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Von wegen Ideologie: „Rebel“ zeigt die Wurzeln des islamistischen Terrors

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Rüdiger Suchsland

Klar, voller Empathie und sogar unterhaltsam erzählt das belgische Regieduo Adil El Arbi und Bilall Fallah in seinem Film „Rebel“ vom System des islamistischen Terrors. Rap und Hip Hop spielen für die zerrissenen Hauptfiguren aus dem Brüsseler Viertel Molenbeck dabei eine zentrale Rolle.

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Zwei Brüder, fasziniert von der Gewalt des IS

Mit schockierenden Bildern geht es los: Das Video einer Hinrichtung durch den IS, der berüchtigten islamistische Terrorgang in Syrien und dem Irak. Zwei Brüder schauen das Ganze an und sind merkwürdig fasziniert. Denn sie sind muslimische Einwandererkinder und leben in Europa unter prekären Verhältnissen. 

Sie kommen überdies aus einem Viertel, das seit einiger Zeit traurige Berühmtheit erlangt hat: Nämlich dem Viertel Molenbeck in Brüssel. Es wurde berühmt dadurch, dass die Attentäter vom Bataclan Attentat 2015 aus diesem Viertel stammten. 

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Der Rapper Kamal (Aboubakr Bensaihi) hat sich in seiner belgischen Heimat auf riskante Drogendeals eingelassen. Auf der Flucht vor der Polizei verlässt er die Familie und flüchtet nach Syrien. Bild in Detailansicht öffnen
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Zunächst als humanitärer Helfer tätig, schließt er sich im Chaos des Bürgerkriegs den Fanatikern des islamischen Staats an und filmt als deren Kameramann Propagandavideos inmitten von Tod, Bomben und Kugelhagel. Bild in Detailansicht öffnen
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Als er immer tiefer in die Schreckenstaten der Terroristen einbezogen wird, beginnt er, mit der Ärztin Noor (Tara Abboud) Fluchtpläne zu schmieden. Bild in Detailansicht öffnen
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Doch die Agenten des Terrors haben bereits in Belgien seinen kleinen Bruder Nassim (Amir El Arabi) als Druckmittel ins Visier genommen. Bild in Detailansicht öffnen
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Nassim entgleitet seiner verzweifelten Mutter Leila (Lubna Azabal) zunehmend. Es ist der Auftakt zu einer Reise ins Herz der Finsternis. Bild in Detailansicht öffnen
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Die flämischen Regisseure Adil El Arbi und Bilall Fallah setzen mit „Rebel“ ein sehr wichtiges Filmprojekt um, das sie als ihren bisher persönlichsten Film bezeichnen. Bild in Detailansicht öffnen
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Wie die Protagonisten des Films, sind die beiden Regisseure Muslime mit marokkanischen Wurzeln. Mit dem Film „Rebel“ beziehen sie deutlich Stellung, um sich vom Terror abzugrenzen, denn auch sie haben selbst erlebt, wie seit 2013 viele junge Menschen aus ihrem Umfeld nach Syrien gingen. Bild in Detailansicht öffnen

„Rebel“ ist ein merkwürdiger Genremix

„Rebel“ vom belgischen Regieduo Adil El Arbi und Bilall Fallah ist eine merkwürdige Genremischung: Ein ernstgemeinter Film über Terror und Heiligen Krieg aus belgisch-muslimischer Perspektive voller Empathie für die Einwanderer, insbesondere für das Brüderpaar im Zentrum und seine alleinerziehende Mutter. 

Und zugleich ist es durchsetzt und streckenweise dominiert von der authentischen Musik dieses Milieus, also von Rap und Hip Hop und anderen orientalisch eingefärbten Songs, die gekonnt gemischt werden. Die Musik und die Texte der Lieder sind zusammen mit kurzen Filmen und Botschaften aus Sozialen Netzwerken integraler Bestandteil der Erzählweise.

Man kann „Rebel“ darum eigentlich gar nicht anders beschreiben als ein Dschihad-Musical. Dies ist eine sehr schräge und gewöhnungsbedürftige Mischung, aber auch sehr interessant und auf seine ganz eigene Art sehr authentisch.

Rapper flieht zum IS vor der belgischen Polizei

Zuerst lernen wir die zwei Brüder kennen: Obwohl der Rapper Kamal Wasaki seinen 12-jährigen Bruder Nassim noch mit einem Klaps auf den Kopf vor allerlei irdischen Verlockungen warnt, lebt Kamal selbst am Rande des Gesetzes. Eines Tages erwischt ihn die Polizei beim Drogenhandel, und weil er sich selbst nicht verzeihen kann, haut er ab und lässt den Bruder und die alleinerziehende Mutter Leila zurück.

Seine Entscheidung ist radikal: Kamal will den vermeintlichen „muslimischen Brüdern“ im Nahen Osten helfen. So geht er nach Syrien und hofft, dort auch innere Vergebung zu finden. Doch der unaufhörliche Terror zwischen den kämpfenden Parteien lässt ihn schnell desillusionieren. Zugleich wird seine Lage immer schwieriger, weil seine Miliz sich sich dem Islamischen Staat (IS) anschließt. 

Falsche Freunde rekrutieren den kleinen Bruder

In Brüssel läuft derweil auch für den kleinen Bruder einiges schief. Aufgrund eines Online-Videos, in dem Bruder Kamal als IS-Soldat zu sehen ist, wird der junge Nassim gemobbt und zugleich von falschen Freunden gelobt. Das bringt den unruhigen Jungen so sehr aus der Fassung, dass er gegen seine Umgebung rebelliert. Nassim will vor allem seinen großen Bruder wiedersehen.

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Die Agenten des Terrors haben in Belgien Kamals kleinen Bruder Nassim (Amir El Arabi) als Druckmittel ins Visier genommen.

Sehr deutlich wird bei dieser Art der Rekrutierung durch die Islamisten, dass dies alles vor allem ein Geschäft ist – es wird überhaupt dargestellt, dass alles das, was wir als Ideologie und antikolonialen Widerstand sehen und für irgendwie authentisch halten, als einen Aufstand vermeintlich unterdrückter Muslime einschätzen, vor allem den ökonomischen Zielen mafiaähnlicher Banden gehorcht: Es hat aber auch gar nichts mit Ideologie zu tun und nichts mit Unterdrückung. Sondern Ideologien und Unterdrückungserfahrungen werden benutzt.

Spektakelkino mit moralischer Botschaft

Zugleich ist dies immer Unterhaltungskino, Spektakel, das auf sehr starke Bilder setzt. Die Geschichte wird sehr straight und sehr kurzweilig erzählt – ganz klar Unterhaltung. Die Moralwächter werden auch hier bestimmt auf den Plan gerufen werden, eben weil dies ohne Frage Spektakelkino ist, mit Exploitationelementen, wenn auch mit moralischer Botschaft. Jeder hat seine Gründe und so dominieren die moralischen Schattierungen. Nicht jedes IS-Mitglied ist ein Teufel. 

Im Wesentlichen erzählt „Rebel“ von Jungen, die schlechte und falsche Entscheidungen treffen und von ihren jugendlichen Verstrickungen in den Abgrund gezogen werden. Sie geraten in einen hochkomplexen geopolitischen Sturm und ziehen ihre ganze Familie in das Auge dieses Hurrikans. Kamals kleiner Bruder wird ihn erlösen, aber nicht so, wie es das Publikum gerne sehen würde. 

Trailer „Rebel“, ab 30.11. im Kino

 

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