21-Reinhard Heydrich

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Im NS-Staat gilt Reinhard Heydrich als der ideale SS-Mann: gross, blond, zu allem bereit. Der fürsorgliche Familienvater, ist der Vollstrecker von Hitlers Rassenwahn – die „blonde Bestie“ nennen ihn manche. Wer ist der Mensch hinter dem schwarzen Mythos?

Reinhard Heydrich: Der Karrierist

Berlin 9. Juni 1942, Staatsbegräbnis für den bei einem Attentat getöteten SS-Führer und Polizei-General Reinhard Heydrich. Hitler selbst hält eine Trauerrede. «Er war einer der besten Nationalsozialisten, einer der stärksten Verteidiger des deutschen Reichsgedankens.» Ironie des Schicksals: Der so hoch Geehrte ist eher spät und zufällig Nazi geworden.

Reinhard Heydrich

Im Januar 1931 muss sich ein junger Offizier vor einem Ehrengericht der Reichsmarine verantworten. Sein Name ist Reinhard Heydrich. Dem 26jährigen Oberleutnant wird vorgeworfen, einer jungen Dame die Ehe versprochen, sich dann aber mit einer anderen verlobt zu haben. Die Marine entlässt ihn unehrenhaft. Der Schock seines Lebens wird zu Heydrichs stärksten Triebfeder.

Es gibt dieses Schlüsselereignis seiner Entlassung aus der Marine, also hier ist schon einiges zu kompensieren und das tut er eben dadurch, dass er in allen Bereichen der Beste sein will.
Seine Verlobte Lina von Osten heiratet ihn trotz Entlassung. Die glühende Nationalsozialistin drängt ihren arbeitslosen Mann, sich bei der SS zu bewerben, einem paramilitärischen Arm von Hitlers Partei. Ihr Anführer ist der 30jährige Heinrich Himmler. Seine Männer dienen als persönliche Leibgarde für Hitler und andere prominente Parteiredner. Himmler will aus der SS-die Elite-Truppe der Partei machen.

„Ich schwöre dir, Adolf Hitler, Gehorsam bis in den Tod.“

Im Juni 1931 stellt sich Reinhard Heydrich bei Himmler vor und wird genommen. Eigentlich sucht Himmler einen Nachrichten-Offizier, der in der SS einen Geheimdienst aufbauen kann – Heydrich aber hat nur eine Funker-Ausbildung. Doch sein Auftreten und Aussehen überzeugen Himmler sofort.

Reinhard Heydrich entsprach dem Naziklischee: gross, blond, blauäugig, Inbegriff der Figur eines Herrenmenschen. Im Schatten Himmlers macht Heydrich eine rasante Karriere. Nach Hitlers Machtergreifung 1933 wird Himmler Chef der Bayerischen Politischen Polizei. Er macht den 29jährigen Reinhard Heydrich zu seinem Stellvertreter und eigentlichem Leiter der Behörde.

Heydrich macht aus der staatlichen Polizei ein Terrorinstrument gegen politische Gegner. Im nahen Dachau wird ein Konzentrationslager errichtet, die SS wird Hilfspolizei. Kritiker des neuen Regimes werden hier willkürlich weggesperrt. Heydrich macht auch vor grossen Namen keinen Halt. Er beschlagnahmt den Besitz des Nobelpreisträgers Thomas Mann und will ihn verhaften, weil er ein Gegner der Nationalsozialisten ist. Doch der Schriftsteller ist bereits im Ausland. Will sich Heydrich besonders beweisen?

Reinhard Heydrich ist getrieben. Er ist sicherlich kein früher Kämpfer oder Unterstützer Adolf Hitlers gewesen und insofern ist da schon etwas kompensatorisches mit dabei, also der Radikalismus des späten Konvertiten.

Nach und nach übernimmt die SS den Befehl über die Polizei im ganzen Reich. Sie wird zum Sicherheitsapparat der neuen Diktatur, ein Staat im Staat. In diesem SS-Reich ist Reinhard Heydrich die unangefochtene Nummer 2, Himmlers wichtigster Mann. Die Karriere bei der SS verändert ihn auch innerlich. Er macht deren Ideale zu seinen eigenen. Seine Überzeugungen ändern sich, aber eines bleibt gleich: Er will der Beste sein.

Reinhard Heydrich: Der Perfektionist

Reinhard Heydrich

1935 schreibt Reinhard Heydrich in einer SS-Zeitschrift: „Um die Richtigkeit unserer Grundsätze zu beweisen, müssen wir auf allen Gebieten die Besten werden.“ Ein Motto, nach dem er sein ganzes Leben ausrichtet, etwa beim Sport. Reinhard Heydrich ist begeisterter Fechter, aber auch Segler, Reiter und moderner Fünfkämpfer. Ein Ehrgeiz mit Kehrseite. Bei Kontrahenten ist Heydrich als schlechter Verlierer gefürchtet. Der Vorzeige-Athlet der SS wird eher bewundert als gemocht.

Heydrich scheint kein entspannter Mensch gewesen zu sein. Er erzählte keine Witze, war unnahbar, manche Leute hielten ihn für einen Technokraten der Macht. Aber seine Ideologie, was er aufschrieb, war sehr, sehr extrem und sehr dogmatisch. Auch privat gilt er als vorbildlich. 1933 schenkt ihm Lina einen Sohn. Drei weitere Kinder folgen. Er zeigt sich als fürsorglicher Vater ganz im Sinne der SS.

Der neuen Familie mangelt es an nichts. 1937 kauft Reinhard Heydrich unweit vom Berliner Schlachtensee eine Villa mit Seeblick. Es lohnt sich, zu Hitlers Elite zu gehören. Auch im Krieg will er Vorbild sein, nicht als Bürohengst gelten, während andere ihr Leben riskieren. Er lässt sich privat zum Jagdflieger ausbilden und fliegt Einsätze über der Ostfront. Im Juli 1941 gerät er dabei in sowjetisches Flakfeuer. Die Maschine wird getroffen. Heydrich muss zwischen den Fronten notlanden. Ein deutscher Spähtrupp findet ihn. Für seine Bruchlandung erhält er das Eiserne Kreuz Erster Klasse, das er ab jetzt voller Stolz an seiner Uniform trägt.

Immer wieder setzt er sein Leben aufs Spiel, um anderen zu imponieren, fährt im offenen Auto ohne Sicherheitskohorte. Das wird ihm später zum Verhängnis.

Reinhard Heydrich: Der Vollstrecker

Heydrich und Himmler in Hitlers Urlaubsdomizil und zweiter Regierungssitz des NS-Staates auf dem Obersalzberg. Ein Besuch mit Seltenheitswert. Denn Heydrich ist zwar ein mächtiger Mann, doch den direkten Zugang zu Hitler hat nur sein Vorgesetzter Heinrich Himmler. Mit einer Ausnahme. Sie betrifft das schlimmste Kapitel der deutschen Geschichte.

Reinhard Heydrich und Hitler haben sich persönlich vielleicht zehn Mal getroffen, also das Verhältnis würde ich jetzt nicht als persönlich eng beschreiben. Allerdings ist sich Hitler natürlich sehr bewusst von der Person Reinhard Heydrichs und Heydrich ist auch immer wieder eingebunden in zentrale Besprechungen, wenn es um die Judenfrage geht.

Der Wahn von der Jüdischen Weltverschwörung steht im Zentrum von Hitlers und Himmlers Denken. Heydrich macht sich ihr Feindbild zu eigen und lässt Taten folgen. Im Krieg weitet er das Polizeinetz der SS über das von Deutschland besetzte Europa aus. Keiner soll dem Zugriff der SS entgehen. Ganz Europa soll frei von Juden werden, dafür will Reinhard Heydrich sorgen.
Im Januar 1942 ruft Heydrich Spitzenvertreter des Reiches zu einer Besprechung am Berliner Wannsee zusammen. Die berüchtigte „Wannsee-Konferenz“.

Er will die weiteren Schritte zur „Endlösung der Judenfrage“ klären, in entspannter Atmosphäre. Heydrich ist ganz eindeutig derjenige, der hier die Fäden in der Hand hält. Er ist natürlich nicht zu lösen von Hitler und Himmler als Inspiratoren und Unterstützer dieser Politik, aber er ist derjenige, der die entscheidenden Radikalisierungsschritte geht. Auf der Konferenz gibt Reinhard Heydrich bekannt, was längst jeder der Anwesenden weiss.

Es ist ein Arbeitsessen, man nimmt gemeinsam ein Frühstück ein und man verständigt sich im Grunde über Selbstverständlichkeiten. Das zeigt ja auch das Protokoll, da hat niemand grundsätzliche Einwände, sondern die werden informiert. Das sind die Juden, die und die Millionen in den unterschiedlichen Ländern und die werden wir alle deportieren und ihr wisst es jetzt. Und dann sitzen die alle da und: Ja, ja, die sind jetzt auch nicht überrascht.

Die Juden werden nicht nur deportiert. Zwei Monate nach der Konferenz nimmt Heydrichs SS in Belzec in der Nähe von Lublin einen neuen Typ Lager in Betrieb: ein Vernichtungslager. Heute ist der Ort ein Mahnmal. Belzec hat sechs Hektar, also das sind drei oder vier Fussballfelder. Das ist eigentlich gar nichts. Und da tatsächlich ist auf diesem Gelände das einzige, was ein gemauertes Gebäude ist, die Gaskammer.

In sie werden die ahnungslosen Juden nach ihrer Ankunft getrieben. Sie ist mit einem Davidstern und der Aufschrift „Stiftung Hackenholt» gezeichnet. Ein makabrer Scherz. Hackenholt ist der Name des SS-Mannes, der den Motor der Vernichtungsanlage betreibt. Er pumpt Kohlenmonoxid in die Gaskammer. Bis zu 1500 Menschen werden pro Schicht so ermordet.

Für Reinhard Heydrich sind die Ermordeten Gegner des Reiches, die es gnadenlos zu bekämpfen gilt. Ihm zu Ehren wird der millionenfache Mord an den Juden später „Aktion Reinhard“ genannt.

Reinhard Heydrich: Der Henker von Prag

Im September 1941 wird Heydrich von Hitler nach Prag entsandt. Zusätzlich zu seinen anderen Aufgaben soll er im besetzten Tschechien den aufkeimenden Widerstand unterdrücken. Heydrich verhängt nach seiner Ankunft 400 Todesurteile und verkündet den Ausnahmezustand.

Reinhard Heydrich führte Zwangsarbeit in der Rüstungsindustrie ein, um alles aus ihr rauszuholen. Die Skoda-Werke in Pilsen produzierten wichtige Waffen, mit der die Wehrmacht bis April 1945 beliefert wurde. Er führte auch einen Grossteil der antijüdischen Politik ein und unter seiner Aufsicht wurde Theresienstadt errichtet.

Heydrich will die Tschechen eindeutschen oder vertreiben, ihnen ihre nationale Identität nehmen. Um seine Macht zu demonstrieren, lässt er sich die Schlüssel des Kronschatzes aushändigen. Zu ihm gehört die mittelalterliche Wenzelskrone. Eine alte Legende besagt, dass ein Fluch auf ihr lastet: Wer sie widerrechtlich trage, komme binnen eines Jahres ums Leben. Ob sich Heydrich die Krone wirklich aufsetzt, ist umstritten.

Eduard Benes, Präsident der tschechischen Exilregierung in London will der Welt ein Zeichen setzen. Sein Volk kämpft weiter. Im schottischen Hochland üben tschechische und slowakische Exilsoldaten für einen Sondereinsatz in der Heimat. Sie sollen mit dem Fallschirm abgesetzt werden und Heydrichs Herrschaft beenden.

Im Dezember 41 bringt eine britische Halifax zwei Agenten nach Tschechien. Jan Kubiš und Jozef Gabčík. Sie sollen Heydrich töten. Operation Anthropoid. Anthropoid bedeutet „menschenartig“ oder „menschenähnlich“. 5 Monate lang lauern die Agenten nach ihrer Ankunft in Prag auf die Gelegenheit für ein Attentat. Im Mai 1942 ist es so weit. Im Palais Waldstein finden die Prager Musikwochen statt. Dort zeigt sich das Ehepaar Heydrich am Abend des 26. Mai 1942. Das letzte Foto, auf dem Heydrich lebend zu sehen ist.

Am nächsten Tag, um 10 Uhr morgens fährt Heydrich ohne Eskorte, im offenen Wagen zum Flughafen. Heydrich war überzeugt davon, dass niemand es wagen würde, einen Anschlag auf ihn auszuüben, allein deshalb, weil natürlich auch die Führer des nationalen Widerstandes ganz genau wussten, dass das eine immense Strafexpedition zur Folge haben würde. Tatsächlich ist der Widerstand im Land gegen das Attentat. Doch die Exilregierung in London setzt sich darüber hinweg.

Da war eine scharfe Kurve, sein Mercedes musste langsamer werden, damit sie ihn mit einer Maschinenpistole erschiessen konnten. Die Angreifer stoppen das Auto, wollen schiessen, doch ihre Waffe hat Ladehemmung. Im ersten Moment sieht es so aus, als wenn das Attentat schiefläuft. Anstatt zu flüchten, will Heydrich die Attentäter stellen. Der zweite Mann wirft eine Handgranate. Die Angreifer flüchten, Heydrich bleibt schwerverletzt am Tatort zurück. Eine Woche später stirbt er im Krankenhaus.

Er starb nicht durch die Verwundung, er starb an einer Blutvergiftung. Die hatten keine Antibiotika, sie hatten lediglich Sulfonamide und die waren einfach nicht stark genug für seine Infektion. Er starb einen schmerzhaften Tod. Die Besatzer rächen sich für das Attentat: Sie machen das Dorf Lidice, unweit von Prag, dem Erdboden gleich. Nicht nur Häuser werden zerstört. Lidice ist ein tschechisches Trauma. 173 Männer werden auf der Stelle erschossen, 80 weitere Frauen und Männer später ermordet. Von den Kindern des Ortes werden einige wenige eingedeutscht, wie es heisst. Die anderen kommen in Gaskammern ums Leben.

Reinhard Heydrich

Die Witwe Heydrichs erhält die Witwenrente eines im Kampf gefallenen Generals, auch nach dem Krieg, in der Bundesrepublik. Über die Taten ihres Mannes äussert sie nie ein Wort des Bedauerns. Er sei ein Ehrenmann gewesen.

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