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Rita Hayworth (© NG Collection / INTERFOTO)

Die Hollywood-Ikone Rita Hayworth hat auf tragische Weise dazu beigetragen, die Alzheimer-Demenz in den Fokus der Weltöffentlichkeit sowie der Fachwelt zu rücken. Ihre Symptome waren lange Zeit falsch gedeutet worden.

Im Jahre 1971, als die Schauspielerin und begnadete Tänzerin Rita Hayworth (1919–1987) Anfang 50 war, offenbarten sich erste Symptome der Alzheimer-Demenz. Damit war sie ziemlich genau in dem Alter wie Auguste Deter, bei der Alois Alzheimer (1864–1915) im Jahre 1901 erstmals die klinischen Zeichen der bis dahin unbekannten psychischen Krankheit beschrieben hatte. Bei Hayworth blieb die wahre Ursache ihres zunehmend bizarren Verhaltens und ihrer Gedächtnisstörungen für fast ein Jahrzehnt unerkannt. Denn die Krankheit war zu diesem Zeitpunkt in der Fachwelt weitgehend vergessen.

Vielmehr wurden Hayworths Probleme auf den zweifellos bestehenden, jahrelangen Alkoholmissbrauch zurückgeführt. Als die Diagnose dann 1981 endgültig feststand, sei Rita Hayworth für viele Amerikaner zum „öffentlichen Gesicht der Alzheimer-Krankheit“ geworden, so der US-amerikanische Arzt Barron H. Lerner von der Columbia-Universität in seinem Buch „When Illness Goes Public“.

Die in der Presse über Jahre berichteten Skandale und peinlichen Ereignisse um Hayworth erschienen nun plötzlich in einem anderen Licht und verdeutlichten jedem die Tragik, die die Alzheimer-Demenz für die Patienten und ihre Familien bedeutet. Dieses einzelne Schicksal und die folgende öffentliche Aufmerksamkeit für die Krankheit offenbarten nach und nach den erheblichen Forschungsbedarf. Dass es sich bei der Alzheimer-Krankheit tatsächlich um die häufigste Form der Demenz handelt, ahnte da noch niemand.

Texte in „Zum Teufel mit Hosianna“ von Tafeln abgelesen

Hayworth’ Karriere als Tänzerin und Schauspielerin begann früh und nie hatte sie Schwierigkeiten damit, ihre Texte und Tanzschritte zu lernen. Das änderte sich spätestens mit Beginn der 1970er-Jahre. 1972 sollte sie eine Rolle im Broadway-Musical „Applause“ übernehmen. Doch sie trat nie auf: sie konnte sich einfach ihren Text nicht merken. Am Set für ihren letzten Film „The Wrath of God“ (Zum Teufel mit Hosianna) musste sie Zeile für Zeile für die einzelnen Szenen lernen oder den Text von Tafeln hinter der Kamera ablesen. Ihr Frisör Lynn Del Kail berichtete später: „Man konnte mit ihr über irgendetwas reden, doch plötzlich sprach sie über etwas völlig anderes.“

Zunehmend hatte sie Probleme, sich an Namen zu erinnern. Phasen großer Erregung irritierten Freunde und Angehörige. Beides, die Unfähigkeit, sich Texte zu merken und die periodische Agitiertheit machten es unmöglich, die Dreharbeiten zu „Tales That Witness Madness“ (Geschichten, die zum Wahnsinn führen) im Jahre 1972 fortzusetzen, Hayworth beendete den Film nicht.

Ihr seltsames und teilweise aggressives Verhalten machte Schlagzeilen in der Regenbogenpresse: Bei einer Dinner Party spritzte sie plötzlich der berühmten Tänzerin Adele Astaire (1896–1981) ihr Getränk ins Gesicht, nachdem diese irgendeine harmlose Bemerkung gemacht hatte. Ein andermal hatte Hayworth Freunde, die Choreografen Hermes Pan und die Schauspielerin Ann Miller, zum Abendessen eingeladen. Sie empfing sie mit einem Fleischermesser und schrie, sie gebe heute keine Autogramme – am folgenden Tag fragte sie Miller am Telefon, warum sie denn nicht erschienen sei. Ein Flug nach London im Jahre 1976, wo sie zu einer britischen Fernsehshow eingeladen war, endete im Eklat: In höchster Erregung schrie sie andere Flugpassagiere an und schlug eine Stewardess. Die britische Boulevardpresse sorgte für gnadenlose Schlagzeilen.

Gerüchte machten die Runde, der Alkohol habe die frühere „Liebesgöttin“ zu einem irren Wrack gemacht. Tatsächlich wurde im Jahre 1977 in einem kalifornischen Krankenhaus die Diagnose einer psychischen Krankheit gestellt, die auf den chronischen Alkoholabusus zurückzuführen sei. Erst als ein Jahr später Hayworth’ Tochter Prinzessin Yasmin Aga Khan dem Psychiater Ronald Fieve vom Columbia-Presbyterian Medical Center in New York die Symptome ihrer Mutter schilderte, nahm sich dieser der Schauspielerin genauer an, zog weitere Kollegen hinzu und teilte Aga Khan 1979 in einem Brief mit, dass es sich wahrscheinlich um eine Alzheimer-Demenz handele.

Millionen fließen in die Alzheimer-Forschung

In den folgenden 2 Jahren wurden andere mögliche Diagnosen ausgeschlossen. Doch die klassischen Symptome mit Störung des Kurzzeitgedächtnisses und zunehmend kognitiven Defiziten, Unruhe und Stimmungslabilität, Ausbrüchen von Verwirrungszuständen, Wahnvorstellungen und Agnosie, abgelöst von geistig klaren Perioden waren überdeutlich. Im Juni 1981 wurde die Tochter zum Vormund ernannt und pflegte Hayworth bis zu ihrem Tode im Mai 1987.

1982 proklamierte Yasmin Aga Khan an der Seite von US-Präsident Ronald Reagan, der später selbst an Alzheimer-Demenz erkranken sollte, die erste National Alzheimer’s Disease Awareness Week in den USA. Die Krankengeschichte der Rita Hayworth wurde in den folgenden Jahren in den US-Medien immer und immer wieder erzählt. Jetzt, da die Krankheit ein Gesicht hatte, flossen Millionen Forschungsgelder in die Kassen neu gegründeter Organisationen wie der Alzheimer’s Disease and Related Disorders Association (heute: Alzheimer’s Organisation). Bis heute finden jährlich Spenden-Galas in New York und Chicago statt, 1985 initiiert von Prinzessin Yasmin Aga Khan, die bis heute Präsidentin der Alzheimer’s Disease International (ADI) ist.

Die Datenbank Pubmed der National Institutes of Health (NIH) listet für das Jahr 1970 nur 13 Publikation zur Alzheimer-Demenz auf, seit Beginn der 1980er-Jahre steigt die Publikationsfrequenz kontinuierlich an, im Jahr 2017 waren es 10.000 Veröffentlichungen. Es ist heute kaum vorstellbar, dass ein Arzt, gar ein Psychiater, konfrontiert mit den Symptomen einer Demenz, heute nicht an die Alzheimer-Krankheit denkt.

Alzheimer-Demenz

Die Alzheimer-Krankheit ist die häufigste degenerative Erkrankung des Zentralnervensystems und macht etwa 60% der Demenzformen aus. Die Patienten verlieren zunehmend die zeitliche und örtliche Orientierung, ihre Kommunikationsfähigkeiten sowie ihre Persönlichkeitsmerkmale. Das Morbiditätsrisiko von Alzheimer-Patienten ist erhöht, die Lebenserwartung im Vergleich zum Bevölkerungsdurchschnitt verkürzt.

Viele höhere kortikale Funktionen des Gehirns sind gestört, das Bewusstsein ist dagegen nicht getrübt. Für die Diagnose müssen nach den allgemeinen Demenzkriterien des National Institute on Aging und der Alzheimer’s Association (NIA-AA) mindestens zwei der folgenden Bereiche beeinträchtigt sein:

  • Gedächtnisfunktion

  • Verstehen und Durchführen komplexer Aufgaben

  • Urteilsfähigkeit

  • Visuelle Funktionen

  • Sprachfunktionen

  • Persönlichkeitsveränderungen (Veränderungen im Verhalten)

Weitere Gesichtspunkte sind die Beeinträchtigung der Alltagsaktivitäten, die Verschlechterung des Zustands im Vergleich zu vorher, kognitive Störungen. Ein Delir oder eine andere psychische Erkrankung müssen ausgeschlossen sein.

Außer Biomarkern wie erniedrigten Amyloid-beta-42-Werten und Erhöhungen des Tau-Proteins im Liquor lassen sich in der kraniellen Magnetresonanztomografie (cMRT) umschriebene Atrophien des medialen Temporallappens nachweisen sowie in der Positronenemissionstomografie (PET) ein parietotemporaler Hypometabolismus.