ARD-Serie „Die Saat“ mit Rainer Bock: Aus Liebe zur Kunst
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ARD-Serie „Die Saat“ mit Rainer Bock: Aus Liebe zur Kunst

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Herzlich: Seit Jahrzehnten sind Christina und Rainer Bock ein Paar. Dass sie gut miteinander harmonieren, zeigt sich nicht nur auf dem Foto in der Münchner Galerie Stefan Vogdt, sondern auch im Gespräch.
Herzlich: Seit Jahrzehnten sind Christina und Rainer Bock ein Paar. Dass sie gut miteinander harmonieren, zeigt sich nicht nur auf dem Foto in der Münchner Galerie Stefan Vogdt, sondern auch im Gespräch. © kjk

Schauspieler Rainer Bock und Künstlerin Christina Bock sind seit Jahrzehnten verheiratet - und teilen die Liebe zur Kunst. Ein Interview in München vor dem Start der ARD-Serie „Die Saat“ mit Rainer Bock.

Klar könnte man sich mit Schauspieler Rainer Bock auch „nur“ über seine neue Arbeit „Die Saat“ unterhalten. Die von Regisseur Alexander Dierbach inszenierte sehenswerte ARD-Serie „Die Saat“, die am 9. und 10. Dezember 2023 im Ersten zu sehen ist, bietet reichlich Gesprächsstoff. Die ARD zeigt die ersten vier Folgen am 9. Dezember 2023 ab 20.15 Uhr und die weiteren zwei am 10. Dezember 2023 ab 21.45 Uhr. Aber weil der 69-Jährige mit Christina Bock seit vielen Jahren eine Ehefrau an seiner Seite hat, die selbst einst Schauspielerin war und heute ebenso erfolgreich als Künstlerin tätig ist, treffen wir uns doch gleich zu dritt in der Galerie Stefan Vogdt am Münchner Hofgarten. Zwei Werke von Christina Bock sind dort noch ausgestellt, alle anderen waren: in Windeseile verkauft. „Ich habe selten bei einer Ausstellung so viele positive Gespräche über die Kunst gehabt wie hier. Christina Bocks Kunst hat eine verspielte Menschlichkeit, die die Betrachter unmittelbar berührt“, schwärmt Galerist Stefan Vogdt. Also dann: ein Gespräch über die Kraft der Kultur.

Christina Bock, wenn man Ihre Bilder anschaut, scheint man Ihren alten Beruf zu spüren. Der Mensch steht im Zentrum. Wie in der Schauspielerei, oder?

Christina Bock: Stimmt, das Figürliche, die Emotionalität, auch die Bewegungen der Menschen, die ich darstelle, da bin ich sicher durch meine Schauspielerfahrungen geprägt. Und als Malerin nehme ich wie in meinem früheren Beruf verschiedene Rollen ein, meist unbewusst. Die stärksten Bilder, die ich male, sind die, die ich nicht plane. Ein toller Satz meines Professors war: „Überrascht euch selbst!“ Das ist der beste Moment, wenn ich ein neues Werk betrachte und sage: „Wer hat das denn jetzt gemacht? Das war ich?“

Glücklich: „Happy“ hat Christina Bock dieses Werk überschrieben – fühlt man sich beim Betrachten sogleich.
Glücklich: „Happy“ hat Christina Bock dieses Werk überschrieben – fühlt man sich beim Betrachten sogleich. © MIRCO TALIERCIO

Da sind wir ja schon bei den Schnittstellen zwischen Schauspiel- und Bildender Kunst. Letztlich wollen sie beide dasselbe: Menschen berühren.

Rainer Bock: In welche Richtung auch immer. Man will versuchen, Gedanken und Gefühle auszudrücken. Ohne zu manipulieren, wenn’s geht. Das ist die Kunst.

Um was – die Welt zu verändern?

Rainer Bock: Ich sage immer: Wenn bei 800 Zuschauern im Theater einer rausgeht und ein bisschen anders auf Dinge guckt als vorher, haben wir was erreicht. Wenn Sie mich fragen, ob wir eine antikapitalistische Revolution auslösen, muss ich sagen: Nein.

Bisschen ernüchternd.

Rainer Bock: Aber nicht hoffnungslos. Ich sehe meinen Beruf schon auch als einen Weg, Bewusstsein für Probleme zu wecken, Denkanstöße zu geben. Ich bin zu alt, um jetzt noch in einen harschen Aktionismus zu gehen.
Christina Bock: Na ja, also auf eine Demo gehen können wir schon noch.
Rainer Bock: Ja, natürlich kann ich noch auf ’ne Demo gehen. Aber ich schaffe es nicht mehr, mich über Facebook oder wie das ganze Zeug heißt zu verlinken und eine Bewegung anzustoßen, die länderübergreifend aktiv wird. Da sind die Jungen dran. Aber: Ich habe durchaus die Möglichkeit, meinen Beruf sinnvoll zu nutzen. Durch Projekte wie „Die Saat“. Oder den jüngsten Film, den ich abgedreht habe: „Die Ermittlung“ nach einem Theaterstück von Peter Weiss. Es behandelt die Auschwitz-Prozesse 1963 bis 1965 in Frankfurt. Das war das emotional Anstrengendste und Berührendste, das ich je gemacht habe. Theaterprojekte eingeschlossen.

Ein wichtiges Projekt. Sehen werden es dann aber doch wieder nur diejenigen, die ohnehin antifaschistisch sind...

Rainer Bock: Glauben Sie doch nicht, dass wir einen Rechtsradikalen durch einen Film in seiner Weltanschauung umdrehen werden. Um das zu erreichen, müsste man es machen wie in Stanley Kubricks „A Clockwork Orange“, einem der Filme, die mich wegen ihrer politischen Relevanz besonders beschäftigt haben. Darin werden dem angeklagten Schuldigen mit Klammern die Augenlider aufgehalten, damit er sich die Gräuel von Auschwitz angucken muss. So weit würde ich nicht gehen. Aber die Erinnerung, das Bewusstsein für die unfassbaren Verbrechen wachzuhalten, das ist man diesen sechs Millionen im Holocaust ermordeten Menschen schuldig. Gerade in einer Zeit, in der rechtes Gedankengut wieder verstärkt aufkommt. Und das tut diese Produktion.

Zumal die Zeitzeugen aussterben. Auch die Bildende Kunst kann ein Medium sein, ihre Geschichten weiterzutragen. Letztlich geht es um die Zugänglichkeit. Und Ihre Kunst scheint eine zu sein, die direkt ins Herz trifft.

Christina Bock: Es scheint so, ja. Das ist das, was ich wirklich auch immer wieder höre. Dass die Leute von meinen Bildern emotional angerührt sind. Ich denke, sowohl in der Schauspiel- als auch in der Bildenden Kunst ist ein großer Teil von einem selbst. Den man auch zulassen muss zu zeigen. Ich kann nur ein Kompliment an meinen Mann machen, ich kenne ihn jetzt 34 Jahre und habe alles, was er gespielt hat, gesehen. Wie mein Professor gesagt hat: Er überrascht mich immer wieder. Bei Rainer sehe ich ständig was Neues, bei dem ich mir denke: Kenne ich noch nicht. Es ist immer wieder ein Stück von ihm.

Gibt es denn als Schauspieler Momente, in denen Sie sagen: Da möchte ich mich nicht reinbegeben, das schaffe ich nicht?

Rainer Bock: Die Erfahrung habe ich noch nicht gemacht. Mir ist nichts Menschliches fremd. Das gehört zu diesem Beruf dazu. Deswegen gucke ich auch immer so viel und beobachte. Mein Sohn und meine Frau sagen manchmal: „Starr doch nicht so!“ Ich kann mich richtig mit den Augen an Menschen festsaugen. Unspezifisch, nicht dass Sie jetzt meinen, ich starre Frauen nach. Ich denke immer: Wahnsinn, ist das spannend. Es gibt Gangarten! Es ist ein Fest für Schauspieler, das zu beobachten und in ihr Spiel zu übernehmen. Ich liebe das.

Skrupellos: In der starken ARD-Serie „Die Saat“ spielt Rainer Bock einen skrupellosen Lobbyisten.
Skrupellos: In der starken ARD-Serie „Die Saat“ spielt Rainer Bock einen skrupellosen Lobbyisten. © Degeto

Hätten Sie, Frau Bock, denn manchmal Lust, wieder auf die Bühne zu steigen?

Christina Bock: Jein. Ich war vor Theaterpremieren schon immer sehr, sehr aufgeregt. Habe vor jeder Premiere drei Kilo abgenommen. Rainer Bock: Schade, dass mir das nie passiert! Christina Bock: Ich genieße es, dass ich mich als Künstlerin einfach hinsetzen und arbeiten kann. Ich bin dann ganz für mich, das gefällt mir.

Wobei der Vorhang fällt, wenn dann die Vernissage ist. Macht Sie das nervös?

Christina Bock: Stimmt, bei einer Vernissage geht man wieder raus und zeigt etwas von sich. Doch das ist anders, denn das Werk ist fertig. Rainer Bock: Um ihre Freiheit in ihrem Beruf beneide ich sie. Ich bin ja überwiegend ein reproduzierender Künstler, komme ohne Drehbuch nicht aus. Natürlich fließt da auch Eigenes von mir ein. Aber Christinas Malerei ist pures kreatives Tun – und das ist durchaus beneidenswert.

Könnten Sie sich auch vorstellen, irgendwann nicht mehr zu spielen?

Rainer Bock: Nee, aber was ich mir nicht mehr vorstellen könnte, ist, Theater zu spielen. Das habe ich 35 Jahre gehabt, genossen und geliebt. Gerade die letzten zehn Jahre in München. Und wenn ich heute ins Residenztheater gehe, werde ich dankenswerterweise noch immer angesprochen und höre schon mal vom Stammpublikum: „Spielen Sie denn mal wieder?“ Das freut mich diebisch und das nehme ich herzlich gerne zur Kenntnis, aber ich möcht’s nicht mehr machen.

Sie wirken wie jemand, der gut abschließen kann.

Rainer Bock: Ja. Und ich glaube, auch nachtragend zu sein gehört nicht zu meinen Eigenschaften. Abschließen kann ich. Was nicht heißt, dass ich mich aus den gedanklichen Prozessen entferne. Überhaupt nicht. Ich kann mich noch wahnsinnig aufregen. Christina Bock: Gott sei Dank! Rainer Bock: Aber ich bin zum Beispiel weder auf Facebook noch auf X. Ich schalte mich nicht ein in diese Meinungsmonopolisten, die da im Internet unterwegs sind und glauben, dass alles, was sie denken, für andere interessant ist. Das nicht. Aber in dem Umfeld, in dem ich mich bewege, und damit meine ich nicht nur enge Freunde, auch den Andi vom Lotto Toto, wo ich die Zeitung hole: Man kommt ins Gespräch. Ich finde, es ist viel wichtiger, auf dieser Ebene Meinungen auszutauschen und in den Diskurs zu gehen – als aus digitaler Ferne.

Und bei Projekten wie jetzt „Die Saat“, das zur Diskussion um Kapitalismus, Monopolismus, Umweltzerstörung anregt: Gehen Sie nach einem Drehtag nach Hause und denken sich „So, das und das ändere ich jetzt in meinem Leben“?

Rainer Bock: Wenn Menschen durch diese Serie auf ihr individuelles Konsumverhalten zurückgeworfen werden, wäre das klasse. Sich Fragen stellen wie: Kaufe ich Fair Trade? Versuche ich, biologisch erzeugte Produkte zu kaufen? Das tun meine Frau und ich aber sowieso schon seit Jahren. Ich empfinde uns da auch als privilegiert, dass wir das tun können. Wichtig wäre, fair und biologisch erzeugte Produkte auch breiteren Bevölkerungsschichten vom Preisniveau her zugänglich zu machen. Doch generell bemühen wir uns, noch mehr zu tun. Wenn ich mir überlege, wie viel ich früher geflogen bin, auch innerdeutsch. Heute undenkbar. Und wenn wir mal darüber nachdenken, wie früher in der Bahn geraucht wurde – und heute ist das dortige Rauchverbot eine Selbstverständlichkeit. Das ermutigt, dass sich Gewohnheiten doch in großem Rahmen verändern lassen. Warum nicht auch durch starke Filme und Serien?

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