London: Dianas Geliebter weiß, wer Prinz Harrys Vater ist - WELT
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Panorama Theater in London

Dianas Geliebter weiß, wer Prinz Harrys Vater ist

Autor Jon Conway (M.) spielt selbst die Hauptrollen in seinem Stück „Truth, Lies, Diana“ Autor Jon Conway (M.) spielt selbst die Hauptrollen in seinem Stück „Truth, Lies, Diana“
Autor Jon Conway (M.) spielt selbst die Hauptrollen in seinem Stück „Truth, Lies, Diana“
Quelle: Charing Cross Theater
Ein Theaterstück verspricht, die Wahrheit über Lady Diana aufzudecken. Zur Recherche wurde auch mit Rittmeister James Hewitt gesprochen, einem ihrer Geliebten. Unser Autor hat das Stück gesehen.

Was ist Wahrheit? Die Frage hallt durch die Jahrhunderte. „Hand hoch, wer glaubt, dass der Tod Dianas ein Unfall war und kein Komplott?“ So wurden am Mittwochabend bei der Uraufführung eines neuen Theaterstücks in Londons Charing Cross Theatre von der Bühnenrampe aus die Zuschauer gefragt. Hinter der Wahrheit tauchen Konspirationstheorien auf, als Beleg, dass man niemandem trauen kann.

Ich lernte Diana mindestens ein Jahr vor Harrys Geburt kennen
James Hewitt, Offizier in der königlichen Kavallerie und Geliebter Dianas

„Truth, Lies, Diana“, (Wahrheit, Lügen, Diana), so heißt das neue Doku-Drama, geht noch einmal die seit Jahren durchgehechelten Fragen um Leben und Lieben der Prinzessin von Wales durch, und an den paar hochgehobenen Händen, die sich da zaghaft meldeten, konnte man ablesen, wie weitgehend ungläubig das Publikum noch immer einigen „Fakten“ der Biografie der Ikone Di gegenübertritt.

Das betrifft vor allem die Umstände ihres Todes, aber auch die Frage, wer der biologische Vater ihres zweiten Kindes sei, Prinz Harry – Charles, der Ehemann, oder der Liebhaber aus jenen Jahren, James Hewitt, Offizier in der königlichen Kavallerie und nach populärer Auffassung nichts anderes als ein Schurke, ein „cad“, wie man im Englischen sagt, freilich ein amouröser.

Affäre schon ab 1984

Jon Conway, der Autor, der gleichzeitig als Regisseur und Hauptdarsteller seines Schauspiels fungiert, lässt das Publikum in dieser Frage am ausgestreckten Arm seiner detektivischen Bemühungen gleichsam verhungern: Keineswegs „belegt“ er die Vaterschaft Hewitts, was auch verwunderlich wäre, nachdem sich Hunderte vor ihm an dieser Frage ergebnislos abgearbeitet haben.

Der Mann, der in dem Stück den Hewitt gibt, schweigt lediglich auf die Frage, ob er der Vater sei, und gibt damit korrekt wieder, was Conway in Gesprächen mit dem Rittmeister nachweisen konnte.

Prinzessin Diana 1985
Prinzessin Diana 1985
Quelle: Getty Images

Aber er tischt dennoch eine wichtige Neuigkeit auf, ebenfalls aus den Gesprächen mit Hewitt während der Zeit der Recherche für das Stück gewonnen: „Ich lernte Diana mindestens ein Jahr vor Harrys Geburt kennen“, also vor 1984, verriet er dem Autor und genehmigte diese Aussage als eines der Kernzitate im Stück selber. Damit widerspricht der aus unbelegten Wahrheiten gestrickte Mann sich diametral selber: Denn noch vor zehn Jahren schwor er in Interviews und gerichtskräftigen Papieren, Diana erst kennengelernt zu haben, „als der kleine Harry schon laufen gelernt hatte“.

Heute also seine neue Version, ausweislich des Schauspiels, dem er nicht widerspricht: „Dass ich Diana schon mehr als ein Jahr vor Harrys Geburt kennenlernte“, konstatiert der Hewett-Darsteller, „beweist natürlich noch lange nicht, dass ich der Vater bin. Es ist einfach eine unbequeme Wahrheit.“

Was aber ist die Wahrheit? Als habe er das Publikum in der Causa Hewitt nicht schon genug auf die Folter gespannt, setzt Jon Conway diesen Äußerungen die Krone auf, mit einem weiteren O-Ton Hewitt, der sich ebenfalls unter vier Augen von ihm hat bestätigen lassen: „Aber ich weiß, wer der Vater ist.“

„Aber ich weiß, wer der Vater ist“

Es ist erstaunlich, wie ein Autor fast 18 Jahre nach dem Tod der Prinzessin von Wales davon auszugehen glaubt, das Publikum interessiere sich für die sattsam ausgeleuchtete Geschichte, als lebe noch ein Element von Kitzel in dieser Saga, die doch von dem Allzuviel der Erörterung längst wie erschlagen vor uns zu liegen scheint.

Prinz Harry, der zweite Sohn von Prinz Charles, geboren im September 1984
Prinz Harry, der zweite Sohn von Prinz Charles, geboren im September 1984
Quelle: AFP
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Conway hat einen aktuellen Dreh gefunden, alles erneut aufzurollen. Wir leben in einer Zeit des durchgängigen Misstrauens gegenüber allem, was Establishment heißt. So darf er suggerieren: Edward Snowdens Enthüllungen über die Spionageaktivitäten westlicher Regierungen, die frisierten Dokumente im Vorfeld des Irak-Kriegs, die seine Berechtigung zu „beweisen“ vorgaben, das jahrelange Nichternstnehmen von Zeugen, die früh auf das Pädophiliemonster Jimmy Savile hingewiesen hatten – wer kann heute noch irgendwelchen Beteuerungen des sogenannten Establishments Glauben schenken?

Aber er geht nicht als verrückter Verschwörungsgläubiger an die detektivische Arbeit – das wäre nicht bühnenreif –, sondern als ein Sokrates des Boulevards, der uns den Zweifel lehrt an den Schlagzeilen und Behauptungen der Vergangenheit.

Warum zum Beispiel wurde Diana noch vor der Autopsie einbalsamiert? Um die Frage nicht mehr klären zu können, ob sie schwanger gewesen war? Gehört auch dies zu der Kette von „Zufällen“, die auf eine „unbequeme Wahrheit“ deuten?

Eine Kette von Zufällen?

Die Bühnenhandlung ist denkbar einfach: Ein Journalist namens Ray – das Alias des Autors selber – begibt sich auf die Diana-Spurensuche, in wechselnden Dialogen mit den Hauptakteuren der Story, dem Butler Burrell, Hewitt, dem Gerichtsvorsitzenden, französischen Polizisten, einem Diana-Buch-Autor, allgegenwärtigen Ermittlern mit ihren Hunderten von Seiten an Dokumentationen, Einflüsterern jeder Art und einer nicht benannten Figur, dem Inbegriff der „Männer in grauen Anzügen“, die immerfort dazu rät, „am besten das Fragen zu unterlassen“, weil es nicht nur die Zukunft belaste, sondern auch „die Vergangenheit zerstört“.

Um den historischen Stoff drapiert Conway ein fiktives Ehedrama zwischen Ray und seiner Frau Suzy, die ihm untreu wird, weil sie seine Diana-Paranoia nicht mehr ertragen kann. Und auch dieser Strang des Geschehens wird immer wieder in Zweifel und Mutmaßungen getaucht – ist Suzy untreu, ist sie es nicht? –, als Parallelgeschichte zum Diana-Thema mit all seinen Unwägbarkeiten. Am Ende hört man von dem Unfalltod des Journalisten, den die Zuschauer nur mit Zweifeln quittieren können, die denen am Tod Dianas ähneln – hat man ihn umgebracht, weil seine Recherchen bestimmten Kreisen nicht passten?

Rittmeister James Hewitt
Rittmeister James Hewitt
Quelle: picture alliance / dpa

Jon Conway, den man als Produzenten und Autor von etlichen Boulevardaufführungen kennt, ist eine ehrliche Haut – er behauptet nichts, er stellt lediglich alles infrage. Das aber unterminiert sein eigentliches Thema, „Was ist Wahrheit?“, hoffnungslos.

Es ist nichts dran

Wenn alles dem Zweifel unterliegt, wenn die Wahrheit hinterfragbar, aber letztlich nicht belegbar ist, wenn selbst das Nugget einer Neuigkeit, James Hewitts jüngstes Bekenntnis, an Unglaubwürdigkeit leidet, wo der Mann sich so oft zu Diana widersprochen hat – warum dann noch einmal diese Cause célèbre des späten 20. Jahrhunderts auftischen?

Im Grunde kommt das Stück um keinen Zoll über den bisherigen Stand des Gewussten, Ungewussten und Unwissbaren hinaus. Zwar vermeidet Conway jede Sensationshascherei – die wurde wieder einmal von den Medien angefacht, die im Vorfeld das Drama als Dernier Cri der Diana-Geschichte ausposaunten. Es ist aber nichts dran außer der Not eines Autors, der auch aus vermeintlichen Verschleierungen und Unwahrheiten die Wahrheit nicht hat destillieren können. Dass er uns zum Zweifeln rät, ist sein einziges aufklärerisches Verdienst.

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