Schlüsselwörter

1 Einleitung

Ausgangspunkt für die Überlegungen zur Relevanz von Mediensystemtypologien ist „dass die politische Kommunikationskultur stark durch die wichtigsten Handlungssysteme, welche die Akteure umgeben, also das Mediensystem und das politische System, geprägt werden“ (Pfetsch und Maurer 2008, S. 100). Dies macht Mediensysteme als Kontextbedingung für die politische Kommunikation als Forschungsgegenstand relevant. Um die Einflüsse von Mediensystemen (für die Interaktion von Medien- und Politiksystem siehe den Beitrag von Thomas Birkner in diesem Band) auf die politische Kommunikation benennen zu können, ist es hilfreich, die politische Kommunikation als Prozess zu beschreiben; dies geschieht mit den Begriffen des Input, Throughput und Output (Neidhardt 1994; Gerhards und Neidhardt 1991). Dabei fungieren die Themen und Meinungen verschiedener Akteure als Input. Je vielfältiger und differenzierter alle gesellschaftlichen Stimmen zu Wort kommen, desto größer die Chance, dass der politische Kommunikationsprozess Transparenz über relevante Inhalte herstellen kann (Eilders 2013). Der Throughput findet vor allem in den Medien statt. Hier werden die Beiträge, Stellungnahmen und Meinungen gewichtet, verworfen, zusammengeführt, einander gegenübergestellt und damit aus der Vielfalt der Beträge ein verdichtetes Bild geformt. Dies ist dann der Output, der als öffentliche Meinung Orientierungsfunktion sowohl für die Bürger_innen wie für die Akteur_innen des politischen Systems hat. Medien (der politischen Berichterstattung, zum Medienbegriff siehe unten) sind damit sowohl für die Reichhaltigkeit und Vielfalt des Inputs mitverantwortlich in dem Sinne, dass sie wichtige Gatekeeper für den Zugang von Akteuren zu den Medien sind. Dabei ist der Zugang zu Medien durch die online-vermittelte Kommunikation extrem vielfältig geworden, die aber anders als die traditionellen Massenmedien keinen auf professionellen Normen beruhenden Throughput und nur einen mehr oder weniger dissonanten Output gewährleisten können (vgl. Pfetsch et al. 2018). Auch für die Qualität des Outputs liegt somit eine bedeutende Verantwortung bei den Medien. Wie sie den Erfordernissen des Input, Output und Throughput gerecht werden, ist von der Ausgestaltung des jeweiligen Mediensystems abhängig. Im vorliegenden Artikel werden zunächst der Begriff des Mediensystems und die es prägenden Faktoren erläutert. Diese werden im Hinblick auf Input, Throughput und Output betrachtet.

Die vergleichende Forschung zu Mediensystemen hat in ihrer nunmehr über 60-jährigen Geschichte eine Fülle von Typologien hervorgebracht, die die vorfindbaren Mediensysteme kategorisieren sollen. Deshalb werden im Anschluss die Logik und die Ausprägungen solcher Systemtypologien und ihre Bedeutung für die politische Kommunikation vorgestellt. Allerdings – dies ist bei der Darstellung zum Überblick über die vergleichende Mediensystemforschung voranzustellen – sind die Unterschiede der politischen Kommunikation selbst bisher kaum Gegenstand der vergleichenden empirischen Mediensystemforschung gewesen.

2 Systeme

Zunächst ist ein System (griechisch-lateinisch „Zusammenstellung“) ein aus grundlegenden Einzelelementen zusammengestelltes Ganzes, wobei die Einzelelemente in bestimmten Beziehungen zueinander stehen. Eine unbestimmte Anzahl von Objekten samt ihren Wechselwirkungen kann durch eine plausible Abgrenzung von ihrer Umgebung (d. h. der komplexen Realität) zu einer Gesamtheit zusammengefasst werden. Systeme sind also aus Teilen (Systemkomponenten oder Subsystemen) zusammengesetzt, die untereinander in verschiedenen Beziehungen stehen können. Die Teile eines Systems, die Relation und Struktur dieser Teile, seine Identität und die Grenzziehung des Systems sind also für die Analyse von Systemen von Interesse. Viele Wissenschaftsdisziplinen kennen Systeme; das Kennzeichen der Systeme, die die Kommunikationswissenschaft als eine Sozialwissenschaft untersucht, ist, dass sie als soziale Systeme Sinn verarbeiten (im Unterschied z. B. zu Maschinen). Soziale Systeme lassen sich in Subsysteme und weitere Subsysteme untergliedern. In Zusammenhang mit Subsystemen in der Gesellschaft ist der Begriff des Funktionssystems relevant, weil diese Systeme notwendige Leistungen für das Funktionieren einer Gesellschaft erbringen – so auch das Mediensystem.

Der Systembegriff ist maßgeblich von der Systemtheorie geprägt worden. Während die allgemeine Systemtheorie (von Bertalanaffy 1968) die Wirkweise des Zusammenhanges einzelner Phänomene, ihre Eigenlogik, mit der sie auf Umweltveränderungen reagieren und die kausalen Zusammenhänge in den Wirkungsbeziehungen und ihre Abhängigkeiten für jedwede Systeme erklärt, ist es Talcott Parsons (1971) Leistung gewesen, diese Erkenntnisse auch auf soziale Systeme zu übertragen und zu analysieren, welche Prozesse ablaufen müssen, damit die Stabilität eines Systems und seiner Strukturen erhalten bleibt.

Niklas Luhmann, der Massenmedien systemtheoretisch ausgedeutet hat, war weniger an der Frage des Systemerhalts interessiert als vielmehr daran, welche Funktion die Bildung von Systemen hat (Luhmann 1984). In seiner Perspektive werden spezialisierte soziale Einheiten als Systeme aufgefasst, die sich für die Lösung spezieller Aufgaben herausgebildet haben und die Lösungen für gesellschaftliche Probleme bereitstellen. Sie unterscheiden sich von anderen Systemen und von ihrer Systemumwelt durch ihre Art der Problemlösung, also durch ihre Funktionen und Leistungen. Allerdings sind Systeme, wie sie in der Systemtheorie Luhmanns konzipiert werden, der empirischen Analyse kaum zugänglich – der systemtheoretische Theoriebestand und Begriffsapparat eignet sich vor allem für eine stark abstrahierende theoretische Beschreibung gesellschaftlicher Verhältnisse. So ist diese Betrachtungsweise zunehmend in die Kritik geraten, da in ihrem Rahmen Akteure, ihre Interessen und ihr Handeln nicht erfasst werden können (Weber 2005).

Auch wenn die Systemtheoretiker dem Nachdenken und der Forschung über Mediensysteme wertvolle Impulse geliefert haben, hat sich der Mediensystembegriff weitgehend von diesem theoretischen Hintergrund gelöst. Es hat sich ein pragmatischer Mediensystembegriff etabliert, der beinhaltet, dass ein Zusammengesetztes mit komplexen Strukturen und Entwicklungslogiken vorliegt. Damit werden die zentralen Charakteristika von Struktur und Organisation übernommen, die ein System als einen Komplex von Organisationen beschreiben, also als soziale Gebilde, die für bestimmte Zwecke auf relative Dauer mit zielgerichtetem und arbeitsteiligem Handeln und mit ähnlichen Aufgaben ausgerichtet sind. Entscheidend für die weiteren Überlegungen ist, dass soziale Systeme raumzeitlich verfestigte Interaktionsmuster sind, die – und das ist für die Erfassung und die Darstellung von Medien und Mediensystemen relevant – empirisch analysiert werden können und die fließende Grenzen zu ihrer Umwelt haben (Jarren 2001, S. 146). Mit einer systemischen Betrachtung wird also der Blick über das Einzelphänomen hinaus geweitet. Das Besondere an Systemen ist, dass sich Veränderungen in ihnen nicht durch die Beziehungen zwischen ihren Einzelphänomenen mittels einfacher Ursache-Wirkung-Schemata erklären lassen, sondern dass Systeme mit einer komplexen Eigenlogik auf die jeweiligen Umwelteinflüsse reagieren (Kneer und Nassehi 1997) – und dies gilt insbesondere und auch für das Verhältnis von politischem und Mediensystem.

3 Medien

Eine Eingrenzung des Medienbegriffes ist notwendig, um darzulegen, aus welchen Elementen das Mediensystem zusammengesetzt ist. Der Medienbegriff im Konzept der Mediensysteme muss den unterschiedlichen Gegebenheiten in verschiedenen Ländern gerecht werden; denn sicherlich haben – nehmen wir Medien der politischen Kommunikation – eine Internetplattform in China, die Regierungspropaganda betreibt, und eine Dokumentarsendung im öffentlich-rechtlichen Fernsehprogramm über Korruptionsskandale in Deutschland in ihrer gesellschaftlichen Kommunikationsfunktion eine auf abstrakter Ebene vergleichbare Funktion – auch wenn sich Sprache, Darstellungsmodus, Zielsetzung, die Organisation, die sich hinter diesem Angebot verbirgt, die Zugänglichkeit und vieles mehr deutlich unterscheiden.

Die Mittel der – nicht nur politischen – Kommunikation in einer Gesellschaft, also die Kommunikationsmedien, haben sich im Verlauf der geschichtlichen Ausdifferenzierung des Gesellschaftssystems geändert. Waren es zunächst nur die Sprache, dann die Schrift, im antiken Griechenland das Theater, im späten Mittelalter Flugschriften, die der politischen Kommunikation dienten, so wurde mit Beginn des 20. Jahrhunderts angesichts massenhafter Produktion von Inhalten, die mittels Kommunikationsmedien verbreitet wurden, die Massenmedien geschaffen, die als für die Mediensysteme relevant erachtet werden. Zur Presse, als erstem dominanten Massenmedium, kamen Radio und Fernsehen hinzu, die zuletzt durch die vielfältigen Formen der online-vermittelten Kommunikation zu einer unüberschaubaren Vielfalt an Kommunikationskanälen führten.

Für die hier berücksichtigten Medien gilt außerdem, dass sie sich als komplexe soziale Institutionen etabliert haben und in vielschichtige Handlungszusammenhänge eingebettet sind – Politik, Recht und Ökonomie formen ihre Ausgestaltung neben ihrer technischen Grundlage nachhaltig mit. Auch ist für einen heute kommunikationswissenschaftlich brauchbaren Medienbegriff mit zu berücksichtigen, dass sich die noch für Massenmedien angenommene Einheitlichkeit und Einseitigkeit des Verhältnisses von Medium und Publikum (Maletzke 1963, S. 76) deutlich gewandelt hat. Der Verteilcharakter von Medien ist vielfältig. Zu one-to-many (z. B. Fernsehen) ist das many-to-many (Chatrooms, Webdienste) oder auch one-to-few (Blogs, ausgewählte individualisierte Online-Dienste) und auch one-to-one (E-Mail) im Medienbetrieb hinzugekommen. Die Auswirkungen dieses technisch bedingten Wandels des Mediensystems für die politische Kommunikation ist Gegenstand vieler Forschungsfragestellungen (vgl. Vowe und Henn 2016).

Für den vorliegenden Zusammenhang ist es notwendig, die gesellschaftliche Dimension von Medien zu erfassen. Dies leistet die Definition von Saxer, nach der Medien nicht nur technische Transportsysteme für bestimmte Zeichensysteme sind, sondern darüber hinaus Organisationen mit eigenen Zielen und Interessen, die komplexe Gefüge von Strukturen darstellen, Erbringer von funktionalen und dysfunktionalen Leistungen für die Gesellschaft sind und soziale Institutionen, die eingebunden in die Verhältnisse der Gesellschaft sind (Saxer 1998, S. 54 f.). Die genannten Dimensionen der Definition spielen eine Rolle, wenn es um den Beitrag von Medien zur politischen Kommunikation geht, und alle damit verbundenen Faktoren sind relevant, wenn Mediensysteme beschrieben und typologisiert werden.

4 Mediensysteme

Bei der Analyse von Mediensystemen richtet sich das Interesse auf jene Teile der Definitionen, die den systemischen Zusammenhang der Medien betrachten, welche für die gesellschaftliche öffentliche Kommunikation von Relevanz sind. Die Individualkommunikation ist also weniger von Interesse, wenngleich die Trennung zwischen beiden Kommunikationsarten fließend ist.

Medien bilden mit den sie prägenden Strukturen in ihrer Gesamtheit das Mediensystem. Es ist auf vielfältige Weise in ökonomische, politische, soziale und kulturelle Gegebenheiten eingebunden und wirkt auch auf diese ein. Die Bedeutung von Mediensystemen für die politische Kommunikation erschließt sich daraus, welche Funktion sie erfüllen und wie sie dies mittels ihrer verschiedenen Bestandteile erreichen. Die Zusammenhänge in diesen komplexen Systemen interessieren hier. Mediensysteme in ihrer Funktionsweise für die politische Kommunikation zu betrachten, bedeutet, die politischen, ökonomischen, rechtlichen und technologischen Aspekte von Medien in ihrem Zusammenwirken und ihrer Auswirkung auf politische Kommunikation zu analysieren. Dabei werden Zusammenhänge in den Blick genommen, die als prägend und charakterisierend angenommen werden können.

Dies sind die ökonomischen, politischen und rechtlichen Rahmenbedingungen, die technische Basis und vor allem die Organisationen des Mediensystems und die Strukturen im Mediensystem und seinen Organisationen. Sie zusammen beeinflussen die Wirkungen dieser Elemente auf Leistungen der Medien im Allgemeinen und auf politische Kommunikation im Besonderen.

Da vor allem rechtliche Rahmenbedingungen für die Institutionalisierung von Medien ausschlaggebend waren, sind diese zunächst im nationalstaatlichen Kontext entstanden, als solche wahrgenommen und auch analysiert worden. Im Rahmen vergleichender Forschung steht somit das Erkenntnisinteresse im Fokus, grundsätzliche Unterschiede zwischen nationalen Mediensystemen beschreibbar zu machen (Thomaß 2016). Mittlerweile wird mit dem Begriff der inter- und transnationalen, sowie inter- und transkulturellen Kommunikation auch angesprochen, dass auch grenzüberschreitende Mediensysteme von Relevanz für die politische Kommunikation sind.

5 Bestandteile und prägende Faktoren der Mediensysteme

Zunächst gehören zum Mediensystem alle Medien, die der oben angeführten Definition entsprechen, also sowohl solche, die nicht der aktuellen Aussagenproduktion dienen (wie Film, Video, Schallplatte, CD, DVD, Buch, Plakat etc. und unzählige Internetangebote) als auch diejenigen, die aktuelle Informationen und Inhalte verbreiten, also der Printsektor, Rundfunk sowie wiederum Internetangebote und Online-Dienste. Diese auf Aktualität orientierten, periodisch bis kontinuierlich erscheinenden Medien sind für die politische Kommunikation von besonderer Bedeutung. Sie unterliegen deshalb am stärksten dem Bemühen politischer Akteure um Regulierung, Steuerung oder gar Einflussnahme (in undemokratischen Gesellschaften der Zensur); sie sind der wichtigste mediale Machtfaktor in der politischen Gestaltung einer Gesellschaft. Print, Rundfunk und Online-Medien sind deshalb die für die politische Kommunikation wichtigsten Medien in Mediensystemen und werden für deren Typologisierungen vordringlich analysiert. Ihre wesentlich prägenden Faktoren und ihre Bedeutung für die politische Kommunikation werden im Folgenden skizziert.

6 Print

Zeitungen, insbesondere Qualitätszeitungen galten lange als die Leitmedien der politischen Kommunikation. Der Sektor der Zeitungen und Zeitschriften ist der älteste im gesamten Mediensystem, und seine Strukturen sind in der Regel von vielen historischen, geografischen und politischen Besonderheiten des jeweiligen Landes geprägt. So geht das Vorhandensein einer Hauptstadtpresse, wie sie z. B. in Paris oder London zu finden ist, auf die historisch seit langem existierenden zentralistischen Strukturen zurück, die sie durch die Konzentration der politischen Kommunikation auf das Zentrum noch verstärken kann. Das Vorhandensein von Regionalzeitungen, wie sie vor allem in föderalen Staaten wie in Deutschland existent sind, und Lokalzeitungen sind für den Input der Akteure auf diesen Ebenen in die politische Kommunikation von Relevanz. Das Vorhandensein des Typus der Boulevardzeitung – nicht in allen Mediensystemen – trägt maßgeblich zur Sensationalisierung und eben Boulevardisierung der politischen Kommunikation bei – also Verarbeitungen während des Throughput.

Gegenüber diesen Makrostrukturen prägen Mikrostrukturen die politische Kommunikation. Binnengliederungen und Ressortdifferenzierungen, Arbeitsabläufe und ihre Koordination sowie die Verteilung von Kompetenzen in Redaktionen haben maßgeblichen Einfluss auf den Throughput. Die Rechtsgrundlagen der Presse beschreiben die vom Gesetzgeber geschaffenen verbindlichen Rahmenbedingungen, innerhalb derer sich Presseunternehmen im Rahmen der politischen Kommunikation bewegen. Hier geht es um solche Fragen wie die Ausgestaltung der Pressefreiheit, ihre Beschränkungen, die Konkretisierungen – zum Beispiel zur Wahlberichterstattung oder zum Persönlichkeitsschutz –, und den Schutz, den die Presse vor staatlicher Einflussnahme genießt, also die Beschaffenheit des Outputs.

7 Rundfunk

Im Rundfunksektor lassen sich Unterschiede zwischen den Mediensystemen im Wesentlichen danach feststellen, ob ein öffentlicher Rundfunk nach dem Vorbild der BBC existiert, ob er oder ob das kommerzielle Prinzip nach dem Vorbild der USA dominiert oder welche Mischformen vorliegen (duales System). Weitgehend Konsens besteht in der Einschätzung, dass dort, wo öffentlicher Rundfunk auf Strukturen fußt, die ihn nicht nur de jure sondern auch de facto unabhängig von staatlichen Akteuren machen, er der Qualität der politischen Kommunikation besonders zuträglich ist. Der Throughput führt hier zu einer Qualität der Validierung, die die Orientierungsfunktion als besonders verlässlich erscheinen lässt. Die Bedeutung des Staates bei der Regulierung, die Betonung der kulturellen und identitätsstärkenden Rolle von Rundfunk und der Stellenwert, den die sogenannte dritte Säule (Bürgerfunk, community radios etc.) einnimmt, sind weitere wichtige Merkmale des Rundfunksektors eines Mediensystems. Insbesondere letzte lassen auf einen breiteren Input vielfältiger Stimmen in der politischen Kommunikation schließen als in Mediensystemen, die diese Organisationsformen nicht kennen.

In rechtlicher Hinsicht bestimmen die Strukturen und Organisationen der Rundfunkaufsicht die Qualität der politischen Kommunikation. Ihre zentrale bzw. dezentrale, staatsnahe oder staatsferne Ausgestaltung sind hier die wesentlichen Merkmale.

8 Online

Für Online-Medien ist mehr noch als für den Rundfunk oder den Printsektor, die in vielen Staaten eine hohe Marktsättigung erreicht haben, eine zentrale Größe für die politische Kommunikation, wer überhaupt Zugang zum Internet und den damit verbundenen Diensten hat. Wie viele Internethosts und wie viele Internetanschlüsse in einem Land existieren, welche Übertragungskapazität die Netze haben, sagt viel über die Zugangsproblematik aus. Die großen Unterschiede weltweit, aber auch in einem gegebenen Land, die hier bestehen, sind unter dem Begriff des digital divide vielfach problematisiert worden (vgl. Langer 2012; van Deursen und van Dijk 2019). Auch wenn diese digitale Kluft in den westlichen Industriegesellschaften weitgehend abgenommen hat, ist sie in den armen Ländern in Asien, Afrika und Lateinamerika immer noch hoch relevant. Angehörige höherer Bildungs- und Einkommensschichten haben hier zu einem größeren Anteil Zugang zu Online-Medien als Angehörige niedrigerer Schichten, Männer mehr als Frauen und prägen damit den politischen Diskurs in ungleichgewichtiger Form mit. Die Dynamik, mit der die Zahl der Nutzer in einem Land zunimmt, ist eine entscheidende Kennziffer für den Online-Bereich eines Mediensystems und den Wandel der politischen Kommunikation (siehe den Beitrag von Vowe in diesem Band).

Beim politischen Kommunikationsangebot der Online-Medien ist danach zu unterscheiden, wie hoch der Anteil öffentlicher und privatwirtschaftlicher Kommunikationsinhalte ist. Zugang wird damit zur Frage, nicht nur wer das Internet nutzen kann, sondern wer die Möglichkeit hat, seine Stimme im Internet laut werden zu lassen. Auch hier bestehen große Unterschiede weltweit, deren Vergleich wichtige Aufschlüsse über das jeweilige Mediensystem gibt.

In sprachlicher und damit kultureller Hinsicht ist von Interesse, ob bzw. in welcher Größenordnung politische Kommunikationsangebote in einer gegebenen Landessprache zur Verfügung stehen und inwieweit die Angebote eines Landes über seine Grenzen hinaus wahrgenommen werden bzw., in umgekehrter Perspektive, wie stark die Webseiten anderer Länder genutzt werden. Die Präsenz englischsprachiger Webseiten in der weltweiten Nutzung ist da nur ein Hinweis auf die Internetgeografie der grenzüberschreitenden politischen Kommunikation, die sich aus jedem Land anders darstellt.

9 Systemtypologien

Die gesellschaftliche Bedingtheit von Mediensystemen führt dazu, dass unterschiedliche Staaten und Gesellschaftssysteme unterschiedliche Mediensysteme hervorgebracht haben. Dies hat schon frühzeitig die kommunikationswissenschaftliche Forschung angeregt, Mediensystemtypologien vorzunehmen. Aufgrund der prägenden Wirkung national bedingter Strukturelemente sind diese Typologisierungen auch überwiegend nationalstaatlich konfiguriert – inter- oder transnationale Bezüge spielen noch keine bedeutende Rolle. Dabei widerspiegeln diese Typologien ihrerseits Kriterien, die aus dem jeweiligen Wertesystem und vorherrschenden ordnungspolitischen Vorstellungen gewonnen wurden.

Dies wird besonders deutlich bei dem frühesten Modell einer Mediensystemtypologie, den „Four Theories of the Press“ von Siebert et al. (1956). Sie identifizierten vier Modelle weltweit: das des Autoritarismus, des Liberalismus, und die modernen Varianten des Modells der Sozialverantwortung und des Kommunismus (vgl. Hardy 2012). Entstanden in der Zeit des Kalten Krieges, in der die West-Ost-Auseinandersetzung der Gesellschaftssysteme auch die Sozialwissenschaften stark beeinflusste, nehmen die Autoren die Perspektive des Liberalismus-Modells ein und lassen die anderen Modelle, an diesem gemessen, als defizitär erscheinen. Im liberalen Medienmodell, das nach Siebert, Peterson und Schramm durch Medien in Privatbesitz charakterisiert, über welche eine Kontrolle ausschließlich durch die freie Konkurrenz von Ideen und ein transparentes Rechtssystem ausgeübt wird, wird die Funktionsfähigkeit der politischen Kommunikation empirisch ungeprüft angenommen.

Demgegenüber entspricht das Autoritarismus-Modell noch ganz dem absolutistischen Denken, nach dem Medien im Dienst der Herrschenden und des Staates stehen müssen. Politische Kommunikation findet als Einweg-Kommunikation statt. Das Sozialverantwortungsmodell fügt – angesichts der tatsächlichen Fehlleistungen von Medien – dem Liberalismus-Modell lediglich die Funktion von Medien bei, dass sie als Foren zur Debatte sozialer Konflikte dienen mögen – es bereichert also die politische Kommunikation um vielfältigere Stimmen –, während im Kommunismus-Modell – verortet in der damaligen Sowjetunion – die politische Kommunikation unter der Kontrolle und im Dienst von Einheitspartei und System der kommunistischen Staaten steht. Abgesehen davon, dass die normativen Zuordnungen in diesem Modell auffällig sind (Massmann 2003, S. 25), blieben in diesen vier Modellen ganze Weltregionen unberücksichtigt.

Wiios Kontingenzmodell der Kommunikation (1983) stellte den Versuch dar, ähnlich normativ fundierte Approaches wie die von Ronneberger (1978) und Martin und Chaudhary (1983) zu überwinden. Mit der Entwicklung von differenzierenden Kategorien versuchte der Finne 1983 eine empirisch basierte Beschreibung von Mediensystemen zu leisten. Er unterschied offene von geschlossenen Rezeptionssystemen, offene von geschlossenen Produktionssystemen, öffentlichen von privatem Medienbesitz, zentralisierte von dezentralisierter Medienkontrolle und das Recht zu senden und zu empfangen, das entweder bei der Gesellschaft oder bei dem Individuum liege. Durch die Kombination dieser Kategorien leistete er eine differenzierende Einordnung bestehender Mediensysteme, überwand bisherige Dichotomien, behielt aber die von Siebert, Peterson und Schramm geprägten Begriffe des autoritären, liberalen, kommunistischen oder Sozialverantwortungsmodells bei. Doch die Mediensysteme der westlichen Hemisphäre erschienen bei ihm nicht mehr als nicht ununterscheidbar, und er konnte auch die Länder des Südens, die als Entwicklungsländer bezeichnet wurden, in das Modell aufnehmen.

Den bisher einflussreichsten Vorschlag für eine empirisch basierte Analyse von Mediensysteme haben Hallin und Mancini (2004) vorgelegt, indem sie durch den Vergleich von Medienentwicklung und Medienrealität eine Vielzahl von Kriterien extrahierten und daraus Medienmodellgruppen entwickelten. Aus 18 Ländern in Nordamerika und Westeuropa bildeten sie

  • das mediterrane oder polarisiert-pluralistische Modell (Italien, Spanien, Portugal, Griechenland und Frankreich),

  • das nord- und zentraleuropäische oder demokratisch-korporative Modell (Schweden, Norwegen, Dänemark, Finnland, Niederlande, Belgien, Österreich, Schweiz) und

  • das nordatlantische oder liberale Modell (USA, Kanada, Großbritannien, Irland, Kanada) (ebd. 66–75).

Hallin und Mancini entwickelten ihre Modelle auf der Grundlage von politischen und medialen Dimensionen und stellten erst im Ergebnis fest, dass bei dieser Modellbildung klar abgegrenzte Regionen entstanden. Allerdings beschränken sie sich in ihrer Beschreibung von Mediensystemen auf die industrialisierten Länder und können mit ihren Kategorien den Großteil der Länder außerhalb dieses Kreises nicht in den Blick nehmen.

Von den bei Hallin und Manicini untersuchten Dimensionen sind insbesondere (1) die Struktur des Pressemarktes, (2) die Stärke des politischen Parallelismus, (3) die Stärke journalistischer Professionalisierung sowie (4) die Rolle des Staates für die politische Kommunikation von hoher Relevanz. (1) Die Struktur des Pressemarktes kann durch eine an den Interessen einer Elite ausgerichtete Zeitungslandschaft geprägt sein oder durch eine Massenpresse, die mittels Reichweite profitabel ist. (2) Die zweite Dimension bezieht sich auf die parteipolitischen Orientierungen in Bezug auf das Spektrum der politischen Parteien bzw. – beim Rundfunk – auf die Einflussmöglichkeiten von Regierungen oder gesellschaftlichen Interessengruppen. Der Grad der journalistischen Professionalisierung (3) bemisst sich danach, inwieweit Journalist_innen ihren eigenen vom politischen System unterscheidbaren Normen und Werten folgen. Die vierte Dimension schließlich gibt Auskunft darüber, wieviel Autonomie das politische System den Medien einräumt.

Die Frage, „unter welchen Bedingungen des Mediensystems welche Kulturen politischer Kommunikation zwischen politischen Akteuren und Journalisten möglich und wahrscheinlich sind“ (Pfetsch und Maurer 2008, S. 106), beantworten Pfetsch und Maurer mit Rückgriff auf verschiedene politische Kommunikationskulturen, die sie danach unterscheiden, ob sie eine große oder eine geringe Distanz zwischen politischen Sprechern und Journalisten aufweisen, und ob die politische Öffentlichkeitsarbeit an der Dominanz der Medienlogik oder der Dominanz der politischen Logik ausgerichtet ist (ebd. 104). Sie stellen die Hypothese auf, dass liberale Mediensysteme eine medienorientierte politische Kommunikationskultur aufweisen, die durch eine große Distanz zwischen politischen Sprechern und Journalisten und eine Dominanz der Medienlogik gekennzeichnet ist. Das polarisiert-pluralistische Modell weist eine (partei-)politische Kommunikationskultur, charakterisiert durch eine geringe Distanz der beiden Akteursgruppen, und eine Dominanz der politischen Logik auf. In demokratisch-korporatistischen Mediensystemen findet sich entweder eine strategische politische Kommunikationskultur (Dominanz der politischen Logik und große Distanz) oder eine PR-orientierte politische Kommunikationskultur (Dominanz der Medienlogik und geringe Distanz).

Den Ansatz von Hallin und Mancini, Mediensysteme nicht aufgrund von ideologischen Konzepten, sondern empirisch nachweisbaren Kriterien zu identifizieren, entwickelte Blum (2005) mit seinem pragmatischen Differenzansatz weiter, in dem er die Differenzierung der Beschreibungskategorien vorantrieb. Er unterscheidet neun Dimensionen (Regierungssystem, politische Kultur, Medienfreiheit, Medienbesitz, Medienfinanzierung, politischer Parallelismus, Staatskontrolle über die Medien, Medienkultur und Medienorientierung), deren Ausprägung er jeweils einer liberalen Linie (A), einer regulierten (C) oder einer mittleren Linie (B) zuordnet. Somit erweitert er in diesem Modell fünf medienbezogene Dimensionen (Medienfreiheit, -besitz, -finanzierung, -kultur, -orientierung) und eine politische (Regierungssystem) um drei Dimensionen, die an den Ansatz von Hallin und Mancini angelehnt sind. Dies sind die politische Kultur, die Staatskontrolle über die Medien und der politische Parallelismus, also die Nähe zwischen Medien und politischen Parteien. Aus der Kombination dieser Dimensionen und ihrer Ausprägungen konstruiert er sechs Mediensystemmodelle, denen er verschiedene Weltregionen zuordnet:

  • das atlantisch-pazifische Liberalismus-Modell (z. B. USA),

  • das südeuropäische Klientelmodell (z. B. Italien),

  • das nordeuropäische Public-Service-Modell (z. B. Deutschland),

  • das osteuropäische Schockmodell (z. B. Russland),

  • das arabisch-asiatische Patrioten-Modell (z. B. Ägypten) und

  • das asiatisch-karibische Kommandomodell (z. B. China).

Auch wenn die Zuordnung einzelner Länder in dem einen oder anderen Fall zu überprüfen wäre und die Dimensionen von einer Groborientierung gekennzeichnet sind, die für Einzelfragen zu spezifizieren wäre, so erlaubt dieses Modell doch, eine präzisere Beschreibung von Mediensystemen als die vorangegangenen Modelle vorzunehmen. Allerdings ist dieser Ansatz noch nicht für die politische Kommunikationsforschung fruchtbar gemacht worden.

Hallin und Mancini (2012) prüfen in einer neuen Publikation ihren Ansatz, indem sie neue Modelle und Konzepte vor dem Hintergrund nicht-westlicher Mediensysteme betrachten und auch Prozesse politischer Transformationen inkludieren. Und in einem weiteren Artikel (2017) betrachteten sie die Fortschritte, die in den zehn Jahre nach ihrer Erstpublikation sowohl im Hinblick auf die Entwicklung quantitativer Analysen der Schlüsselvariablen gemacht worden sind als auch im Hinblick auf die Ausweitung der vergleichenden Mediensystemforschung auf Online-Medien sowie auf die konvergierende Entwicklung der Mediensysteme in Richtung des liberalen Mediensystems.

Brüggemann et al. (2014) schlagen vor, die Kategorie der Rolle des Staates in drei Unterkategorien aufzuteilen, da erstere zu breit und unspezifisch wäre. An ihrer Stelle wollen sie die Rolle des Staates im Hinblick auf sein Verhältnis zum öffentlichen Rundfunk, sein Agieren bei der Pressesubvention und in Relation zur Regulierung von Medieneigentum betrachten. Auf der Basis der Auswertung entsprechender empirischer Daten kommen sie zu dem Schluss, dass das demokratisch-korporatistische Modell tatsächlich zwei Varianten aufweist: Den nördlichen Typus (vor allem in den skandinavischen Ländern beheimatet), und den mitteleuropäischen Typus, der auch in Großbritannien zu finden ist. Beide Typen sind von einem unterschiedliche Bevölkerungsgruppen inkludierenden Pressemarkt und einem starken öffentlichen Rundfunk gekennzeichnet, unterscheiden sich aber im Hinblick auf die geringeren Pressesubventionen und auch eine geringere journalistische Professionalisierung im Fall des mitteleuropäischen Typus. Das italienische Mediensystem ist hingegen durch einen höheren Grad an Regulierung des Medienbesitzes und einen größeren politischen Parallelismus gekennzeichnet als im nördlichen Typ vorfindbar. Trotz dieser Erweiterungen konstatieren auch sie, dass die Typologisierung von Mediensystemen künftig die Kategorien des Internetzugangs, der Rolle der sogenannten sozialen Medien und das Ausmaß von Pressefreiheit berücksichtigen sollten – eine Dimension, die bei Blum schon stärker berücksichtigt war. Und auch in diesem Erweiterungsvorschlag von Brüggemann et al. bleibt der Transfer von den Mediensystemtypen auf die Kultur der politischen Kommunikation noch zu leisten.

10 Globalisierung der Mediensysteme

Bisher ist von der Existenz unterscheidbarer nationaler Mediensysteme ausgegangen worden, die entsprechend die politische Kommunikation prägen. Doch es kann zu Recht gefragt werden, ob diese Betrachtungsweise überhaupt noch ihre Berechtigung hat (Thomaß 2013, S. 39). Denn die Entgrenzung der politischen Kommunikation lässt die Bedeutung ihrer nationalen Bedingtheit schwinden. Und die Mediensysteme sind ihrerseits längst keine nationalen Container mehr, sondern unterliegen ebenfalls einer Entgrenzung in ökonomischer, rechtlicher, politischer, technischer und kultureller Hinsicht. Die globale Bedeutung des Internets und seine Quasi-Nichtregulierbarkeit aus nationaler Perspektive sind sichtbarstes Zeichen für diese Entwicklung. Angesichts dieser Entwicklungen mag einer zweifeln, ob es noch sinnvoll ist, nationale Mediensysteme zu identifizieren, analysieren und vergleichen. Dem ist entgegenzuhalten, dass Mediensysteme sich im nationalen Rahmen historisch entwickelt haben und – überwiegend – durch nationalstaatlich begrenzte rechtliche Bedingungen präformiert sind. Medien sind in kulturelle Kontexte eingebettet, die national – und auch grenzüberschreitend – dimensioniert sind, jedoch nur in Ansätzen global. Vor allem Medienrecht und -politik, auch wenn deren Gestaltungsmacht aufgrund von Globalisierungsprozessen abnimmt, machen es möglich, national begrenzte Mediensysteme zu identifizieren. Dies rechtfertigt es, sie innerhalb ihrer jeweiligen nationalen Grenzen zu betrachten – trotz einer voranschreitenden Entgrenzung der Mediensysteme.

11 Fazit

Die vergleichende Forschung zu Mediensystemen und die hierzu vorliegenden Modellbildungen und Typisierungen bieten reichhaltige Kriterien und Dimensionen, politische Kommunikation, die ihr inhärenten Prozesse und die jeweiligen politischen Kommunikationskulturen ursächlich zu erklären. Doch steht die Forschung dazu erst am Anfang. Mediensysteme sind – in Anlehnung an systemtheoretische Überlegungen – als hochkomplexe Gefüge beschrieben worden, die in ihrer Leistungsfähigkeit von vielfältigen Faktoren aus Recht, Ökonomie, Technologie und Politik abhängig sind. Diese Leistungsfähigkeit schlägt sich in der Qualität von Input, Throughput und Output der politischen Kommunikation nieder. Die politische Kommunikation selbst entsteht aus einem Zusammenwirken aus Mediensystem und politischen System, wobei ersteres auf letzteres einwirkt, die umgekehrte Richtung aber ebenso wirkmächtig ist. Beide haben eine komplexe Eigenlogik. Wie also Mediensysteme die politische Kommunikation beeinflussen, gilt es erst noch theoretisch zu modellieren und erst recht empirisch zu erfassen. Wenn zudem mit berücksichtigt wird, dass und wie schnell sich Mediensysteme wandeln, eine Tatsache, die in der Konsequenz auch die Dynamik der politischen Kommunikation beeinflusst, wird deutlich, wie komplex die Modelle und die Forschung angelegt sein müssen, die diesen Zusammenhängen auf die Spur kommen wollen.