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Meinung Pet Shop Boys

Die einzigen, die immer für dich da sein werden

Sie standen schon zwischen Benjamin Blümchen und Alf: Neil Tennant und Chris Lowe Sie standen schon zwischen Benjamin Blümchen und Alf: Neil Tennant und Chris Lowe
Sie standen schon zwischen Benjamin Blümchen und Alf: Neil Tennant und Chris Lowe
Quelle: Alasdair McLellan
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„Nonetheless“ heißt das neue Album der Pet Shop Boys, ihr 15. in 40 Jahren. Oliver Polak hat es gehört – und es erinnert ihn daran, wer er einmal war und was er am wenigsten werden wollte.

„Weißt du, was ich manchmal denke? Es müsste immer Musik da sein. Bei allem, was du machst. Und wenn’s so richtig scheiße ist, ist wenigstens noch die Musik da. Und an der Stelle, wo es am allerschönsten ist, da müsste die Platte springen, und du hörst immer nur diesen einen Moment“, sagte Frank Giering im Film „Absolute Giganten“.

Die Pet Shop Boys sind genau dieser präzise Moment. Wenn mich der Zweifel im Leben vereinnahmte, die Einsamkeit in der Tristesse des Aufwachsens in der Provinz sich anschlich, die Sinnlosigkeit des Lebens als kalte Bettdecke über mich gestülpt wurde. Dann war da diese Band, die immer in jeder Musikepoche der vergangenen vier Jahrzehnte anwesend war, dazugehörte, gleichzeitig anders war.

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Ich wollte im Alter von zehn Jahren nicht dem deutschen Kleinstadtmorast angehören. Ich wollte so sein wie sie. Die Jungs aus der Zoohandlung. Wie sie auftraten, wie sie sich anzogen, wie sie sich gaben, wie sie einfach sie waren, sich verkleideten und dabei nicht verkleideten. Die Hoffnung, dass ich irgendwann vielleicht auch so sein könnte. Der Eine, der Typ im klassischen Anzug, ab und an mit Bomberjacke statt Jackett, der Andere, der sich bereits vor vierzig Jahren schon oversized gebrandet anzog, im Style einer Balenciaga-Kampagne von 2024 – überdimensionale Pufferjacken, dicke Sneakers, große Sonnenbrillen.

Jedes Album ein neuer Look und immer wieder ein leicht veränderter Sound. Gleichzeitig ein immer wieder vertrauter Elektropop, der mir die Geborgenheit im Ritual des Rezipierens gab.

Das neue Werk „Nonetheless“, übersetzt „Dennoch“, produziert von James Ford (Arctic Monkeys, Depeche Mode, Blur) irgendwo zwischen Kraftwerk, John Williams, Brian-Eno-esken Chören, Schlagerhousestampf, Bossanova, Melodien, wo Neil Tennant melancholisch fragend singt: „Who am I? And what will I turn out to be?“. Ein Safespace für homosexuelle Männer, Neunziger-Casiokeyboardklänge. Gefühlt zurückversetzt in mein Kinderzimmer der Achtzigerjahre mit Blick auf das Vinylplattencover ihres ersten Albums „Please“, wo sie in weißen Bademänteln vor weißem Hintergrund posieren, in meinem Regal zwischen Benjamin-Blümchen-Kassetten und dem Plüsch-Alf.

Schlager as fuck

Roland Kaiser sagte mir in meinem Schlagerpodcast, dass Schlager Songs sind, die die Mehrzahl der Menschen auf der Straße nachsingen oder nachpfeifen. Populäre Lieder. Die Interpretationen der Pet Shop Boys von „Go West“ und „Always on My Mind“ sind somit Schlager as fuck.

„Dancing Star“, der Discoschlagertrackhit des neuen Albums. Das Video eine Hommage an den Balletttänzer Rudolf Nurejew, der Song der perfekte Soundtrack für die Kirmes, den Rummel im selben Tempo wie „West End Girls“. Lässt mich wieder als Teenager in den Achtzigern aufgebrezelt, frisch geduscht, haarspraygetuned in weiten Diesel-Jeans und Thrasher-Hoodie am Rand der Fahrbahn des Autoscooters stehen, die Wagen, wie sie im Stroboskop-durchblitzten Nebel aufeinanderprallen, beobachtend. Der aus den Boxen donnernde Sound der Kirmes, bunt, hoffnungsvoll.

„Nonetheless“ von und mit den Pet Shop Boys
„Nonetheless“ von und mit den Pet Shop Boys
Quelle: Warner Music

Sie, die britischen Siegfried und Roy, die musikalische Pradabag, Discoemotion, Jean Paul Gautier-Matrosenvibes im Ringelshirt, Elektrosoundmonotonie, Popkids, Daniel-Richter- und Wolfgang-Tilmanns-Fans, Berlin-Lover. Always on your mind. Songs, Melodien, die sich für die Ewigkeit in dein Hirn einhämmern.

Textzeilen, Worte, die sich in deine Seele einbrennen, die deinen Momentzustand erfassen, dadaistisch begreifen, dich aufladen. Dich auf eine Reise ins Ich oder das, was du sein willst, senden.

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In ihrem überragendem Opener des neuen Albums, im Neunzigerjahre-Discostyletrack „Loneliness“, der starke emotionale Vibes ähnlich wie auf ihrem „Behaviour“-Album von 1990 in mein Herz pumpt, singt Tennant: „Wohin flüchtest du vor der Einsamkeit? An wen wirst du dich in deiner Einsamkeit wenden?“ Meine Antwort ist gewiss: an die Pet Shop Boys.

„Nonetheless“ erscheint am 26. April 2024 bei Parlophone/Warner.

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