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2013 endete seine Polit-Karriere

Was macht eigentlich Rainer Brüderle?

Rainer Brüderle im Interview mit B.Z. Unter den Linden in Berlin
Ex-Wirtschaftsminister Rainer Brüderle (72, FDP) betreibt heute eine Beratungsfirma Foto: Olaf Selchow

Rainer Brüderle (72) ging mit der FDP durch Höhen und Tiefen – bis seine Karriere als Berufspolitiker endete. Was er heute macht, erzählt er im B.Z.-Interview.

Rainer Brüderle (72) war Bundeswirtschaftsminister und Fraktionsvorsitzender, ging mit der FDP durch Höhen und Tiefen – und erlebte als Spitzenkandidat für die Bundestagswahl 2013 sein schwärzestes Jahr.

Erst löste ein missglücktes Kompliment an eine Journalistin („Sie könnten ein Dirndl auch ausfüllen“) eine monatelange Diskussion inklusive Kampagne („Aufschrei“) gegen sexuelle Belästigung aus. Dann brach er sich im Wahlkampf bei einem Treppensturz ein Bein – bevor die Wahl mit 4,8 Prozent krachend verloren ging und die Liberalen aus dem Bundestag flogen.

Es war das Ende seiner Karriere als Berufspolitiker. Aber das Leben geht weiter. Beim Frühstück im Café Einstein ist er guter Dinge, bestellt Bircher-Müsli und überreicht seine Visitenkarten: bpa Arbeitgeberverband (Präsident), Bund der Steuerzahler Rheinland-Pfalz (Präsident) und RainerBrüderleConsult – das ist seine eigene Beratungsfirma. Am FDP-Parteitag am kommenden Wochenende in Berlin nimmt der Ur-Liberale (verheiratet, keine Kinder) als einfacher Delegierter teil.

Fehlt Ihnen die Politik?

Es war schon eine Umstellung. Aber inzwischen ist mein Arbeitsumfang ähnlich wie früher, und das wollte ich auch. Man muss sich fordern und geistig in Bewegung bleiben, damit man nicht abbaut. Ich bin ein zufriedener Mensch.

B.Z.-Korrespondentin Ulrike Ruppel traf sich mit Brüderle zum Frühstück
B.Z.-Korrespondentin Ulrike Ruppel traf sich mit Brüderle zum Frühstück (Foto: Olaf Selchow) Foto: Olaf Selchow

Wie geht es gesundheitlich?

An den Folgen meines Unfalls habe ich fast drei Jahre laboriert. Stufe übersehen, auf den Steinboden geknallt, Oberschenkel-Trümmerbruch. Zum Teil waren nur noch Krümel da. Zehn Tage Krankenhaus, dann Kurz-Reha, und dann ging es voll weiter. Als Spitzenkandidat durfte ich nicht mit Krücken marschieren, obwohl ich sie gebraucht hätte. Auch deshalb hat die Heilung so lange gedauert. Zweieinhalb Jahre hatte ich ein Stahlrohr im Bein. Inzwischen ist der Knochen voll belastbar wieder zusammengewachsen.

Wie halten Sie sich fit?

Ich habe immer Gymnastik gemacht, jeden Tag 15 Minuten mit dem Elastik-Band. Dann fahre ich Fahrrad vor dem Fernseher, meine Distanz ist eine „Tagesschau“. Bei der Ernährung bin ich eher ein Sünder. Ich genieße Wein, esse gern gut und viel. Das war früher mein Problem. In meinen Glanzzeiten hatte ich 100 oder 110 Kilo. Heute versuche ich, unter 80 zu bleiben.

Wie hart war 2013?

Die Aufschrei-Geschichte war eine große Belastung im Wahlkampf. Normalerweise rede ich frei. Jetzt war ich gehemmt, um böswilligen Interpreten keine Vorlagen zu liefern. Dann kam der Unfall. Am Wahltag war ich total fertig. Ein Ergebnis unter fünf Prozent hatte ich nicht für möglich gehalten. Aber es hilft nichts. Politik ist ein brutales Geschäft.

Wie kamen Sie aus dem Loch wieder raus?

Ich war in keinem Loch, dazu war keine Zeit. Wir mussten die Fraktion abwickeln und schauen, was aus Mitarbeitern wird. Man muss nach vorn blicken, darf sich nicht unterkriegen lassen. Das ist die liberale Lebenseinstellung. Bei Sonnenschein kann jeder fröhlich sein.

Wie sind Sie mit der Dirndl-Affäre umgegangen?

Ich habe meine Sicht in einem Buch dargelegt und mich danach nicht mehr geäußert. Ich bin nicht in die Debatte eingestiegen, in keine Talkshow gegangen. Die Emotionalität war zu groß, eine sachliche Auseinandersetzung war nicht mehr möglich. Solche Entwicklungen erfüllen mich mit Sorge, unabhängig von meiner Person. Zur Demokratie gehört, dass man die Regeln des Fair Play einhält.

Verhalten Sie sich anders seit jener Erfahrung?

Ich habe nichts getan, was ich mir hätte vorwerfen müssen. Aber ich bin misstrauischer und vorsichtiger geworden. Am meisten gelitten hat meine Frau. Sie hat sich – entgegen meiner Bitte – alles angeguckt, was ausgekübelt wurde. Das alles gemeinsam durchzustehen, hat uns noch näher zusammenrücken lassen. Meine Frau kennt mich in- und auswendig. Wir haben schon zusammen studiert. Sie ist Volkswirtin wie ich.

Wie fanden Sie den Start der GroKo?

Enttäuschend. In guten Zeiten wie diesen muss man an die schlechten denken. Aber statt in Forschung, Bildung und Infrastruktur zu investieren, bauen Union und SPD die Mütterrente und den Sozialstaat aus. Alle drei Parteien haben ihre Klientel bedient. Das ist schlecht für die Zukunft und unfair gegenüber kommenden Generationen.

Hätte die FDP in einer Jamaika-Regierung das nicht verhindern können?

Zwischen 2009 und 2013 hat die FDP ständig etwas verhindert. Aber wir konnten wesentliche Versprechen nicht durchsetzen, nicht gestalten. Und wenn das nicht geht, hat es keinen Sinn. In der Opposition wird es ebenfalls nicht einfach. Aber sie bietet die Chance, den Kontrast zur GroKo aufzuzeigen. Die Wähler honorieren das, in Umfragen liegen wir konstant um die 10 Prozent.

Was würde der Wirtschaftsliberale Brüderle Deutschlands Managern ins Stammbuch schreiben?

Sie sollen Maß halten und auf den Mittelstand gucken. Vom deutschen Handwerksmeister kann man in puncto Stil und Anstand vieles lernen! Die Maßlosigkeit, die wir da bei Managern teilweise erleben, bringt auch die Marktwirtschaft in Misskredit. Und das ist gefährlich. Zur Führungsverantwortung gehört auch, dass man nicht alles nimmt, was man kriegen kann.

Was ärgert Sie besonders?

Wenn es für Misserfolge auch noch Boni gibt. Nach meinem Verständnis sind das Erfolgsprämien! Besonders geärgert habe ich mich über VW. In Amerika gibt es Entschädigungen, hier nicht – als wären wir Kunden zweiter Klasse. Und dann fabuliert Matthias Müller auch noch von DDR-Verhältnissen, wenn man seine hohen Bezüge kritisch hinterfragt. Das hat kein Format.

Themen: FDP Nachrichten